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  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Warum diese Wortschöpfung?

Ich frage mich, was ein "Antipopulist" oder eine "antipopulistische Partei" sein soll?

Scheinbar ein Schmähbegriff für Politiker und Parteien, die sich nicht nur mit tollen Wahlprogrammen brüsten, sondern sich auch Gedanken machen, wie die im Wahlprogramm beschriebenen Maßnahmen und Ziele finanzierbar und umsetzbar sind.

Ich kann auch nicht erkennen, dass die etablierten Parteien (so würde ich sie nennen) Angst vor dem Wählerwillen haben. Es ist in Deutschland noch keine Wahl abgesagt worden, und dass zwischen zwei Bundestagswahlen die Regierungsparteien einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen mussten gab es auch schon früher.

Klar, mit jetzt 3 statt wie früher in der Regel 2 Regierungsparteien wird das Regieren nicht einfacher - vor allem dann, wenn die wie im Fall der Bundesregierung noch aus deutliche verschiedenen Lagern kommen.

Der AFD kann man dagegen vorwerfen, dass die Polemik, die bei Wahlkampfauftritten zutage getragen wird in vielen Teilen gar nicht zum Wahlprogramm passt - und das wiederum nur die superweichgespülten Ansichten der radikalsten ihrer Parteisoldaten darstellt. Ähnlich sieht es beim BSW aus, der Name sagt es hier schon: Partei von Sara Wagenknecht. Die Dame hat ja früher schon viel Publicity gemacht, in der Partei werden nur Personen geduldet, die sich ihr unterordnen wollen - es grüßt die SED-Diktatur, ein Loblied auf den Generalsekretär!

Was den Politikern dieser Protestparteien eigentlich klar sein müsste - selbst wenn sie in Amt und Würden kommen sollten würden die politischen Realitäten sie sehr schnell einholen. Die politische Handlungsspielräume der Bundesregierung sind vergleichsweise eng, ca. 80% (oder mehr) des Staatshaushalts sind durch langfristige Verpflichtungen der verschiedensten Art schon weit über die Dauer einer Legislaturperiode hinaus fixiert. Das Grundgesetzt definiert weitere Schranken. Soll heißen: Sie können zwar groß von politischer Richtungsänderung erzählen - machbar wäre das aber eher in kleinsten Schritten.

Und wenn ich mir anschaue, welche Gestalten teilweise für die AFD in Position gebracht werden und für politische Ämter kandidieren dann verstehe ich die Abgeordneten von SPD, CDU, FDP und den Grünen sehr gut, warum sie diesen verweigern, etwa als Ausschussvorsitzende dem Parlament zu dienen.

Vor allem die AFD baute ja ihren Wahlkampf vor allem darauf, dass sie so tut als ob es nicht ihre Schuld sei - wenn ich aber so deutlich die Verachtung für die Politik vor mich her trage wie die AFD das macht, dann brauche ich mich nicht zu wundern, dass andere Parteien mich ablehnen. Ich kann halt nicht auf dem Spielplatz einen auf Rabauke machen und dann daheim bei Mami sagen "die sind alle blöd, die lassen mich nicht mitspielen". Irgendwer wird den Rabauken dann vom Spielplatz verbannen wenn der es nicht lernt, sich zu benehmen.

Was BSW angeht: Die sehe ich als klare Abspaltung der Linken. Sara Wagenknecht versucht die Wähler wieder einzufangen, die die Linke schon vor 20 Jahren verloren hat bevor die Erinnerung an die "gute alte Zeit" bei denen verblasst ist, die sich in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft der DDR wohl gefühlt hatte.

Das Verbotsverfahren gegen die AFD sehe ich als eine interessante Wendung an. Einer der Punkte, der dabei nach meiner Auffassung zu wenig gewürdigt ist das ist die "Delegetimierung" von maßgeblichen Elementen der Bundesrepublik Deutschland, die von der AFD betrieben wird:

- Sie versucht, ihre Anhänger weg von freien Medien ("Lügenpresse") hin zu einer in ihrer Meinung angepassten Presse zu leiten
- Sie übernimmt das Konzept der neuen Rechten dass man ja selbst das Recht hätte, zu definieren was wahr sei und was nicht.
- Die parlamentarische Demokratie wird verächtlich gemacht, autoritäre Systeme wie das in Russland dagegen als leuchtendes Vorbild hingestellt.

Und: Warum der Begriff russische Propaganda in Anführungsstriche gesetzt wird kann ich nicht verstehen. Diese Propaganda ist da.

Wer glaubt, die Meldungen aus der Ukraine über die russischen Kriegsgräuel seien auch "nur Propaganda" dem sei gesagt, dass die Ukraine es immerhin erlaubt, dass ausländische Reporter das Land besuchen können, dass das IKRK die russischen Kriegsgefangenen in der Ukraine besuchen darf und dass auch ukrainische Gerichte gegen eigene Soldaten vorgehen, wenn sie Gesetze übertreten. Die Situation in Russland sieht dagegen so aus, dass unabhängige Reporter seit 2.5 Jahren das Land faktisch nicht mehr besuchen und sich nicht frei darin bewegen können, dass das IKRK praktisch keinen Zugang zu den ukrainischen Kriegsgefangenen in Russland bekommt und dass man in Russland vor Gericht gebracht würde, falls man es wagt, einen Soldaten eines Vergehens zu bezichtigen.

Klar, man kann sich alles schön reden - aber man sollte sich als Wähler nicht der Illusion hingeben, dass man nur die Partei X oder U wählen braucht, damit alles wieder wie vor Jahren wird, als man selbst noch jung und schön, das Öl und Gas noch billig waren - sorry, aber die Zeiten sind vorbei, und auch Sara Wagenknecht wird die nicht wiederbringen!

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