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  • Michael Boettcher

mehr als 1000 Beiträge seit 18.07.2000

Zweck eines Verfassungsstaates ist in erster Linie der Schutz der Freiheit

Zweck eines Verfassungsstaates ist in erster Linie der Schutz der Freiheit (Hans-Jürgen Papier, bis März 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, 2020)

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Grundrechte, so wie sie in den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes definiert sind, weiterhin primär Abwehrrechte jedes Bürgers gegen den Staat sind, in dessen Wesensgehalt nicht eingegriffen werden darf; zu keiner Zeit, also auch nicht im Verteidigungsfall oder einer Pandemie.

Art 19 (2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

Der Autor Andreas Wehr müht sich zwar, einen anderen Eindruck zu vermitteln, scheitert dabei aber völlig, insbesondere wenn er behauptet, dass ein Individuum keine Grundrechte mehr besäße. Das Gegenteil ist der Fall; gerade weil die Grundrechte allgemeine Geltungskraft besitzen, kann sich jeder auf sie berufen.
Der Autor übersieht auch, dass die Grundrechte keinen Gnadenerweis der Regierenden darstellen, die die Exekutivorgane, aus welchen Gründen auch immer, suspendieren können. Genau das aber hat man im März des Jahres 2020 gemacht. Herr Papier sagte dazu im Interview mit der WAZ: "Ich hätte mir als Staatsrechtler nie vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden. Und ich wundere mich, wie wenig in der politischen Auseinandersetzung der rechtsstaatliche Grundsatz gewürdigt wird, dass der Zweck – auch der gute des Gesundheitsschutzes – nicht jeden Grundrechtseingriff rechtfertigt."
Ich füge hinzu, dass ich mir nie hätte vorstellen können, dass sich so gut wie alle Gerichte wegducken. Im Frühjahr 2020 hat man sehr wohl Demonstrationen verboten. Die Gerichte waren dabei zunächst sehr zögerlich darin, das Demonstrationsrecht zu schützen. Von den Medien gab es zunächst auch keinen Widerstand, nicht eine Verteidigung der Verfassung gegen die Übergriffigkeit der Regierenden. Bis heute sind ca. 80 Prozent der Grundrechte ohne rechtliche Grundlage beschränkt oder außer Kraft gesetzt worden. Wenn das in anderen Ländern geschieht, sind Politik wie Medien einer Meinung, nämlich dass das den Übergang zur Diktatur bedeutet. Wobei das die deutsche Politik allerdings kaum juckt, solange der Diktator "unser Diktator" ist. Nebenbei: ich bin nicht der Ansicht, dass die Gruppe der Ministerpräsidenten zusammen mit der Kanzlerin den Anspruch erfüllt "mein Diktator" zu sein. Wer eine Diktatur nur an der Zahl der Gefängnisinsassen und/oder Todesurteile festmachen will, springt zu kurz. Das Gremium aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten gefällt sich aber erkennbar darin ohne nenneswerten Widerstand durchregieren zu können und zeigt, wie jeder Alleinherscher, keine Neigung von der einmal an sich gerissenen Macht zu lassen.

Am Rande: ich vermute, dass mit den Querdenkern zig Leute demonstrieren, die einfach etwas gegen die Beschränkung der Grundrechte haben, sich nicht als Kleinkinder behandeln lassen wollen; Leute, die auch ohne ständig erneuerte und geänderte Verordnungen und Strafandrohung bereit sind sich vernünftig und risikoarm zu verhalten. Menschen, die nicht verstehen, warum das Ansteckungsrisiko im Blumenladen, Elektrofachmarkt oder Autohaus höher sein soll als beim Bäcker, im Supermarkt oder in der Drogerie. Mitbürger, die den Widerspruch erkennen, wenn man die Kinder nicht zur Schule gehen lässt, aber bei der Fahrt im ÖPNV, der Deutschen Bahn oder im Flugzeug nebeneinander sitzen darf. Leute, die erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, die das Ende ihrer Geschäftstätigkeit vor Augen haben, Freiberufler, die trotz ständiger Unterstützungserklärungen noch nicht einen Cent gesehen haben, Künstler, die praktisch Berufsverbot haben, während die Damen und Herren Regierungschefs, Minister, Abgeordnete, Beamte, Richter, Virologen an Universitäten, munter ihre Gehälter weiter kassieren und Großkonzerne mit Milliarden gepudert werden und nach dem Einsacken der Kohle Massenentlassungen ankündigen.

"Querdenker", so nannte man früher, also vor 2020, Menschen, die ausgetretene Pfade verlassen und zum Teil Lösungen fanden und finden, die man schlicht als genial bezeichnen muss. Heute wird der Begriff zum Schimpfwort für Leute, die nicht mitspielen wollen, die aufmucken. Es mag sein, dass sich unter den, sich als "Querdenker" bezeichnenden Leuten, ein paar echte Idioten befinden. Das sollte einen aber nicht davon abhalten sich für die beste Verfassung einzusetzen, die es in Deutschland je gab. Gerade dann nicht, wenn die Amokläufer in der Politik diese quasi abschaffen und Schreiberlinge wie Andreas Wehr, Jurist, sie bis zur Unkenntlichkeit umdeuten wollen. Wir müssen die Verfassung gegen Politiker und solche furchtbaren Juristen verteidigen. Sonst landen wir nämlich genau da, wo dieser Staat nach dem Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes nie wieder hinkommen sollte.

M. Boettcher

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.02.2021 17:28).

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