GrenSo schrieb am 01.03.2024 11:48:
Mir geht es darum, dass es in einer Branche wie der Landwirtschaft nun mal nicht nach dem Prinzip höher, schneller, weiter gehen kann, da die Möglichkeiten der Natur nun mal limitiert sind. Jedoch hatte man, gerade ab den 70ern sehr stark mit dem Thema übermäßiger Düngung und Pestiziden begonnen, welche in den 80ern und 90ern den Höhepunkt erreichte. Zumindest in Deutschland. In der Zeit wurde auch, vor allem durch Großbetriebe, die Monokultur, wenn auch nicht mit z.B. Palmölplantagen vergleichbar, verstärkt und durch gezielte Kreuzungen der Ertrag immer weiter erhöht. Nur im Umkehrschluss wurden viele Pflanzen anfälliger, wodurch der Einsatz von Pestiziden und Dünger ebenso zunahm.
Selbiges sieht man auch wunderbar in den Milchbetrieben. Vergleiche mal die Milchkühe von vor 50 Jahren mit den Milchkühen, die es aktuell weltweit gibt. Da braucht sich niemand mehr zu wundern, dass eine Milchkuh im Schnitt nur noch knapp 5 Jahre alt wird, aber Kühe an sich locker 20 und mehr Jahre alt werden können.Ein wirkliches, wenn auch langsames Umdenken erfolgte erst in den letzten 20 Jahren. Nur erfolgte dieses Umdenken eher bei den Bauern bzw. Landwirten, siehe der Anstieg von Biobauern und Biolandwirten, und weniger in der Politik.
Ich gebe zu, ich bin nur bedingt Landmensch und kenne das richtige bäuerliche Leben nur noch von meinen Großeltern und Urgroßeltern, die in den Lausitz und Thüringen Bauernhöfe hatten. Die Kollektivierung zu DDR-Zeiten hatte aber da schon das meiste davon zum Stillstand gebracht. Das ist jedoch ein anderes Thema.
Danke dir für deine Antwort und Erklärung, das hilft Missverständnisse auszuräumen.
Ja, ich sehe es auch so, dass Landwirtschaft per se in ihrer Produktivität limitiert ist, bevor es an die Substanz der Umwelt geht. Die Frage ist nun, was zuerst da war: Die landwirtschaftliche Überproduktion oder das "Wachsen oder Weichen" der Politik. Wahrscheinlich beides - also klassischer Korporatismus: Großunternehmen sorgen für Auflagen, die die kleinen nicht halten können, um so die (qualitativ bessere) Konkurrenz loszuwerden.
Ich vergleiche und sehe in der ganzen Thematik vor allem die von dir erwähnten Großbetriebe, die schon seit Jahrzehnten politisch gepampert werden und die, von denen ich glaube, dass du für sie sprichst, normalen kleineren bis mittleren Bauernbetriebe, zu denen auch die gehören, die sich bisher erfolgreich durchschlagen konnten.
Aus meiner Sicht sind es aber jetzt und vor allem zu Beginn der Debatte weniger die zweitgenannten Bauernbetriebe gewesen, die sich lauthals aufregten und die Protesten mobilisierten, sondern vor allem die eh schon bevorzugten Großbetriebe. Die kleineren bis mittleren Bauernbetriebe haben sich erst später aktiv den Protesten angeschlossen. Und wenn, man sieht es beispielsweise dem Großteil der Biobauern, die nicht nur im Namen "Bio" tragen, ansieht, dann üben diese auch berechtigte Kritik am "Green Deal" - wie gesagt, auch ich heiße dabei nicht alles gut - aber gehen nicht wie Teile derer Kollegen auf die Barrikaden.
Ich verfolge das Thema schon seit etwa zwei Jahren, seit ich auf den Berufsverband LSV (Landwirtschaft schafft Verbindung / Landwirtschaft verbindet Deutschland) aufmerksam wurde. Dieser Verein hatte sich damals als Konkurrent zum Bauernverband gegründet, um endlich die Interessen der normalen Bauern zu vertreten, die im mit der Politik eng verbundenen Bauernverband konsequent unterdrückt wurden.
Denn die Situation, die wir aktuell haben, also dass die Bauern hohe Auflagen haben und zum Ausgleich am Tropf der Subventionen hängen, und trotzdem wachsen oder weichen müssen, entstand durch jahrzehntelange Kuhhandel zwischen Bauernverband und Politik. Das war für diejenigen, die gerne Bauern sind (und die das Wachsen - wegen der Limitierung der Natur - nicht als dauerhafte Lösung ansehen) nicht mehr tragbar, und so entstand der LsV.
Und der LsV war es dann auch, der endlich zu Demonstrationen aufrief, auch wenn die Medien ihn konsequent ignorierten und dann so taten, als sei es der Bauernverband gewesen. So demonstrierten bereits Bauern in Städten wie Augsburg (ich kenne Süddeutschland besser), als vom Bauernverband noch nichts zu hören war. Dessen Präsident bekam dann aber den vollen Medienfokus, und hatte nichts anderes zu tun, als den Protest möglichst zu dämpfen, damit er eben nicht zu einem Wandel führt, der so dringend notwendig wäre.
Sind also die Bauern schuld an der aktuellen Situation? Wahrscheinlich Ja, weil sie nicht schon früher Stopp gesagt haben und sich auf die Subventionen und den Bauernverband eingelassen haben. Sollte man dennoch dagegenarbeiten? Ja, auf jeden Fall. Denn wenn es so weitergeht, gibt es keine Bauern mehr, schon gar keine kleinen, sondern nur noch Importe aus aller Welt in gruseliger Qualität zu gruseligen Standards.
Full Disclosure: Ich bin selbst kein Bauer, aber Landkind und ich esse gerne qualitativ hochwertige, geschmackvolle Lebensmittel, weswegen ich (fahrzeuglos) mit auf den Demonstrationen war :)