Die repräsentative Demokratie ist aber grundsätzlich keine Demokratie. Der Begriff ist ein Oxymoron. Demokratie kommt ursprünglich aus dem antiken Griechenland. Und damals hat Demokratie bedeutet, dass es eine maximale Partizipation der Bürger an allen Entscheidungen gibt. Wahlsysteme wurden als Oligarchie betrachtet. Und diese Auffassung von Demokratie hat bis zum Ende des 18. Jahrhunderts jeder Intellektuelle gehabt, der sich mit Demokratie beschäftigt hat, wie z. B. Aristoteles, James Harrington, James Madison (der an der US-Verfassung mitgeschrieben hat), Emmanuel Sieves, Charles Montesquieu.
Die Leute, die sich unser repräsentatives System ausgedacht haben, haben dieses System nicht als Demokratie gedacht, sondern es streng davon unterschieden. Sie wollten keine Demokratie, aus grob drei Gründen:
1. Hohes Bevölkerungswachstum macht Demokratie unmöglich.
2. Die industrielle Revolution (der Beginn des modernen Kapitalismus, Lohnarbeit) hat dazu geführt, dass die meisten Menschen 10, 12, 14 Stunden am Tag arbeiten müssen und sie daher keine Zeit haben sich politisch einzubringen.
3. In einer Gesellschaft in der einige wenige alles haben und der große Rest nichts, würde es in einer tatsächlichen Demokratie dazu kommen, dass sich die Mehrheit entscheidet, die Reichen zu enteignen und deren Besitz aufzuteilen.
4. Nur den Besitzenden kann man die Regierung anvertrauen, weil sie geübt darin sind, Verantwort zu haben, da sie ja schon Verantwortung für ihren Besitz haben. Übrigens Theodor Heuss vom Parlamentarischen Rat 1945 meinte, dass, wenn es in Deutschland mehr Demokratie gäbe, dann würde es wieder zu einer Fürstenenteignung kommen, wie es in der Weimarer-Republik passiert ist. Und daher war er gegen Demokratie. In der Weimarer-Republik gab es Volksentscheide (die ich nicht als Demokratie sehe, aber es gab sie auf jeden Fall).
In den Politikwissenschaften ist es bekannt, dass die "repräsentative Demokratie" eine konstitutionelle Oligarchie ist. Aber es wird damit entgegnet, dass das ja nicht so schlimm sei, weil:
1. Ein friedlicher Machtwechsel möglich ist.
2. Sie sei das geeignetste System ist in einer Massengesellschaft.
In den letzten zehn Jahren oder so ist noch ein weiteres Argument hinzugekommen. Nämlich, dass es gar keine Rolle mehr spiele, ob es noch demokratische Prozesse gibt, weil man es vom Ergebnis her sehen sollte. Aber wenn man so argumentiert, dann könnte man ja gleich sagen, dass ein Diktator auch in Ordnung wäre, solange er für wirtschaftliches Wachstum sorgt.
Hab ihr eigentlich schonmal darüber nachgedacht:
In der Politik fordern wir Demokratie. Aber wenn man mal überlegt, in der Wirtschaft haben wir eine Monarchie. Wenn ich die Tür zu meinem Arbeitsplatz durchschreite, dann herrscht dort eine autoritäre Monarchie mit dem Chef bzw. Arbeitgeber als Monarch und kein bisschen Demokratie.
Wie wäre es, wenn wir Demokratie auch in der Wirtschaft fordern? Es gibt da ja einige Modelle und Möglichkeiten. Wie z. B. bei Genossenschaften. (Betriebsräte meine ich nicht. Weil die nur vermitteln und am Ende hat der Arbeitgeber das letzte Wort.) Oder man nennt es auch "partizipative Demokratie".