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  • cdonat

mehr als 1000 Beiträge seit 21.10.2002

Also, wenn du schon so darum bettelst

Exxos schrieb am 7. Februar 2003 10:06

> Warum erschöpft sich alle Kritik am geplanten Krieg der USA gegen den
> Irak darin, dass alle offiziellen Kriegsgründe als vorgeschoben
> zurückgewiesen werden?

Das tut sie nicht. Es gibt auch sehr gute und durchdachte Gründe, den
Krieg gegen den Irak grundsätzlich abzulehnen:

- Ein solcher Krieg wird wahrscheinlich die gesamte Region
destabilisieren mit unabsehbaren Folgen auch für Israel.

- Momentane Schätzungen der UN gehen von ca 500.000 toten Zivilisten
aus. Eine nicht zu vernachlässigende Zahl.

- Jeder, dessen Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Frau, Mann, Onkel,
Tante, Freund, etc. unter diesen 500.000 sein wird, wird für die
Propaganda der Terroristen anfällig.

- Selbst wenn nur 1% davon tatsächliche Terroristen werden - lass mal
1000 Terroristen auf die USA los!

- Der Hass gegen die USA und im Schlepptau gegen Israel und Europa
wird in der arabischen Welt wachsen.

- Wenn, was ich für durchaus möglich halte, die Nachbarländer Syrien
und Iran nach dem Motto "lieber Saddam als ein Amerikaner" in den
Konflikt eingreifen, wird es ein langer, teurer und kräftezehrender
Krieg, den auch die US-Wirtschaft nicht aushalten kann. Ein Ende wie
in Vietnam ist zu befürchten.

Das sind noch lange nicht alle denkbaren guten Begründungen. Es zeigt
aber, dass es nicht nur um einfachen, platten Antiamerikanismus geht.

> "Den USA geht es wieder einmal nicht um Völkerrecht, Menschenrechte,
> Demokratie...."

Die USA hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie kein zentrales
Interesse daran haben, Demokratien überall zu fördern. Um nur einige
Beispiele zu nennen: Chile (Pinochet wurde von den USA unterstützt),
Afghanistan (der derzeitige lokale Bösewicht Hekmatijar hat die
größte Unterstützung der USA gegen die UDSSR bekommen), Iran (oder
war der Schah ein demokratisches Lamm?), und natürlich auch der Irak.

Die USA beweisen im Umgang mit den Gefangenen aus Afghanistan, dass
sie die Menschenrechte immer nur von anderen einfordern, sie aber
selber nicht zu respektieren gewillt sind.

Sollte der Präsident der USA sich entscheiden, einen Krieg ohne UN
Mandat zu führen, währe das ein eindeutiger Bruch des Völkerrechts.

Wir ich oben dargestellt habe, hege ich keinen Antiamerikanismus. Ich
habe einige gute Bekannte in den USA und unterscheide genau zwischen
der Regierung und der Bevölkerung der USA. Letztere wird
vorraussichtlich unter den schlimmen Folgen der Politik, die die
Regierung betreibt, leiden müssen und damit auch meine Bekannten. Die
Folgen, die ich befürchte: 

- ein langer Krieg wie in Vietnam; damit verbunden: viele Tote
Amerikaner.

- wirtschaftlicher Niedergang; damit auch eine wirtschaftlich
fragwürdige Zukunft für meine Bekannten.

- verstärkter massiver Terrorismus; also eine direkt Gefahr für Leib
und Leben meiner Bekannten.

> Wieso nehmt ihr nicht ernst, was
> freiheitliche Staaten meinen, wenn sie andere Staaten wie den Irak
> moralisch verurteilen – als Unrechtsregime, Menschen- und
> Völkerrechtsverletzer, als Tyrannei.

Das tue ich durchaus. Für jeden Diktator gilt: Je eher er weg ist,
desto besser. Aber was kommt danach? Es sind bisher keine Pläne für
den Irak nach einem Krieg öffentlich geworden. Kommt dann der nächste
Tyrann, den man natürlich nicht so nennen darf so lange er den
freiheitlichen Staaten (wo ist eigentlich genau die Grenze?) genehm
ist? Oder kommt danach erst einmal gar keine Regierung - CHaos und
Gewalt wie in Somalia? Oder kommt ein Amerikanischer General, der von
der Bevölkerung noch weniger anerkannt wird als Saddam Husssein?

Die zweite Frage ist: gibt es tatsächlich keine andere Möglichkeit?
Das Optimum eines demokratischen Umsturzes haben wir in der DDR
beobachten können. Selbst wenn es irgendwo nicht völlig freidlich
abläuft, ist es dennoch wichtg für das Selbstbewusstsein, dass die
jeweilige Bevölkerung die Regierung weitestgehend selber stürzt.

> Man mag von
> gewissen Staaten und ihren "blutigen" Lenkern halten, was man will –
> wenn Politiker gegen ihresgleichen so fundamentalistisch werden und
> ihren Weltordnungsanspruch im Namen ihrer Herrschaftsprinzipien als
> allerhöchste Sittlichkeit hinstellen, dann ist Regimewechsel und
> Krieg angesagt.

Du plädierst also für einen Krieg mit dem Ziel des Regimewechsels
gegen die USA? Das ist derzeit das einzige Land, dessen führende
Politiker genau das tun, was du beschreibst. Der Irak ist viel zu
schwach um das zu erreichen und das weiss auch Saddam Hussein. Darum
ist er keine solche Gefahr.

> "Kein Blut für Öl"!

Wenn man davon ausgeht, dass das der zentrale Kriegsgrund ist, dann
kann ich mich dem nur anschliessen. Wenn man befürchtet, die
Öllieferanten könnten die eigenen Wirtschaft von Energielieferungen
abkoppeln, dan bleibt als logische und weitsichtige Konsequenz nur
das, was unsere Regierung tut: Förderung alternativer Energiequellen
und -träger.

> Wofür dann?

Genau damit hast du einen zentralen Punkt erkannt. Wofür sollte man
eigentlich überhaupt noch Kriege führen? Ich sehe durchaus einige
mögliche Dinge: die Verteidigung von Menschenrechten, Demokratie,
Völkerrecht und Freiheit. Es ist doch interessant, dass sich die US-
Administration genau das alles auf die Fahnen schreibt. Leider habe
ich oben zeigen können, dass sie genau da nicht glaubwürdig sind.

> Oder wollt ihr einfach nur zu Protokoll geben, dass ihr
> keinen Grund seht, warum es bei dem "zivilen" Zugriff: ´Geld für Öl`
> nicht bleiben könnte?

Doch, genau dabei sollte es bleiben, aber was hat Geld direkt mit
Blut zu tun?

> [...flammender Appel für die Förderung alternativer Energiequellen und -träger...]

> Also das NEIN von Schröder & Fischer zu einem Irakkrieg erfreut die
> deutsche Anti-Kriegsbewegung?

Die Ablehnung eines jeden Krieges ist grundsätzlich erst einmal zu
begrüßen. Deine Ansicht zeigt ja, dass auch die weniger Gründe für
einen eventuellen Krieg, die ich angegeben habe, nicht jeder
akzeptieren kann. Eine Gegenhaltung ist deshalb wichtig, weil man
dann das geplante Vorgehen gut begründen und andere überzeugen muss.
Da weder die US Regierung, noch die Britische bisher in der Lage war,
die meisten Menschen zu überzeugen, folgt, dass ihre Gründe entweder
nicht glaubwürdig, oder nicht gut sind.

> Alle freiheitlichen
> Aufräumaktionen wie vor unserer Balkanhaustür aber auch etwas weiter
> weg am Hindukusch mitmachen, ja anführen, um sich so weltpolitisches
> Gewicht zulegen – und beim Irak sollen deutsche Weltordnungspolitiker
> auf einmal für den Krieg als die "ultima ratio" des Weltordnens
> nichts mehr übrig haben?

Die Position der Bundesregierung ist zwar aus dem Wahlkampf geboren,
hat sich aber inzwischen gute Gründe zugelegt. Einige davon kannst du
am Anfang dieses Postings noch einmal nachlesen. Natürlich sind auch
unsere Regierungsmitglieder nicht glaubwürdiger als jeder andere
Machtpolitiker, aber ganz so dumm, dir damit auf den Leim zu gehen
sind sie auch wieder nicht.

> [...wirtschaftliche und machtpolitische Begründung, gegen den Kreig zu sein...]

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