Ansicht umschalten
Avatar von
  • unbekannter Benutzer

38 Beiträge seit 17.09.2002

Re:

>Die Selbstreproduktion ist für einen Organismus "einfach", weil er
>bereits vorhandene Biomasse assimilieren kann, um die Strukturen
>seines "Kindes" aufzubauen. Auf einen Roboter übertragen würde das
>bedeuten, dass er eine Fabrik mit sich herumschleppen müsste, welche
>sämtliche Teile aus denen er besteht produzieren können müsste.

Wieso ist die "Technomasse" für einen Assembler deswegen nicht
vorhanden? Ein Assembler besteht doch maximal aus den Elementen, die
uns bekannt sind, logischerweise. Also können wir diese Elemente doch
beschaffen und zur Verfügung stellen, so wie wir unserem Körper
mittels Nahrungszufuhr die nötigen Bausteine des Lebens liefern. Und
wenn ein Assembler aus Elementen besteht, die in seiner Umgebung
sowieso vorkommen, dann kann er sie sich sogar ohne unsere Zufuhr
nehmen, z.B. Eisen/Kohlenstoff aus dem Boden, Stickstoff/Sauerstoff
aus der Luft. 

Ein Assembler wird genausowenig ein magisches Instrument sein, wie es
ein Ribosom ist, das Proteine herstellt, welche u.a. wiederum zu
gleichen oder anderen Ribosomen werden können.


Die entscheidende Frage ist: WIE schafft es ein Organismus, das zu
tun? Ein Einzeller schafft es genauso, Kopien seiner selbst zu
erzeugen. Diese Universalreplikatoren, auf die die Nanoforschung
abzielt, ist nichts weiter als die absolute Essenz des
Kopierapparates einer lebenden Zelle, kombiniert in einer einzigen,
winzigen Maschine, hunderte male kleiner als das kleinste Ribosom und
unendlich vielseitiger. Das ist alles :) 

Aber nur weil die Evolution in Millionen und Milliarden Jahren keine
Assembler geschaffen hat, heißt das nicht, daß wir es auch nicht
schaffen.


>Ausserdem müsste er sich noch um die Beschaffung der Rohstoffe
>kümmern. Mit Hilfe von Aufgabenteilung ( 1 Mio. Nanobots besorgen
>Rohstoffe, 1 Mio. Nanobots produzieren Teile, 1 Mio. Nanobots setzen
>Teile zusammen, etc. etc.) wäre das theoretisch möglich.

Aufgabenteilung wäre denkbar, aber nicht zwingend notwendig.
Assembler, wie sie Drexler beschreibt, wären zu all diesen Schritten
fähig. Ein Assembler wird nach seiner Vorstellung in der Lage sein,
mit der korrekten Programmierung selbständig alles vorstell- und
programmierbare herzustellen, einschließlich eine Kopie seiner
selbst. Und genau diese Fähigkeit zur Selbstreplikation wird
entscheidend sein. Aus einem einzigen Assembler werden 2, daraus 4,
und exponentiell weiter. 

Ein beeindruckendes Rechenbeispiel aus EOC: Er geht von einem
komplexen Assembler aus, der aus 1.000.000 Atomen besteht, und eine
relativ langsame Arbeitsgeschwindigkeit von 1000 Arbeitsschritten,
d.h. er kann 1000 Atome pro Sekunde positionieren.

>Imagine such a replicator floating in a bottle of chemicals, making 
>copies of itself. It builds one copy in one thousand seconds, 
>thirty-six in ten hours. In a week, it stacks up enough copies to 
>fill the volume of a human cell. In a century, it stacks up enough 
>to make a respectable speck. If this were all that replicators could 
>do, we could perhaps ignore them in safety.
>Each copy, though, will build yet more copies. Thus the first 
>replicator assembles a copy in one thousand seconds, the two 
>replicators then build two more in the next thousand seconds, the 
>four build another four, and the eight build another eight. At the 
>end of ten hours, there are not thirty-six new replicators, but over 
>68 billion. In less than a day, they would weigh a ton; in less than 
>two days, they would outweigh the Earth; in another four hours, they 
>would exceed the mass of the Sun and all the planets combined - if 
>the bottle of chemicals hadn't run dry long before.


>Die Dichotomie besteht darin, dass ein Organismus aus organischem
>Material besteht, ein Nanobot hingegen aus anorganischem Material.

Ich glaube, diese Unterscheidung ist etwas zu einfach. Zum einen
bestehen auch "natürliche", Nanobots in den Zellen, deren Design
Millionen Jahre alt sein kann, aus anorganischen Bestandteilen,
wenngleich natürlich größtenteils aus organischen Elementen. Zum
anderen gibt es aber auch heute schon künstliche, d.h. designte und
synthetisierte, *organische* Enzyme, die so alltäglich sind, daß man
sie schon lange nicht mehr wahrnimmt, z.B. in Waschmitteln.

Also rein auf der Ebene des Fertigungsmaterials kann man diese
Unterscheidung zw. natürlich und künstlich kaum vornehmen, wobei die
ersten Nanobots, die beispielsweise synthetische Diamantschichten
o.ä. herstellen, durchaus ebenfalls fast vollständig organische
Proteine sein könnten, da nicht alle Nanobots extremen Bedingungen
wie Vakuum oder hohem/niedrigem Druck/Temperatur etc. widerstehen
müssen. Ich sage "könnten", denn wenn man nicht so ein Ding schon
gebaut hat oder ein Besucher aus der Zukunft ist, wird man kaum
Genaueres vorhersagen können.

>Auf der rein funktionellen Ebene kann man beide als Maschine
>bezeichnen. Spannend wird es dann wieder, wenn man auf die Ebene
>komplexerer Organismen kommt. Kann man den Menschen als Maschine
>bezeichnen? 

Auf Zellebene, definitiv ja. Wobei man natürlich eine einzelne Zelle
niemals als den ganzen menschen ansehen würde. Im
menschlichen/tierischen/pflanzlichen Organismus wird Arbeitsteilung
riesengroß geschrieben, größer, als in jedem anderen bekannten
System. 

Arbeitsteilung war in der Evolution der Lebewesen, genaus wie in der
Evolution der Ökonomie, eine der größten und wichtigsten Neuerungen
überhaupt, erst sie hat die Entwicklung von Einzellern über Klumpen
von Einzllern bis hin zum Menschen überhaupt erst möglich gemacht.
Genauso in der Ökonomie, auch der Ökonomie aller rudelbildenden
Lebewesen: Wenn jedes einzelne Individuum einer Spezies sich komplett
selbst versorgen kann, d.h. alle seine Bedürfnisse selbst decken
kann, ist das im Gesamtergebnis weniger effizient als spezialisierte
Individuen, die sich untereinander unterstützen, Beispiele dafür
gibts wie Sand am Meer.

Endlos faszinierend finde ich hier wiederum diese scheinbare Umkehr
der fortschreitenden Evolution: Während Arbeitsteilung in vielen
Ebenen der menschlichen Gesellschaft vorangetrieben wird, so wie sie
von der Evolution im komplexen (z.B. menschlichen) Organismus
perfektioniert wurde, werden diese Assembler das genaue Gegenteil
darstellen: 

Anders als in einer heutigen Fabrik, wo das berühmte "kleine
Rädchen", ob wortwörtlich oder übertragen auf Menschen, sehr wenig
bis gar nichts zählt, werden einzelne Assembler als kleinste
Produktionseinheit bereits die komplette Fabrik darstellen. Jeder
Assembler wird nach wie vor nur sehr sehr wenig vollbringen können,
und nur in der Masse werden sie jemals ein Gebäude errichten, oder
auch nur einen Toaster herstellen. Dennoch sind Assembler fundamental
anders: Denn jeder einzelne Assembler ist identisch zum nächsten,
jeder ist gleichwenig wert wie der nächste, dennoch hat jeder
einzelne das Potential, alles zu bauen, was man ihm aufträgt.

>Kann man etwas, das Bewusstsein besitzt als Maschine
>bezeichnen?

Das sind imo extrem schwere philosophische Fragen, die für die
Funktionalität aber wohl keine Rolle spielen. Ein Schwarm Nanobots
muß kein Bewußtsein besitzen, genausowenig, wie eine Leberzelle, oder
eine einzelne Nervenzelle im Gehirn eines besitzt; es stellt sich
eher die Frage, ob das überhaupt sinnvoll oder erstrebenswert ist. Da
liegen natürlich noch größere Gefahren verborgen als sie bereits ohne
Bewußtsein existieren werden, weniger im Sinne des "grey
goo"-Problem, wie es "Prey" beschreibt, sondern eher ein Schwarm, der
entscheidet, daß es ihm ohne Menschen besser ginge. Dann hätten wir
nix mehr zu lachen.


Bewerten
- +
Ansicht umschalten