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  • Aristophanes

mehr als 1000 Beiträge seit 22.01.2003

Re: Wem hat der Urlaub von Spiegel eigentlich geschadet?

Ich muss dich um Entschuldigung bitten, dass ich dir das Wesen der Verantwortung nicht näher bringen konnte.

Frau Spiegel war zum Zeitpunkt der Flut eine vom Landesparlament gewählte Ministerin. Sie hat die Wahl angenommen und einen Eid geleistet. Ab diesem Zeitpunkt und genauso lange, bis sie die Verantwortung in einem geregelten Verfahren wieder abgibt, oder Dritte feststellen, dass sie es objektiv nicht ausüben kann, trägt sie die Verantwortung für das Amt der Ministerin, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche, selbst wenn sie schläft.

Viele sind der Auffassung, dass eine derartige Verantwortung qua Amt eine Seltenheit ist und schon diese Auffassung ist falsch. Ein Bischof ist immer ein Bischof, ein Notar immer ein Notar und ein vereidigter Prüfer immer ein vereidigter Prüfer, ein Arzt, usw., usw. In manchen Fällen ist es sogar so, dass eine einmal übernommene Verantwortung qua Amt, auch nach einem Rücktritt, teilweise und über einen definierten Zeitraum bis hin zu Lebzeiten nicht mehr abgegeben werden kann. Augen auf bei der Berufswahl. Ich trage z.B. eine solche Verantwortung qua Amt mit Gelassenheit, bis zu dem Moment, in dem ich mein letztes Schnauferl tue oder so Depp in der Birne bin, dass es einen Vormund braucht.

So tragen wir alle vielfältige Verantwortungen und auch du kannst nicht sagen, ich bin auf dem Weg in den Urlaub, egal, dass da ein Typ gerade vor meinen Augen umgefallen ist, der stirb ja eh, da kann man nichts machen.

Als Ministerin ist sie gegenüber den übrigen Mitgliedern der Landesregierung verantwortlich, gegenüber den Mitarbeitern ihres Ressorts, gegenüber dem Parlament und in einem eher abstrakten Sinne gegenüber jedem einzelnen Bürger ihres Landes.

Frau Ministerin Spiegel war zum Zeitpunkt der Katastrophe für das Ressort Umwelt verantwortlich.

Als Ministerien hat sie in ihrem Ressort Richtlinienkompetenz gegenüber den Mitarbeitern, sie kann Weisungen erteilen und die politische Verantwortung für das Handeln jeden einzelnen Mitarbeiters trägt sie eh. Ihre Verantwortung qua Amt entlastet die Mitarbeiter ein Stück weit von ihrer jeweiligen Verantwortung, könnte man sagen.

Ein Vorfall ist nicht vermeidbar. Es geht immer nur darum, aus einem Vorfall keinen kritischen Vorfall, aus einem kritischen Vorfall keine Katastrophe und aus einer Katastrophe kein Desaster entstehen zu lassen. Und selbst wenn du ein Desaster nicht verhindern kannst, kannst du nicht sagen, is eh klar, da fahr ich doch jetzt mal in Urlaub.

Die Flut-Katastrophe war nicht zu dem Zeitpunkt beendet, an dem das Wasser zurückgegangen ist. Konkret in den Bereich Umwelt fällt z.B. die Planung, Koordination und Durchführung der Maßnahmen zur Verhinderung, dass Gifte in die Umwelt gelangen oder bereits in die Umwelt gelangte Gifte eingedämmt werden.

Die Ministerin konnte sich nicht darum kümmern, was qua Amt ihre Aufgabe gewesen wäre, sie war ja nicht da und nicht erreichbar.

Aber selbst, wenn sie gar nichts hätte tun können, qua Amt bleibt sie verantwortlich. Und aus diesem Grund steht ein Kapitän an Deck, wenn ein Sturm tobt, auch wenn der Steuermann das Ruder hält.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.04.2022 12:59).

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