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  • NitramOnuc

3 Beiträge seit 27.02.2025

Sündenböcke kreuzweise

Die beiden Artikel von David Goeßmann erfassen genau 50% der Wirklichkeit. Wer die Augen aufmacht, sieht doch, dass die Sündenbock-Praxis kreuzweise angewandt wird: Die AfD und ihre Anhänger werden eins zu eins ebenfalls in eine Sündenbock-Rolle gesteckt. Gleichzeitig, durch wechselseitiges Spalten und Aufschaukeln – wie Goeßmann sagt: Teile und herrsche! Divide et impera!

(Um „Sünden“-Trallala und gut-böse-Einteilungen macht man besser sowieso, wenn man eine ruhige Analyse will, einen Bogen: Ekelbilder, seien sie braun oder anders gefärbt, werden nur Herbeiführung des „Divide“ genutzt, zur Erkenntnis tragen sie nichts bei.)

Der sehr zutreffende zitierte „Witz“ („Pass auf, der Flüchtling will deinen Keks!“) muss schlicht und ergreifend durch die andere Hälfte ergänzt werden:

Der Banker sitzt wieder mit zweien zusammen, mit einem grünen Großstadt-Mittelschichtler und einem stockkonservativen, nicht gerade weltaufgeschlossenen AfD-ler. (An dieser Stelle fehlt mir das Analogon zu den 11 Keksen: ein „witziges“ Bild müsste verdeutlichen, dass mit den Keksen ja auch Teilhabemöglichkeiten geraubt sind, dass immaterielle Zerstörung von Gesellschaft damit einhergeht.) Zum grünen Lehrer sagt er also: „Pass auf, diese braune Rotte ist gefährlich, die untergräbt den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft und unsere Demokratie! Geh demonstrieren, setze wenigstens ein Zeichen!“

Rudolf Steiner (er hat heute Geburtstag) hat ja schon vor mehr als 100 Jahren vielfach die Marionettenspielkünste der Verschwörungspraktiker (hinter der „Spanischen Wand“, als die nach Francis Delaisi die Demokratie genutzt wird) skizziert. Dabei betont er, dass die Machenschaften besonders effektiv wirken, wenn öffentlich genau gegenteilige Positionierungen gefördert werden. An einer Stelle sagt er sogar (ich zitiere sehr frei), dass der Gesamtinhalt dieser Deep-State-Praxis eigentlich die Anwendung der Hegelschen Dialektik ist.

Warum kann Goeßmann es sich leisten, die eine Hälfte einfach wegzulassen? Wegen der durchgängigen und überragenden Relevanz sollte soetwas heute zur Grundausbildung im freien Journalismus gehören.

Es könnte allerdings anstrengend werden, mit solcher fundamentalen Skepsis zu leben. Wenn jetzt, sofort nach der Wahl, „Durchleuchte die NGOs“ (Merz gegen Klingbeil) gespielt wird, fragt man sich: was haben die vor?

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