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189 Beiträge seit 27.08.2006

Peter Weibel - Magie und Bild Teil 1

musste das Folgende nachlegen, da ein Beitrag nur tausend haben
darf....

EIN GESPRÄCH MIT BIRGIT RICHARD

Birgit Richard: Wie sieht eine potentielle Verbindung zwischen der
Sprengung der Buddha Statuen von Bamyan und der Zerstörung des World
Trade Centers aus? Wie kann man diese beiden Bilder der Destruktion
aufeinander beziehen?
Peter Weibel: Der Marktwert des Bildes der Twin Towers ist viel
größer. Das Bild hat einen Wert in der berühmten Ökonomie der
Aufmerksamkeit, weil es den Kulturkreis des Westens betrifft. Die
Bilder der Zerstörung der
Buddhastatuen haben den geringeren, weil das ja den Kulturkreis
betrifft, der angeblich in der Zone des Feindesliegt. Andererseits
hat es wieder etwas Verbindendes, denn es handelt sich in beiden
Fällen um die Darstellung
der Zerstörung von Gegenständen.
Wie sind die beiden erzeugten Bilder in Bezug auf ihr magisches
Moment verknüpft?

Das Verbindende ist für mich, dass der Titel "Magie und Bild" hier
sehr gut zutrifft. Magie ist eine

Stellvertreter-Theorie. Wenn jemand in die Kirche geht und vor einem
Kreuz niedersinkt, sinkt er ja nicht vor

der Statue, vor dem Holz nieder, sondern vor dem, was damit
repräsentiert wird, was stellvertretend dafür steht.

Wenn dann Wunder passieren, es kommen plötzlich Tränen oder Blut aus
dem Holz, ist das auch ein magischer Akt,

dass plötzlich tote Materie zu einer lebenden wird. So kann man
sagen: ein großer Teil der Bilder entspricht der

Stellvertreter-Theorie, weil die Bilder etwas repräsentieren, das
abwesend ist. In der Stellvertreter-Theorie

treffen sich auf wunderbare Weise Magie und Bild. Die Magie ist die
Theorie, dass man durch Beeinflussung der

Bilder auch die Gegenstände verändert. Das ist etwas, was die moderne
Bildtheorie ablehnt, ein aufgeklärter

Bilderverehrer weiß, der Einfluss eines Bildes ändert im Prinzip
nichts. Das Bild hat aber auch in aufgeklärten

Zeiten immer noch magische Reste, wenn man z.B. das Foto des
geliebten Subjektes mit sich herumträgt (Kinder

etc.). Aber bei der Magie ist das klar: Wenn ich einen Voodoo-Zauber
initiiere und ich durchstoße eine Puppe mit

Nadeln, dann ist der Wunsch und das Versprechen dahinter, dass der
reale Mensch stirbt. Die Magie ist effektiv

die Theorie, dass die Manipulation des stellvertretenden Bildes oder
Objektes eine tatsächliche Wirkung auf den

Gegenstand hat, auf das Subjekt, das repräsentiert wird. Jetzt kann
man fragen: Wenn Ikonen zerstört werden, wie

die Twin Towers als Ikone des Welthandels, des Kapitals, inwieweit
waren hier magische Wünsche vorhanden?

Geht das in Richtung Baudrillards Selbstmordtheorie der Twin Towers,
die Türme als Symbol für das Kapital hätten

in ihrem Zusammensturz, der ja nicht von den Terroristen so
vorausgesehen und geplant worden ist, im Grunde

Selbstmord begangen.

Ich würde sagen: Die Leute, die das gemacht haben, die haben an diese
Stellvertreterfunktion geglaubt. Es war

klar, dass sie Bilder erzeugen wollten, in denen diese beiden Türme
lädiert sind. Ob sie einbrechen oder

zerstört werden, das spielt eigentlich keine Rolle. Sie haben
vielleicht angenommen, dass es nur brennt. Aber

die Bilder wollten sie erzeugen. Das heißt, sie haben das nicht
gemacht, um einen Krieg zu gewinnen, weil de

facto ist es ja kein erfolgreicher militärischer Krieg gewesen. Hätte
man zwei Wolkenkratzer in Berlin im

Hitler-Deutschland vernichtet, hätte das Hitler kalt gelassen. Das
heißt: der reale Effekt wäre sehr gering

gewesen.

Der Effekt wäre gering gewesen, weil die damalige politische Führung
nicht auf diese medialen Ereignisse

reagiert hätte. Im Fall der Twin Towers haben die Terroristen genau
gewusst, was sie in einer globalen

Mediengesellschaft auslösen.

Die Terroristen haben aus ihrer Ohnmacht heraus gewusst, wir
können Amerika, diese Supermacht, militärisch nicht schlagen. Wir
können sie nur moralisch schlagen, indem wir

ihnen im eigenen Land ein Defizit aufzeigen. Das heißt, sie haben an
die Macht und sogar an die Magie des Bildes

geglaubt. Und es kommt noch besser: die Leute, die daraufhin das
ganze Land bis zur Mobilmachung militarisiert

und diese ganze Kriegsrhetorik entwickelt haben, die glaubten nämlich
noch mehr an die Macht dieser Bilder. Das

heißt, das Attentat hatte etwas mit dem Glauben an die Bildmagie zu
tun. Die Attentäter ahnten, dass Amerika in

Panik geraten wird, wenn es das sieht und es hat funktioniert. Das
ist das Erstaunliche. Das heißt, dass eine

sogenannte aufgeklärte Demokratie wie Amerika ja in einer noch viel
größeren Bildmagie gefangen ist als die

Attentäter. Das hat mich erschreckt, dass ein Akt, dessen
militärischer Effekt gleich null ist, - die Zerstörung

von zwei Hochhäusern, das ist ja nicht wie in Hiroshima oder in
Dresden, wo die ganze Stadt zerstört wurde -,

diese Folgen hat. Militärisch hat Amerika nicht im Geringsten eine
Niederlage erlitten. Das Entscheidende ist

die Verunsicherung über das rein Militärische hinaus, dass es
innerhalb des Landes möglich war, dass Ausländer

erfolgreich - und das ist was Neues gewesen - dort ein enorm großes
Attentat verüben können. Das zeigt eine

Sicherheitsschwäche von Amerika. Die führen daher jetzt einen Krieg
gegen Afghanistan, nehmen die ganze Welt als

Geisel und sagen: wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Hier sieht
man einen unglaublichen Bilderglauben.

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