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mehr als 1000 Beiträge seit 31.08.2000

Flutkatastrophe stört Bürgerkrieg

Gefällt mir gut die Ironie, die darin liegt, dass der Tsunami die
Bürgerkriegsparteien beim gegenseitigen Abschlachten stört. So als
würden ihre je eigenen Gründe, sich gegenseitig den Tod zu geben,
durch einen größeren, gleichgültigeren und grundloseren Tod ins
Lächerliche gezogen, der politische Konflikt schlagartig, wenn auch
nur vorübergehend, durch eine Naturgewalt entwertet. Bei Heinrich von
Kleist durchbricht sie in "Das Erdbeben von Chili" noch für ein
anarchistisches Intermezzo die schizoide Destruktivität der
Gesellschaft zugunsten einer solidarischen Brüderlichkeit. Nach dem
Augenblick der Anarchie ist das erste, dem die Widereinsetzung der
gesellschaftlichen Codes in Kleists Novelle dient, die Rechtfertigung
des Lynchmords. In Sri Lanka hingegen werden die Minen nach oben
getrieben, so als würde die Naturkatastrophe mit der menschlichen
Bosheit spielen und dem Ereignis eine grausige Komik aufzwingen, die
es sonst nicht besäße. Gegen die Menschen als Katastrophe helfen
freilich auch keine Frühwarnsysteme mehr.

Tloen

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