Eine weitere These in bezug auf den 11. September war ja, dass die
kulturindustriellen Bilder des
Katastrophenfilms das Ereignis antizipiert haben. Die Filme, die
diese Zerstörung Manhattans zeigen, dass es
eben keine Antizipation ist. Es gibt ganz bestimmte Spezifika was
zerstört wird, warum es zerstört wird, wobei
ein ganz konservativer Hollywood-Text auf einer niederen Ebene
durchläuft. Die These lautet, die Terroristen
haben sich in diese Kultur so eingelebt, haben diese Filmbilder
aufgesaugt und wollten auch genau diese Bilder
wieder erzeugen.
Es gibt keinen ursächlichen kausalen Zusammenhang, zwischen den
Bildern der Massenmedien und der Romane und dem,
was die gemacht haben. Es gibt eine philosophische Antwort, die man
ableiten kann von den berühmten Thesen von
Günther Anders aus der Antiquiertheit des Menschen, nämlich, dass
heute jedes Ereignis ein Bild sein muss, bevor
es als etwas Eigenes wahrgenommen werden kann. Die gesamte
muslimische Revolution arbeitet mit den Methoden des
Westens. Die Art und Weise, wie die muslimische fundamentalistische
Revolution durchgeführt wird - in der
Öffentlichkeitsarbeit mit Bildern - ist abgeleitet von - und das ist
präzise nachweisbar - von der Pop Art, den
westlichen Reklamen, usw.. Diese fundamentalistischen Revolutionen
übernehmen die ganzen Bildkampagnen des
Westens.
Wenn man die Bilder der islamistischen Gruppen mit denen der
amerikanischen vergleicht sind diese vom
Stilistischen, vom Gestalterischen absolut gleich.
Westlich und modern. Es gibt leider hier keine fundamentalistische
Bildtheorie, die uns andere Bilder liefern
würde, sondern es ist eine reine Anlehnung. Die westliche Bildtheorie
wird zu Hilfe genommen, mit der man dann
fundamentalistische Inhalte propagiert. Das ist reine westliche
Propaganda, üblerweise, mit der man dann
fundamentalistische Inhalte verbreitet. Die haben trainiert und von
unserem System gelernt: Ein Ereignis wird
nur als ein solches wahrgenommen, wenn es ein Bild reproduziert. Das
haben die gemacht. Sie haben gewusst, wir
machen es am helllichten Tag, nicht mitten in der Nacht, denn nur
dann kann es zum Bild werden, dann sind die
Kameras darauf gerichtet. Sie haben das effektiv für die
Bildindustrie produziert, weil sie das Gesetz eben
erkannt haben. Das ist die Gesellschaft des Spektakels, Guy Debord,
nur dann ist die Sache politisch, wenn es
ein reines Spektakel ist. Das haben die eindeutig kapiert, sonst
hätten sie es nicht so gut gemacht. Das ist
dann ein Zusammenhang zwischen der Struktur des Westens, der Funktion
der Bilder und der Art und Weise, wie die
Politik gemacht wird.
Das wird ja auch immer mehr im Internet gezeigt, wie diese Bildwelten
miteinander verknüpft werden.
Der nächste interessantere Aspekt ist, dass man sagen könnte, Amerika
durchläuft im 20. Jahrhundert
ununterbrochen extreme soziale, dramatische Wechsel. Es ist ein
sozial gewalttätiges Land, das ununterbrochen
Angst erzeugt - im eigenen Land. Man kann das erkennen an den
sogenannten "fear studies", Angststudien. Man
sieht das auch an seiner Filmindustrie. Es gibt in Europa,
einschließlich Russland, nicht diese Horrorfilme. Nur
in Ländern wie den USA, wo eine soziale Instabilität herrscht und
auch eine enorme Rechtsinstabilität. Das
Gesundheitssystem dort ist unsicher. Man kann die Justiz und sogar
nationale Wahlen kaufen, wie wir das bei Bush
gesehen haben. Eine solche Instabilität wie in Amerika in den
Bereichen Recht, Ökonomie, Gesundheit und
Versicherungen sorgt dafür, dass dieses Land von Angst geschüttelt
ist. Diese Angst wird von der Industrie
ausgebeutet, deswegen Katastrophenfilme, apokalyptische Filme bis hin
zu Horrorfilmen. Amerika ängstigt sich
seit der Jahrhundertwende; da gibt es den berühmten Roman von H.G.
Wells: The world in flames. Auch hier geht
New York schon zugrunde, es wird beschrieben, wie Bürohäuser
einstürzen. Also wird Amerika bereits 100 Jahre
lang begleitet von einstürzenden Wolkenkratzern. Insofern sind diese
Filme ein Spiegel der amerikanischen
Gesellschaft seit rund 100 Jahren. Die Amerikaner hatten zu recht
Angst. Das heißt, jetzt ist genau das
eingetreten, vor dem sie sich immer gefürchtet hatten.
Man könnte sagen, angelehnt an Woody Allen, Was Sie schon immer über
Amerika wissen wollten, aber sich nicht zu
fragen getraut haben. Das haben sie jetzt als Antwort bekommen: den
11. September. Das war eine Auskunft über
den Zustand der amerikanischen Gesellschaft, und deshalb die
Projektion: nein, das sind nicht wir, das sind die
anderen.
Die Bilder der Attacke wurden in den Darstellungskonventionen des
Film magisch aufbereitet.
Die Filme, das soziale Unbewusste, führen dazu, dass man diese Bilder
zwanghaft gezeigt hat, das steht dafür,
dass ich auch aus der Angst Profit machen kann, indem ich Bilder
zeige, die die Schaulust befriedigen. Diese
Schaulust ist so extrem, dass ich behaupte, dass die Leute fasziniert
im Fernsehen beim Untergang der Welt
zuschauen und das Spektakel genießen würden. Das ist der jetzige
Zustand der Gesellschaft. Ich wette, die
meisten Amerikaner haben das auf perverse Weise in der Wiederholung
genossen, gleichzeitig sind sie erschrocken
vor dem Horror, diesem Einsturz der beiden Türme. Und deswegen könnte
man nachweisen, das Fernsehen würde das
nicht zwangsweise tagelang wiederholen, wenn sie nicht wüssten, die
Zuschauer würden das auch tagelang
mitmachen. Insofern kann man diesen Leuten, diesen Millionen von
Menschen durchaus den Vorwurf machen, dass sie
dort gesessen haben im eigenen Land und dass sie als Ferngesellschaft
diese Bilder genossen haben. Das sind
bildmagische Zirkel. Also, man sieht durch die Herrschaft des
visuellen Mediums und die Herrschaft der Schaulust
die magischen Aspekte an der Politik selber.
Sachsses These im Artikel der Telepolis zu Iconoclash war: Kriege um
Bilder sind reale Kriege, Menschen sterben
für Bilder. Und dagegen gesetzt: wenn ich Bild jetzt mal als
künstlerisches Bild definiere, Kittlers These:
Kunst tötet nicht.
Das ist auch eine spannende Frage, Mitchell stellt in seiner
Bildtheorie die Frage: Was wollen Bilder. Früher
hieß es ja: was wollen wir von Bildern. Die Bilder haben für uns eine
Funktion. Aber seit kurzem taucht immer
wieder die Frage auf: Was wollen Bilder? Das hat, glaube ich, etwas
mit einem Thema zu tun, was Sie schon
mehrfach behandelt haben, nämlich mit dem Thema Biokybernetik, wo die
Grenze zwischen Natur und Kultur nicht
mehr so ganz klar ist. Auch die Artefakte, die Bilder haben Wünsche,
auch sie wollen etwas. Wenn hier die
unbelebte Materie oder das tote Bild etwas will, ist das fast die
Wiederkehr des Animismus. Was wollen sie von
uns? Das, was die Menschen auch wollten, nur umgedreht: Sie wollen
Opfer. Früher waren die Bilder Elemente in
magischen Ritualen, wo es um Opfer gegangen ist, also sakrale Dinge.
Plötzlich sagt man: die Funktion haben die
Bilder auch noch, aber sie wollen jetzt uns als Opfer haben. Dadurch
kommt die Möglichkeit auf, zu sagen: Bilder
töten, weil die Bilder plötzlich etwas wollen. Diese Stufe haben die
Bilder auch in dem ganzen Komplex Twin
Towers gezeigt.
Unglücklicherweise vertritt Kittler eine klassische Position, die ein
bisschen im Verschwinden ist. Sie erinnert
an eine Bilddefinition vor der Kunst, wo das Bild die Funktion hatte,
den Herrscher zu verewigen. Das Bild war
ein Spezialeffekt des griechischen Todeskults, wie kann ich den
Herrscher verewigen und am Leben halten. Die
Mumie ist die eine Quelle des Bildkultes. Und daraus kann man dann
ableiten: die Kunst tötet nicht, sondern
kämpft gegen den Tod und gibt eine gewisse Unsterblichkeit. Das
trifft zusammen mit der politischen
Repräsentationsfunktion des Bildes. Das Bild hat von Anfang an die
Funktion gehabt, nicht nur Stellvertreter des
Lebens, sondern auch das Leben selbst zu sein.
Wenn das Bild dann anfängt, Leben selbst zu sein, wie im Film
Videodrom, wo der Fernsehapparat ein lebender
Organismus ist - ich selbst nenne das immer: das viable Bild, das ein
lebensähnliches Verhalten hat -, hat das
Bild nicht nur die Funktion, dem Tod Einhalt zu gebieten, sondern in
dem Augenblick, wo das Bild selbst
biokybernetisch lebendig wird, erzeugt es Leben und ist Garant für
Leben. Insofern kann man sagen: Jedes lebende
Wesen lebt ja vom Leben anderer, da kommt dann diese Logik des
Kannibalismus herein, dass die Bilder anfangen,
auch zu fressen.
W.J.T Mitchell spricht vom biokybernetischen Zeitalter und hat bei
dem Vortrag im Rahmen von Iconoclash seine
Lieblingsikone gezeigt, einen Dinosaurier, dessen genetischer Code
visuell auf dem Saurier reproduziert wird,
ein Bild von 2 Sekunden aus dem Spielberg Film. Die Dinosaurier
springen durch diese Labors, und dann gibt es
den Moment, wo sie in den Computerraum eindringen. In dem Augenblick,
wo sie durchspringen, gibt es eine
Projektion. Man sieht plötzlich den DNA-Code, der sie erzeugt hatte,
auf die Haut projiziert. Das ist ein
wunderbares Bild; d.h., da erscheint der Code, der innen verborgen
ist, als Haut und als Muster. Das ist quasi
Open Source, der Quellcode wird offengelegt, der Code mit dem dieses
Wesen ins Leben gerufen wurde, trägt dieses
für eine Sekunde projiziert auf der Haut. Und das ist ein wichtiges
Bild, das sagt, dass Bilder gleichsam
lebende Wesen werden, dass man Bilder aus der toten in lebende
Materie verwandeln kann, und dass dann diese
Bilder die Dinosaurier fressen. Das hat Mitchell ironisch gesagt,
aber das geht ganz stark und
erstaunlicherweise aus der biokybernetischen Definition und Funktion
des Bildes hervor.
kulturindustriellen Bilder des
Katastrophenfilms das Ereignis antizipiert haben. Die Filme, die
diese Zerstörung Manhattans zeigen, dass es
eben keine Antizipation ist. Es gibt ganz bestimmte Spezifika was
zerstört wird, warum es zerstört wird, wobei
ein ganz konservativer Hollywood-Text auf einer niederen Ebene
durchläuft. Die These lautet, die Terroristen
haben sich in diese Kultur so eingelebt, haben diese Filmbilder
aufgesaugt und wollten auch genau diese Bilder
wieder erzeugen.
Es gibt keinen ursächlichen kausalen Zusammenhang, zwischen den
Bildern der Massenmedien und der Romane und dem,
was die gemacht haben. Es gibt eine philosophische Antwort, die man
ableiten kann von den berühmten Thesen von
Günther Anders aus der Antiquiertheit des Menschen, nämlich, dass
heute jedes Ereignis ein Bild sein muss, bevor
es als etwas Eigenes wahrgenommen werden kann. Die gesamte
muslimische Revolution arbeitet mit den Methoden des
Westens. Die Art und Weise, wie die muslimische fundamentalistische
Revolution durchgeführt wird - in der
Öffentlichkeitsarbeit mit Bildern - ist abgeleitet von - und das ist
präzise nachweisbar - von der Pop Art, den
westlichen Reklamen, usw.. Diese fundamentalistischen Revolutionen
übernehmen die ganzen Bildkampagnen des
Westens.
Wenn man die Bilder der islamistischen Gruppen mit denen der
amerikanischen vergleicht sind diese vom
Stilistischen, vom Gestalterischen absolut gleich.
Westlich und modern. Es gibt leider hier keine fundamentalistische
Bildtheorie, die uns andere Bilder liefern
würde, sondern es ist eine reine Anlehnung. Die westliche Bildtheorie
wird zu Hilfe genommen, mit der man dann
fundamentalistische Inhalte propagiert. Das ist reine westliche
Propaganda, üblerweise, mit der man dann
fundamentalistische Inhalte verbreitet. Die haben trainiert und von
unserem System gelernt: Ein Ereignis wird
nur als ein solches wahrgenommen, wenn es ein Bild reproduziert. Das
haben die gemacht. Sie haben gewusst, wir
machen es am helllichten Tag, nicht mitten in der Nacht, denn nur
dann kann es zum Bild werden, dann sind die
Kameras darauf gerichtet. Sie haben das effektiv für die
Bildindustrie produziert, weil sie das Gesetz eben
erkannt haben. Das ist die Gesellschaft des Spektakels, Guy Debord,
nur dann ist die Sache politisch, wenn es
ein reines Spektakel ist. Das haben die eindeutig kapiert, sonst
hätten sie es nicht so gut gemacht. Das ist
dann ein Zusammenhang zwischen der Struktur des Westens, der Funktion
der Bilder und der Art und Weise, wie die
Politik gemacht wird.
Das wird ja auch immer mehr im Internet gezeigt, wie diese Bildwelten
miteinander verknüpft werden.
Der nächste interessantere Aspekt ist, dass man sagen könnte, Amerika
durchläuft im 20. Jahrhundert
ununterbrochen extreme soziale, dramatische Wechsel. Es ist ein
sozial gewalttätiges Land, das ununterbrochen
Angst erzeugt - im eigenen Land. Man kann das erkennen an den
sogenannten "fear studies", Angststudien. Man
sieht das auch an seiner Filmindustrie. Es gibt in Europa,
einschließlich Russland, nicht diese Horrorfilme. Nur
in Ländern wie den USA, wo eine soziale Instabilität herrscht und
auch eine enorme Rechtsinstabilität. Das
Gesundheitssystem dort ist unsicher. Man kann die Justiz und sogar
nationale Wahlen kaufen, wie wir das bei Bush
gesehen haben. Eine solche Instabilität wie in Amerika in den
Bereichen Recht, Ökonomie, Gesundheit und
Versicherungen sorgt dafür, dass dieses Land von Angst geschüttelt
ist. Diese Angst wird von der Industrie
ausgebeutet, deswegen Katastrophenfilme, apokalyptische Filme bis hin
zu Horrorfilmen. Amerika ängstigt sich
seit der Jahrhundertwende; da gibt es den berühmten Roman von H.G.
Wells: The world in flames. Auch hier geht
New York schon zugrunde, es wird beschrieben, wie Bürohäuser
einstürzen. Also wird Amerika bereits 100 Jahre
lang begleitet von einstürzenden Wolkenkratzern. Insofern sind diese
Filme ein Spiegel der amerikanischen
Gesellschaft seit rund 100 Jahren. Die Amerikaner hatten zu recht
Angst. Das heißt, jetzt ist genau das
eingetreten, vor dem sie sich immer gefürchtet hatten.
Man könnte sagen, angelehnt an Woody Allen, Was Sie schon immer über
Amerika wissen wollten, aber sich nicht zu
fragen getraut haben. Das haben sie jetzt als Antwort bekommen: den
11. September. Das war eine Auskunft über
den Zustand der amerikanischen Gesellschaft, und deshalb die
Projektion: nein, das sind nicht wir, das sind die
anderen.
Die Bilder der Attacke wurden in den Darstellungskonventionen des
Film magisch aufbereitet.
Die Filme, das soziale Unbewusste, führen dazu, dass man diese Bilder
zwanghaft gezeigt hat, das steht dafür,
dass ich auch aus der Angst Profit machen kann, indem ich Bilder
zeige, die die Schaulust befriedigen. Diese
Schaulust ist so extrem, dass ich behaupte, dass die Leute fasziniert
im Fernsehen beim Untergang der Welt
zuschauen und das Spektakel genießen würden. Das ist der jetzige
Zustand der Gesellschaft. Ich wette, die
meisten Amerikaner haben das auf perverse Weise in der Wiederholung
genossen, gleichzeitig sind sie erschrocken
vor dem Horror, diesem Einsturz der beiden Türme. Und deswegen könnte
man nachweisen, das Fernsehen würde das
nicht zwangsweise tagelang wiederholen, wenn sie nicht wüssten, die
Zuschauer würden das auch tagelang
mitmachen. Insofern kann man diesen Leuten, diesen Millionen von
Menschen durchaus den Vorwurf machen, dass sie
dort gesessen haben im eigenen Land und dass sie als Ferngesellschaft
diese Bilder genossen haben. Das sind
bildmagische Zirkel. Also, man sieht durch die Herrschaft des
visuellen Mediums und die Herrschaft der Schaulust
die magischen Aspekte an der Politik selber.
Sachsses These im Artikel der Telepolis zu Iconoclash war: Kriege um
Bilder sind reale Kriege, Menschen sterben
für Bilder. Und dagegen gesetzt: wenn ich Bild jetzt mal als
künstlerisches Bild definiere, Kittlers These:
Kunst tötet nicht.
Das ist auch eine spannende Frage, Mitchell stellt in seiner
Bildtheorie die Frage: Was wollen Bilder. Früher
hieß es ja: was wollen wir von Bildern. Die Bilder haben für uns eine
Funktion. Aber seit kurzem taucht immer
wieder die Frage auf: Was wollen Bilder? Das hat, glaube ich, etwas
mit einem Thema zu tun, was Sie schon
mehrfach behandelt haben, nämlich mit dem Thema Biokybernetik, wo die
Grenze zwischen Natur und Kultur nicht
mehr so ganz klar ist. Auch die Artefakte, die Bilder haben Wünsche,
auch sie wollen etwas. Wenn hier die
unbelebte Materie oder das tote Bild etwas will, ist das fast die
Wiederkehr des Animismus. Was wollen sie von
uns? Das, was die Menschen auch wollten, nur umgedreht: Sie wollen
Opfer. Früher waren die Bilder Elemente in
magischen Ritualen, wo es um Opfer gegangen ist, also sakrale Dinge.
Plötzlich sagt man: die Funktion haben die
Bilder auch noch, aber sie wollen jetzt uns als Opfer haben. Dadurch
kommt die Möglichkeit auf, zu sagen: Bilder
töten, weil die Bilder plötzlich etwas wollen. Diese Stufe haben die
Bilder auch in dem ganzen Komplex Twin
Towers gezeigt.
Unglücklicherweise vertritt Kittler eine klassische Position, die ein
bisschen im Verschwinden ist. Sie erinnert
an eine Bilddefinition vor der Kunst, wo das Bild die Funktion hatte,
den Herrscher zu verewigen. Das Bild war
ein Spezialeffekt des griechischen Todeskults, wie kann ich den
Herrscher verewigen und am Leben halten. Die
Mumie ist die eine Quelle des Bildkultes. Und daraus kann man dann
ableiten: die Kunst tötet nicht, sondern
kämpft gegen den Tod und gibt eine gewisse Unsterblichkeit. Das
trifft zusammen mit der politischen
Repräsentationsfunktion des Bildes. Das Bild hat von Anfang an die
Funktion gehabt, nicht nur Stellvertreter des
Lebens, sondern auch das Leben selbst zu sein.
Wenn das Bild dann anfängt, Leben selbst zu sein, wie im Film
Videodrom, wo der Fernsehapparat ein lebender
Organismus ist - ich selbst nenne das immer: das viable Bild, das ein
lebensähnliches Verhalten hat -, hat das
Bild nicht nur die Funktion, dem Tod Einhalt zu gebieten, sondern in
dem Augenblick, wo das Bild selbst
biokybernetisch lebendig wird, erzeugt es Leben und ist Garant für
Leben. Insofern kann man sagen: Jedes lebende
Wesen lebt ja vom Leben anderer, da kommt dann diese Logik des
Kannibalismus herein, dass die Bilder anfangen,
auch zu fressen.
W.J.T Mitchell spricht vom biokybernetischen Zeitalter und hat bei
dem Vortrag im Rahmen von Iconoclash seine
Lieblingsikone gezeigt, einen Dinosaurier, dessen genetischer Code
visuell auf dem Saurier reproduziert wird,
ein Bild von 2 Sekunden aus dem Spielberg Film. Die Dinosaurier
springen durch diese Labors, und dann gibt es
den Moment, wo sie in den Computerraum eindringen. In dem Augenblick,
wo sie durchspringen, gibt es eine
Projektion. Man sieht plötzlich den DNA-Code, der sie erzeugt hatte,
auf die Haut projiziert. Das ist ein
wunderbares Bild; d.h., da erscheint der Code, der innen verborgen
ist, als Haut und als Muster. Das ist quasi
Open Source, der Quellcode wird offengelegt, der Code mit dem dieses
Wesen ins Leben gerufen wurde, trägt dieses
für eine Sekunde projiziert auf der Haut. Und das ist ein wichtiges
Bild, das sagt, dass Bilder gleichsam
lebende Wesen werden, dass man Bilder aus der toten in lebende
Materie verwandeln kann, und dass dann diese
Bilder die Dinosaurier fressen. Das hat Mitchell ironisch gesagt,
aber das geht ganz stark und
erstaunlicherweise aus der biokybernetischen Definition und Funktion
des Bildes hervor.