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  • Goerlitzer

mehr als 1000 Beiträge seit 30.11.2007

Streit um Flüchtlinge hat nur symbolischen Charakter, Es geht um etwas anderes

Die peripheren Länder in Ost-Mittel- und Südosteuropa haben die von der EU administrierte aber von ihren Bevölkerungen fast einheitlich abgelehnte Zuteilung von Flüchtlingen genutzt, um politisch die Muskeln spielen zu lassen.

Brüssel und Berlin wiederum hatten die Vorstellung, die peripheren Ländern nun auch einmal unter den Slogans von "Humanität" und "europäischer Solidarität" disziplinieren zu können.

Doch eigentlich geht es gar nicht um Flüchtlinge und die praktischen Probleme mit ihrer Unterbringung. Die Polen z. B. könnten die ihnen zugewiesenen 6000 durchaus in leerstehenden Militäreinrichtungen kaserniert unterbringen, mit Naturalleistungen versorgen (einen Anspruch auf Geldleistungen haben auch polnische Hilfebedürftige nicht) und vor allem - ihnen Schengen-Visa ausstellen. Innerhalb kürzester Zeit wären diese in ihre überwiegenden Mehrheit über die Westgrenze des Landes verschwunden. Das ist kein Phantasiegebilde, sondern die Realität in den aufnahme-willigen baltischen Ländern. Und die sind von Westeuropa deutlich weiter entfernt als Polen.

Die Regierungen der peripheren "Ost-"Länder, in erster Linie die der sog. Vysehrad-Gruppe, hoffen, auf der Basis der Interessenkonvergenz bei der Flüchtlingsfrage und mit grosser Unterstützung ihrer Bevölkerungen, ihre Zusammenarbeit zu einem EU-internen Machtblock weiter entwickeln zu können. Auf diese Weise glauben sie, in den für sie existenziellen Fragen, den Brüsseler bzw. Berliner Ansprüchen Paroli bieten zu können. Dabei geht es nicht um Flüchtlinge, sondern um den Ausbau eines nationalen Bankensektors. Privatisierungsstop, Beschränkung des Agrarflächenhandels, Aussenhandelspolitik, usw. - insgesamt also mehr nationale Regulierung statt EU-Deregulierung. Man will Anschluss finden an die Einkommens- und Wirtschaftsentwicklung im Westen und setzt dabei auf grössere Eigenständigkeit.

Brüssel und Berlin wiederum behaupten, dass gerade die Flüchtlingskrise die Notwendigkeit einer Vertiefung der EU aufgezeigt hätte. Dazu gehöre auch die Stärkung des Demokratieprinzips durch Abschaffung des Einstimmigkeitsgebots im Europäischen Rat. Aber natürlich geht es auch hier vor allem um wirtschaftliche Interessen. Speziell deutsche Konzerne möchten möglichst lange vom östlichen Billiglohn- und Niedrigsteuer-Gürtel der EU profitieren. Dazu benötigt man die enge politische Gefolgschaft der Regierungen der Peripherieländer, und wenn nicht freiwillig, so durch Subventionsstreichungen und Strafzahlungen erzwungen.

"It`s the economy, stupid" - der alte Clinton-Slogan ist für EU-Europa aktueller denn je.

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