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mehr als 1000 Beiträge seit 12.04.2002

Die ewig unbeachtete Souveränitätsfrage...

Dachte ich's mir doch, daß *Onliner* sich hierzu wieder melden würde.
Gestern hatte er in einer ausufernden Copy&Paste-Aktion die Wertung
eines VERWALTUNGsrichters dargestellt, der sich privat
-ehrenwerterweise!- gegen Atomwaffen einsetzt:

[<http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=5677658&forum_id=56467>

* Dr. Dieter Deiseroth ist Richter am Bundesverwaltungsgericht und
Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der internationalen
Juristenvereinigung IALANA, die sich für ein weltweites Verbot von
Atomwaffen einsetzt.]

Kein Wunder, daß der Verwaltungsrichter seine eingangs gestellte
Frage...

<Dürfte die Bundesregierung es dulden, dass die USA im Falle eines
Kriegs gegen Irak die deutschen Militärstützpunkte nutzen?>

...negativ beantwortet. Die Frage, "MUSS die Bundesregierung es
dulden,  daß... - obwohl sie es gar nicht dürfte?" wird nicht
gestellt, folglich auch nicht erörtert.

Dann hat *Onliner* noch die Bewertung eines Prof. Dr. Gregor Schirmer
nachgeschoben, der einmal Mitarbeiter der PDS-Bundestagsfraktion war
und der sich in seiner völkerrechtlichen Beurteilung des Krieges der
USA gegen den Irak an sich wiederum auf die nämliche Wertung des
VERWALTUNGsrechtlers Deiseroth beruft.

<http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=5677874&forum_id=56467>

Nichts gegen die PDS als solche. Aber wer ist Gregor Schirmer?

<http://www.stiftung-aufarbeitung.de/frame-start.php?hm=4&um=9&conten
t=www/start.php>
==========================================================
Schirmer, Gregor
1.4.1932
SED-Funktionär, stellv. Minister für Hoch- u. Fachschulwesen

Geb. in Nürnberg; Vater Arbeiter, KPD-Funktionär Hermann S.; Volks-
u. Oberrealschule; 1949 KPD u. FDJ-Krs.-Vors. der FDJ Nürnberg; 1950
Übersiedl. in die DDR im Zusammenhang mit dem Verfahren eines amerik.
Militärgerichts in Nürnberg wegen FDJ-Aktivitäten; Instrukteur beim
ZR der FDJ; 1951 SED; 1951 Abitur; 1951-55 Studium der Rechtswiss. an
der KMU Leipzig, Dipl.-Jur.; 1955-59 Aspirantur u. Assistent an der
ASR Potsdam u. der HU Berlin; 1959 Prom. zum Dr. jur.; 1959-61 Sekr.
der SED-GO der HU Berlin; seit 1962 Prorektor der FSU Jena; 1962-65
Doz.; 1964 Prom. zum Dr. sc. jur.; 1965 Prof. für Völkerrecht;
1962/63 Mitgl. des Präs. der Liga für die Vereinten Nationen; seit
1963 Mitgl. des Präsidialrats, seit 1972 des Präs. des KB; Okt.
1963-März 1990 Abg. der Volkskammer u. Mitgl. des Aussch. für Ausw.
Angelegenh.; seit 1965 stellv. Vors. der Fraktion des KB; Vizepräs.
der Ges. für Völkerrecht; 1965-76 stellv. Staatssekr. bzw. Stellv.
des Min. für HFS-Wesen; seit 1977 stellv. Ltr. der Abt. Wiss. des ZK
der SED; VVO; Nov. 1989 Ltr. der Kommission Wiss. u. Bildung beim PB
des ZK der SED.
   1990 Prof. an der Akad. für Ges.-Wiss.; PDS-Arbeitsgemeinschaft
Internat. u. Friedenspol.; Rentner; seit 1996 Mitarb. des rechtspol.
Sprechers bzw. seit 1998 der rechtspol. Sprecherin der
Bundestagsfraktion der PDS.
   Publ.: Universalität völkerrechtl. Verträge u. internat. Org.
Berlin 1966; Erfahrungen u. Probleme der weltanschaul. Bildung u.
Erziehung der Studenten. Leipzig 1976; Demokratie u. Frieden. Berlin
1984.
==========================================================

Nur, daß weder ein Friedensaktivist wie Herr Deiseroth noch ein hoher
SED-Kader mit der Außenpolitik der Bundesregierung zufrieden sein
kann, sollte von vornherein klar sein... (zumal weder der
Verwaltungsrichter, noch die IALANA oder die PDS in absehbarer Zeit
in die Verlegenheit kommen dürften, es selber "besser" zu machen).

Daß sich beide -mehr oder weniger- "Experten" aber nicht eingehend
mit der grundlegenden Frage der Souveränität der Bundesrepublik
Deutschland befassen, geht in der Masse der von *Onliner*
gep_a_steten Texte fast unter. Die Worte "Aussetzung" oder
"Suspendierung" sucht man darin vergeblich.

In der Quelle von *Onliner*s  Ausgangsposting...

http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=5677481&forum_id=56467

...die er mit...

<http://www.documentarchiv.de/>

...angibt, fehlen bezeichnenderweise auch ein paar Dokumente im
Zusammenhang mit der außenpolitischen Gestaltung der deutschen
Einheit:

<Erklärung zur Aussetzung der Wirksamkeit der Vier-Mächte-Rechte und
-Vernatwortlichkeiten> Die Veröffentlichung dieser sog.
"Suspendierungerklärung" beruht auf der Bekanntmachung vom 2.10.1990
(BGBl. II S. 1331).

<Gemeinsamer Brief des Bundesministers des Auswärtigen, Hans-Dietrich
Genscher, und des amtierenden Außenministers der DDR,
Ministerpräsident Lothar de Maizière>, wiedergegeben nach der im
Bulletin vom 14.9.1990 Nr. 109, S. 1156 veröffentlichten Fassung.

<Erklärung von Bundesaußenminister [Genscher] bei der Unterzeichnung
des Zwei-Plus-Vier-Vertrages>, wiedergegeben (wie der gemeinsame
Brief) nach der im Bulletin vom 14.9.1990 Nr. 109, S. 1156
veröffentlichten Fassung.

Man kann sich bei der Beurteilung der völkerrechtlichen Lage der BRD
auf niemanden verlassen. Man MUSS die Verträge SELBER lesen und
gründlich darüber nachdenken. Ein paar wenigstens rudimentäre
Kenntnisse beim Lesen juristischer Texte können dabei natürlich nicht
schaden. Was z.B. ist der Unterscheid zwischen den beiden
Formulierungen:

"Das vereinte Deutschland hat volle Souveränität über seine inneren
und äußeren Angelegenheiten."

und:

"Das vereinte Deutschland hat DEMGEMÄSS volle Souveränität über seine
inneren und äußeren Angelegenheiten."

Na??? "DEMGEMÄSS" bedeutet eine Einschränkung der getroffenen
Aussage!

Und was könnte nun dieses "demgemäß" hier bedeuten? Es taucht auf in
Satz (2) des Artikels 7 des <Vertrages über die abschließende
Regelung in bezug auf Deutschland> [sog. "Zwei-Plus-Vier-Vertrag"],
dessen inoffizieller Titel in meiner Beck-Ausgabe des GG, 27.
Auflage, Stand Oktober 1991,

<AUSSETZUNG der Vier-Mächte-Rechte> lautet!!!

In Absatz (1) dieses Artikels 7 [Aussetzung der Vier-Mächte-Rechte]
heißt es, wie *Onliner* schon richtig zitiert, aber nicht reflektiert
hatte:

"Die Französische Republik, die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und
Nordirland und die Vereinigten Staaten von Nordamerika beenden
hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und
Deutschland als Ganzes. Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit
zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und
Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier
Mächte aufgelöst."

Wenn einem wenigstens halbwegs in Erinnerung ist, daß diese Vier
Mächte UNTEREINANDER einige Abkommen über die gemeinsame Behandlung
Deutschlands getroffen hatten, dann versteht man, wovon an dieser
Stelle die Rede ist und wovon eben NICHT:

"- Die Französische Republik verzichtet auf ihre Rechte und
Verantwortlichkeiten in der französischen Besatzungszone
Deutschlands.
- Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verzichtet auf ihre
Rechte und Verantwortlichkeiten in der sowjetischen Besatzungszone
Deutschlands.
- Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland verzichtet
auf seine Rechte und Verantwortlichkeiten in der britischen
Besatzungszone Deutschlands.
- Die Vereinigten Staaten von Nordamerika verzichten auf ihre Rechte
und Verantwortlichkeiten in der amerikanischen Besatzungszone
Deutschlands."

WÄRE dies der Wortlaut von Artikel 7, Satz (1), dann könnte man den
Satz (2) trotz eines "demgemäß" als das verstehen, als was *Onliner*
es sehen will: Die Erklärung der Souveränität des vereinten
Deutschlands und Artikel 7 könnte "Beendigung der Vier-Mächte-Rechte"
genannt werden.

HERR SCHIRMER (der SED-Gutachter) hat diesen Artikel 7, Satz (2)
übrigens so zitiert:

<Seit Inkrafttreten des 2+4-Vertrags vom 12. 9. 1990 hat Deutschland
nach Art. 7 "volle Souveränität über seine inneren und äußeren
Angelegenheiten" und ist nicht mehr den bis dahin bestehenden Resten
des Besatzungsrechts unterworfen.>

Das "demgemäß" und was es heißt, hat er auf diese Weise geschickt
umgangen.

Es lohnt sich wirklich, den ganzen "Zwei-Plus-Vier-Vertrag" zu
studieren. Man nehme z.B. auch mal den inoffiziell [Bündnisfreiheit]
genannten Artikel 6 des Vertrages unter die Lupe:

"Das Recht, des vereinten Deutschland, Bündnissen mit allen sich
daraus ergebenden Rechten und Pflichten anzugehören, wird von diesem
Vertrag nicht berührt."

Was heißt nun das wieder? Frage mal ganz unabhängig vom Thema
Deutschland, was Otto-Normal-Verbraucher oder sogar Juristen sich
alles unter "Bündnisfreiheit" vorstellen können: z.B. Bündnisse
gründen? Oder Bündnisse verlassen? Ach - unter Bündnisfreiheit kann
man sich also nicht _nur_ vorstellen, Bündnissen ANZUGHÖREN??? Nun
ist es aber so, daß wenn ein Thema in einem Vertragstext einmal
angesprochen ist, auch Weggelassenes zum nämlichen Thema juristische
Aussagekraft erlangt. D.h. durch Erwähnung des Themas "Bündnisse" und
das gleichzeitige Weglassen der Erwähnung z.B. der Rechte, Bündnisse
zu gründen oder Bündnisse zu verlassen, wird dies indirekt
untersagt!!!

usw. usf.

Wie gesagt, will man sich selber einen Eindruck von der Souveränität
der Bundesrepublik Deutschland machen, ist es weder mit Copy&Paste
getan, noch kann man sich auf angeblich "seriöse Experten" verlassen,
man muß wenigstens alle verfügbaren Dokumente selbst studieren und
selber gründlich und so mißtrauisch darüber nachdenken, was man da
eigentlich liest, wie sich das beim Studium von Kleingedrucktem
generell empfiehlt.

Weil ich über das Ergebnis seinerzeit einigermaßen entsetzt war, habe
ich im Jahre 1995 bei den Spitzen des Staates nachgefragt. Das
Ergebnis hat meine Befürchtungen leider bestätigt.

<http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=3116251&forum_id=39377>

Den dort erwähnten Briefwechsel mit einem/r[?] Dr. Ohler vom
Bundeskanzleramt, verschicke ich per Email gern an jeden
interessierten Leser...
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