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  • Aristophanes

mehr als 1000 Beiträge seit 22.01.2003

Der Nationalstaat ist ein Irrtum

Die Europäische Union ist historisch das bisher beste und
friedlichste Konzept diesen Irrtum in Europa zu überwinden.

Perfekt? Nein!
Aber alle mal besser, als die Claque der scheinbaren oder
tatsächlichen Modernisierungsverlierer hier mit ihren seltsam
chauvinistisch wirkenden Ausbrüchen war haben wollen.   

“Warum ist das Prinzip des Nationalstaates undurchführbar, ja, auf
unserer Erde, und besonders in Europa, geradezu irrsinnig? Mit dieser
Frage komme ich auf das Thema des Zusammenpralls von Kulturen zurück.
Die Bevölkerung Europas ist, wie jeder weiß, das Produkt von
Völkerwanderungen. Seit Menschengedenken kam eine Menschenwelle nach
der anderen aus den innerasiatischen Steppen, um an den südlichen,
südöstlichen und vor allem an den zerklüfteten Halbinseln Asiens, die
wir Europa nennen, auf frühere Einwanderer aufzuprallen und zu
zersplittern. Das Resultat ist ein sprachliches, ethnisches und
kulturelles Mosaik: ein Wirrwarr, ein Gemisch, das unmöglich wieder
zu entwirren ist. Die Sprachen sind die verhältnismäßig besten
Wegweiser durch diesen Wirrwarr. Aber da gibt es mehr oder weniger
bodenständige oder natürliche Dialekte und übergreifende
Schriftsprachen, die ihrer Entstehung nach glorifizierte Dialekte
sind, wie zum Beispiel im Holländischen sehr klar wird. Andere
Sprachen, wie Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch,
sind Produkte der gewaltsamen Eroberungen der Römer. Es ist also
sonnenklar, dass der sprachliche Wirrwarr kein wirklich verlässlicher
Wegweiser durch den ethnischen Wirrwarr sein kann. (...) Aber
inmitten dieses europäischen Wirrwarrs ist nun die irrsinnige Idee
des Nationalitätenprinzips entstanden, vor allem unter dem Einfluss
der Philosophen Rousseau, Fichte und Hegel (...) Natürlich gab es
Vorläufer des Nationalismus. Aber weder die römische, noch die
altgriechische Kultur war nationalistisch. Alle diese Kulturen
entstanden durch den Zusammenprall der verschiedenen Kulturen am
Mittelmeer und im Nahen Osten. Das gilt auch für die griechische
Kultur, die wohl die wichtigsten Beiträge zu unserer gegenwärtigen
abendländischen Kultur lieferte: ich meine die Idee der Freiheit, die
Entdeckung der Demokratie und die kritische, die rationale
Einstellung, die schließlich zur modernen Naturwissenschaft führte.”
(Karl Popper, Über den Zusammenprall der Kulturen, in: Auf der Suche
nach einer besseren Welt, S.131f.) 

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