nyx schrieb am 21. Juni 2003 2:41
> Leo_Plegger schrieb am 21. Juni 2003 1:21
>
> Auf eine einzige der europaeischen Traditionslinien aber koennte ich mich
> nicht festlegen. Wie auch, wenn man sich Griechenland, Rom, die
> Voelkerwanderung, die Wurzeln Europas anschaut?
Es gibt immer noch bedeutende Wanderungsbewegungen in und vor allem
nach Europa, und es werden neue Traditionen begründet. Ich habe 'Das
Ende der Geschichte' nie gelesen und fand den Titel immer abwegig.
> Die Nationen sind entstanden, als der Versuch fehlschlug, Europa in Gestalt
> eines roemischen Reiches zu gestalten, der Versuch der Integration der
> Staemme gescheitert war, keine gemeinsame Sprache entstand.
Es hat noch lange gedauert, bis man von Nationen im heutigen Sinn
sprechen kann. Immerhin haben sich Herrschaftsgebiete in Europa oft
und lange über Gebiete erstreckt, die sich ethnisch, sprachlich,
kulturell sehr heterogen zusammensetzten. Nationalität wurde zwar
wahr genommen, aber bis, ich weiß nicht, vielleicht ins 16., 17.
Jahrhundert war Nationalität kein grosses Thema für die Menschen
unter Gott und Kaiser.
> Alle diese Voelker haben hervorragende Leistungen zustandegebracht
> (ebensoviele Sch*sse). Die Fruechte aber ernten nun die USA, die aus
> europaeischen Menschen einen Neubeginn starten konnten
Befreit von den Zwängen der Alten Welt, können sich in der Neuen die
Potenziale des Menschen freier entfalten, mit vielen negativen und
noch mehr positiven Folgen. Es ist, wie du sagst: alle diese Voelker
haben hervorragende Leistungen zustandegebracht (ebensoviele
Sch*sse).
Jedenfalls ist klar, dass die Entstehung einer zu den USA
antagonistischen Macht im Westen selber ein gewaltiger
zivilisatorischer Rückschritt wäre. So etwas will vermutlich auch
niemand, der an maßgeblicher Stelle sitzt; gefordert sind statt
dessen mehr Teilhabe Europas an Entscheidungen, Risiken und Kosten,
und mehr allgemeine Kooperation seitens der USA.
> Sie haben _das_ Imperium wiedererrichtet.
Ach je. Noch zählt SPQR mehr als POTUS :)
> Der Starke kann natuerlich auf Recht verzichten.
Macht er nicht wirklich gerne, wie wir erlebt haben, er kann es sich
auf Dauer auch nicht leisten.
> > Und die Polen? Die haben lange auf Freiheit gewartet, und Amerika war
> > ein Symbol ebenso wie die Klammer Berlin-Moskau.
>
> Amerika war das Symmbol der Freiheit waehrend Polen hinter dem
> Eisernen Vohang lag. Diese Zeit ist vorbei, die USA sind nun nichts
> mehr als eine rivalisierende Macht.
Oh, für wen? Für Deutschland? Diese Politik wird scheitern. Es liegt
zu wenig Deutschen wirklich etwas am Kalten Krieg mit den
Amerikanern.
> Das haben die Polen noch nicht ganz begriffen bzw. befuerchten, wir waeren
> politisch in Europa wieder in die Verhaeltnisse des fruehen 20. Jahrhunderts
> zurueckgefallen. Der in solchen Dingen bestimmende konservative Teil
> der Polen ist noch nicht in Europa angekommen. Aber bald an die
> Hilfsgelder aus Bruessel...
Kann es sein, dass die, die den Status der europäischen Länder als
'Vasallentum' brandmarken, darauf aus sind, sich andere zu Vasallen
zu machen?
Politischer Penisneid?
> > Prompt fahren beide in überraschend anmassender Geste den Polen über
> > den Mund. Nicht wirklich die Art von Freiheit, die den Osteuropäern
> > so lange gefehlt hat.
>
> Es war wirklich eine gute Gelegenheit den Mund zu halten (eine
> typisch franzoesische Art, Dinge auszudruecken). Soll Polen doch
> Deutschland zusammen mit anderen _innerhalb_ der EU bei allem
> Moeglichen unter Druck setzen, aber nach aussen hin darf der
> Kontinent nicht geschwaecht werden.
'Nach aussen hin', was antworten dir darauf denn die Briten oder
Spanier, was die Polen oder Dänen, frag die Italiener oder die
Niederländer, was sie von deinem 'nach aussen hin' halten.
> Solange das Imperium bestimmt, was Voelkerrecht ist, ich aber nicht
> berechtigt bin den US-Praesidenten zu waehlen, gehoere ich nicht zu
> dem, was Du anscheinend als den "Westen" verstehst.
Wenn's nur das ist. Das 'Imperium' bestimmt nicht mehr das
Völkerrecht als andere. Herr Chirac war zum Beispiel ganz mächtig in
Völkerrechtsgestaltung - er hat verhindert, dass es zur
völkerrechtlichen Legitimation des Sturzes Saddams gekommen ist.
Überhaupt, Völkerrecht: wer ausser dem Westen befindet denn darüber?
Wenn Chirac nicht 'Non' gesagt hätte...
Wenn es aber vor allem westliche Staaten sind, die Völkerrecht
setzen, warum diese Möglichkeit nicht offensiv nutzen, um überhaupt
Bewegung und Veränderung in eine seit vielen Jahren sich
verschlimmernde Situation zu bringen? Was spricht dagegen, Regimes
wie dem Saddams in solchen Situationen ein Ende zu machen? Ihn
einfach weg zu wischen, das war eine gute Sache.
Bin wieder runter vom Feldherrenhügel: drei- bis viertausend Tote
sind ja nicht zu übergehen. Ob man darüber nachdenken möchte, ob es
das wert war, muß man selber wissen, zu welchem Ergebnis man kommt
ebenfalls.
> Du denkst immer noch in der transatlantischen "Friede, Freude,
> Eierkuchen" -Denke, als Kontinentaleuropa noch eine politische Rolle
> im Sinne der USA spielten und sie daher ganz "lieb" zu uns waren. Wir
> _haben_ aber keine Rolle mehr seit dem Mauerfall, ausser als
> VASALLEN!
Ja ja, ich weiß... hmmm, Alesia?
> Und weil niemand als Europaeer denkt, sondern als Angehoeriger einer
> eurpaeischen Nation, meint als solcher jeder sich gegen eine andere
> europaeische Nation emanzipieren zu muessen.
Die Franzosen meinen das gegenüber den Deutschen schon länger nicht
mehr. Sie haben gut lachen.
> Dieses Spiel, sich auf Kosten der Unabhaengigkeit des gesamten Kontinents
> gegenseitig "ans Bein zu pissen" haben wir schon militaerisch durchgespielt
> und sollten wissen, dass nur wir alle dabei verlieren koennen.
Wenn ich so tue, dass sich die Staaten und Völker Europas insgesamt
tatsächlich deiner Linie anschliessen könnten, dann stellt sich die
Frage, wie du dir die Gestaltung der weiteren "Unabhängigkeit des
gesamten Kontinents" vorstellst.
> Leo_Plegger schrieb am 21. Juni 2003 1:21
>
> Auf eine einzige der europaeischen Traditionslinien aber koennte ich mich
> nicht festlegen. Wie auch, wenn man sich Griechenland, Rom, die
> Voelkerwanderung, die Wurzeln Europas anschaut?
Es gibt immer noch bedeutende Wanderungsbewegungen in und vor allem
nach Europa, und es werden neue Traditionen begründet. Ich habe 'Das
Ende der Geschichte' nie gelesen und fand den Titel immer abwegig.
> Die Nationen sind entstanden, als der Versuch fehlschlug, Europa in Gestalt
> eines roemischen Reiches zu gestalten, der Versuch der Integration der
> Staemme gescheitert war, keine gemeinsame Sprache entstand.
Es hat noch lange gedauert, bis man von Nationen im heutigen Sinn
sprechen kann. Immerhin haben sich Herrschaftsgebiete in Europa oft
und lange über Gebiete erstreckt, die sich ethnisch, sprachlich,
kulturell sehr heterogen zusammensetzten. Nationalität wurde zwar
wahr genommen, aber bis, ich weiß nicht, vielleicht ins 16., 17.
Jahrhundert war Nationalität kein grosses Thema für die Menschen
unter Gott und Kaiser.
> Alle diese Voelker haben hervorragende Leistungen zustandegebracht
> (ebensoviele Sch*sse). Die Fruechte aber ernten nun die USA, die aus
> europaeischen Menschen einen Neubeginn starten konnten
Befreit von den Zwängen der Alten Welt, können sich in der Neuen die
Potenziale des Menschen freier entfalten, mit vielen negativen und
noch mehr positiven Folgen. Es ist, wie du sagst: alle diese Voelker
haben hervorragende Leistungen zustandegebracht (ebensoviele
Sch*sse).
Jedenfalls ist klar, dass die Entstehung einer zu den USA
antagonistischen Macht im Westen selber ein gewaltiger
zivilisatorischer Rückschritt wäre. So etwas will vermutlich auch
niemand, der an maßgeblicher Stelle sitzt; gefordert sind statt
dessen mehr Teilhabe Europas an Entscheidungen, Risiken und Kosten,
und mehr allgemeine Kooperation seitens der USA.
> Sie haben _das_ Imperium wiedererrichtet.
Ach je. Noch zählt SPQR mehr als POTUS :)
> Der Starke kann natuerlich auf Recht verzichten.
Macht er nicht wirklich gerne, wie wir erlebt haben, er kann es sich
auf Dauer auch nicht leisten.
> > Und die Polen? Die haben lange auf Freiheit gewartet, und Amerika war
> > ein Symbol ebenso wie die Klammer Berlin-Moskau.
>
> Amerika war das Symmbol der Freiheit waehrend Polen hinter dem
> Eisernen Vohang lag. Diese Zeit ist vorbei, die USA sind nun nichts
> mehr als eine rivalisierende Macht.
Oh, für wen? Für Deutschland? Diese Politik wird scheitern. Es liegt
zu wenig Deutschen wirklich etwas am Kalten Krieg mit den
Amerikanern.
> Das haben die Polen noch nicht ganz begriffen bzw. befuerchten, wir waeren
> politisch in Europa wieder in die Verhaeltnisse des fruehen 20. Jahrhunderts
> zurueckgefallen. Der in solchen Dingen bestimmende konservative Teil
> der Polen ist noch nicht in Europa angekommen. Aber bald an die
> Hilfsgelder aus Bruessel...
Kann es sein, dass die, die den Status der europäischen Länder als
'Vasallentum' brandmarken, darauf aus sind, sich andere zu Vasallen
zu machen?
Politischer Penisneid?
> > Prompt fahren beide in überraschend anmassender Geste den Polen über
> > den Mund. Nicht wirklich die Art von Freiheit, die den Osteuropäern
> > so lange gefehlt hat.
>
> Es war wirklich eine gute Gelegenheit den Mund zu halten (eine
> typisch franzoesische Art, Dinge auszudruecken). Soll Polen doch
> Deutschland zusammen mit anderen _innerhalb_ der EU bei allem
> Moeglichen unter Druck setzen, aber nach aussen hin darf der
> Kontinent nicht geschwaecht werden.
'Nach aussen hin', was antworten dir darauf denn die Briten oder
Spanier, was die Polen oder Dänen, frag die Italiener oder die
Niederländer, was sie von deinem 'nach aussen hin' halten.
> Solange das Imperium bestimmt, was Voelkerrecht ist, ich aber nicht
> berechtigt bin den US-Praesidenten zu waehlen, gehoere ich nicht zu
> dem, was Du anscheinend als den "Westen" verstehst.
Wenn's nur das ist. Das 'Imperium' bestimmt nicht mehr das
Völkerrecht als andere. Herr Chirac war zum Beispiel ganz mächtig in
Völkerrechtsgestaltung - er hat verhindert, dass es zur
völkerrechtlichen Legitimation des Sturzes Saddams gekommen ist.
Überhaupt, Völkerrecht: wer ausser dem Westen befindet denn darüber?
Wenn Chirac nicht 'Non' gesagt hätte...
Wenn es aber vor allem westliche Staaten sind, die Völkerrecht
setzen, warum diese Möglichkeit nicht offensiv nutzen, um überhaupt
Bewegung und Veränderung in eine seit vielen Jahren sich
verschlimmernde Situation zu bringen? Was spricht dagegen, Regimes
wie dem Saddams in solchen Situationen ein Ende zu machen? Ihn
einfach weg zu wischen, das war eine gute Sache.
Bin wieder runter vom Feldherrenhügel: drei- bis viertausend Tote
sind ja nicht zu übergehen. Ob man darüber nachdenken möchte, ob es
das wert war, muß man selber wissen, zu welchem Ergebnis man kommt
ebenfalls.
> Du denkst immer noch in der transatlantischen "Friede, Freude,
> Eierkuchen" -Denke, als Kontinentaleuropa noch eine politische Rolle
> im Sinne der USA spielten und sie daher ganz "lieb" zu uns waren. Wir
> _haben_ aber keine Rolle mehr seit dem Mauerfall, ausser als
> VASALLEN!
Ja ja, ich weiß... hmmm, Alesia?
> Und weil niemand als Europaeer denkt, sondern als Angehoeriger einer
> eurpaeischen Nation, meint als solcher jeder sich gegen eine andere
> europaeische Nation emanzipieren zu muessen.
Die Franzosen meinen das gegenüber den Deutschen schon länger nicht
mehr. Sie haben gut lachen.
> Dieses Spiel, sich auf Kosten der Unabhaengigkeit des gesamten Kontinents
> gegenseitig "ans Bein zu pissen" haben wir schon militaerisch durchgespielt
> und sollten wissen, dass nur wir alle dabei verlieren koennen.
Wenn ich so tue, dass sich die Staaten und Völker Europas insgesamt
tatsächlich deiner Linie anschliessen könnten, dann stellt sich die
Frage, wie du dir die Gestaltung der weiteren "Unabhängigkeit des
gesamten Kontinents" vorstellst.