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  • biehle

5 Beiträge seit 02.01.2018

Re: Rechenfehler

Sehr geehrter Herr Stark,

Sie schreiben:

"Ich lehne die Bologna-Reformen ab, da sie zu einer Zerstörung der europäischen Universität im besten Sinne führen. Sie vernichten individuelle Freiheiten, sorgen für Verschulung und Leistungsdruck. Auf der Jagt nach Credit-Points (allein schon die Terminologie!) bleiben freie Bildung und Persönlichkeitsbildung auf der Strecke."

Schön, dann haben wir offenbar ein ähnliches Bildungsideal. Sie denken aber nicht logisch weiter: wenn Sie nicht nur beim Sich-Wünschen eines Ideals stehen bleiben, sondern so weit wie möglich innerhalb der bestehenden Verhältnisse tatsächlich an dieses Ideal herankommen möchten, müssen Sie eben innerhalb des gegenwärtigen Systems Schulen, Universitäten usw. gründen, die so weit wie möglich (obwohl sie sich letztendlich leider auch denselben Bewertungsmassstäben unterwerfen müssen) andere Prinzipien verfolgen. Dann haben Sie aber eben das Problem, dass der Staat Ihnen die Zuschüsse nicht gewährt, die Sie bekommen würden, wenn Sie brav auf der neo-liberalen Linie bleiben (Genau diese Auseinandersetzungen haben in der Vergangenheit auch bei der Uni Witten-Herdecke stattgefunden). Also müssen Sie einen Teil der Kosten auf die Eltern bzw. die Studenten umlegen, ergo Schulgelder und Studiengebühren erheben.

Sie wünschen sich etwas, das unmöglich zu realisieren ist: eine "freie Bildung und Persönlichkeitsbildung" jenseits der staatlich verordneten Jagd auf Credit-Points - aber dennoch durch den Staat selbst erbracht und daher "kostenlos". Wie soll das gehen? Zeigen Sie doch mal, wie Sie dahin kommen wollen! Denjenigen, die nicht nur träumen sondern tatsächlich im Sinn des von Ihnen genannten Bildungsideals aktiv werden, vorzuwerfen, dass der Staat es nicht macht, ist jedenfalls sehr unfair.

Ich kann jedoch verstehen, wenn man eine Stiftungsprofessur durch Bertelsmann in einer Universität, die sich jenem Bildungsideal verschrieben hat, widersprüchlich findet - aber so müsste man es dann auch fassen: als Widerspruch zum eigenen Ideal. Und man müsste darauf hinweisen, dass es in Deutschland derzeit 660!! Stiftungsprofessuren gibt, die in Witten-Herdecke also eine von 660 ist, und Deutschlandweit insbesondere die Wirtschaftswissenschaften durch Unternehmen und neoliberale Denkfabriken dominiert sind - und dass gerade die Universität Witten-Herdecke, wie Sie ja selbst bemerkt haben, bewusst Raum gibt für alternative Ansätze.

Mit freundlichen Grüßen
Biehle

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