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  • WLohoff

213 Beiträge seit 25.12.2021

Wie man zum Pazifisten wird

Vorbemerkung:
Am 21.05. wollte ich kurz vor der Geisterstunde den ua. Beitrag abschicken, was nicht gelang.
Fehlermeldung: "Beim Veröffentlichen Ihres Beitrags ist ein Problem aufgetreten. Bitte wenden Sie sich an die Kontaktadresse xxx". Heute meldete sich jemand von Heise und gab an, dass es wohl an der Bezeichnung der Mitglieder einer bekannten Weltreligion und einer speziellen Bezeichnung der Verfolgung dieser Gruppe lag, weswegen "automatische Stabilisatoren" (meine Übersetzung) gegriffen hätten. Ich habe deswegen meinen ua. Text geglättet. Deswegen verspätet mein Text.

Nun der Text:
Zu meiner Oma (*1914), hatte ich in den 1970'ern bis Anfang der 80'iger Jahre eine enge Beziehung. Ich habe ihr regelmässig im Haushalt geholfen und den Garten gemacht.

Hochinteressant und spannend waren dann unsere Gespräche beim Mittag oder Kaffee und Kuchen. Oma erzählte mir oft aus der Vergangenheit. Zum Beispiel als sich in den 1920'ern Kommunisten und Nazis in Dortmund-Derne Feuergefechte lieferten.

Oder als in der Nazizeit Mitbürger einer bekannten Weltreligion über die Strasse "Im Schellenkai" - wo Omas Elternaus bis heute steht - von der Polizei begleitet zum Bahnhof-Derne für den Abtransport zum Zug geführt wurden.

Oma hatte einige Sympathien für die Person des deutschen Diktators 1933-45 und dessen Ideologie, nur "das mit den Mitbürgern einer bekannten Weltreligion" hätte er nicht machen sollen" sagte sie manchmal. Bei solchen Gesprächen konnte es sehr laut werden, denn ich konnte nicht glauben, was die eigene Oma so redet. So gerieten wir manchmal heftig in Streit.

Ich war durch Schule und Medien über die Gräueltaten und der Ideologie des deutschen Diktators bestens informiert. Dann kam 1979 die äusserst beeindruckende TV-Serie "xxx - Die Geschichte der Familie Weiss", die bei mir alles noch einmal emotional stark unterfütterte.

Leise wurde es, wenn das Gespräch auf Omas Brüder Eberhard (1918-1941) und Otmar (1922-1944) kam. Beide sind im Krieg 'gefallen', wie es so verniedlichend heisst.

Eberhard starb in Russland. Seine Gebeine liegen in der Kriegsgräberstätte in Sologubowka/Russland.
Otmar war bei der Marine. Der Volksbund schreibt: "Otmar Lohoff ist als gefallener Angehöriger der Marine namentlich entweder in dem U-Boot- Ehrenmal Möltenort bei Kiel an einer der Wandtafeln oder im Marineehrenmal in Laboe in einem dort ausliegenden Gedenkbuch verzeichnet. Nur in wenigen Einzelfällen konnten die Gebeine der auf See gefallenen Soldaten geborgen und auf einem Friedhof bestattet werden.".

Da es für ihre Jungen keine Grabstelle gab, liessen meine Urgrosseltern zum Tode des Uropas 1967 folgende Inschrift auf den eigenen Grabstein gravieren: "Zum Gedenken an uns. beiden Söhne Eberhard u. Otmar. Sie ließen ihr Leben fürs Vaterland".

Uroma starb 1981 im Altenheim. Bei klarem Verstand wollte sie ein Ende machen, denn sie hatte nach ihren eigenen Worten "ihr Leben gelebt" und so verweigerte sie die weitere Nahrungsaufnahme. Meine Oma wurde instruiert aufzupassen, dass auch niemand auf die Idee kommt, die Uroma künstlich zu ernähren. Doch ihr letzter Wille wurde respektiert und so schlief sie eines Tages tatsächlich friedlich ein. Uropa und Uroma wurden beide 94 Jahre alt.

Bei allen Differenzen zwischen der Oma und mir waren wir uns immer einig: nie wieder Krieg. Auch die Oma ist schon lange verstorben.

Über den Opa väterlicherseits liesse sich auch einiges berichten. Als Angehöriger des Polizeibatallion 316 war er in Russland 1941/42, kurz vor Moskau, am Genozid beteiligt und starb 1942 in Wjasma/Russland. Zu den unglaublichen Gräueltaten des Polizeibatallion 316 gibt es viel im Internet zu finden, deswegen höre ich jetzt hier auf.

MfG

ps: Ein Foto der Inschrift auf dem Grabstein demnächst auf wlohoff.wordpress.com

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (23.05.2022 22:24).

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