Müssen wir sie deshalb heute meiden oder ihre Bücher umschreiben, so wie das mit Karl Mays Büchern angeblich in der Nazi-Zeit geplant wurde, damit sie dem kriegerischem Geist dieser Unzeit und ihrem Rassismus und Antisemitismus besser entsprochen hätten.
Ich lese mit meinen Kindern im Teenageralter sehr gerne Karl May. Seine Romane, auch die späten, sind voll von Stereotypen. In "Der Mir von Ardistan" ist es das etwas tumbe, sagen wir "einfache" (um das Wort primitiv zu vermeiden) Volk der Ussul. Das sind Jäger und Sammler, aber sie sind auch sesshaft und ihre Religion ist monotheistisch. Die Stereotypen, deren sich Karl May bedient, sind für uns immer wieder Gegenstand von historischer Betrachtung, Auseinandersetzung und Einordnung. So war das damals, Afrikaner wurde in Amerika als Sklaven gehalten, sie wurden im Falle der Flucht von Hunden gejagt, und auch Karl May, der das alles anprangert, und beschreibt, wie sein Ich-Erzähler natürlich auch den Schwarzen beschützt und wertschätzt, nimmt sie dennoch nicht für voll, spricht dem Schwarzen Intelligenz und Sauberkeit ab und am Lagerfeuer der Indianer muss der Schwarze abseits stehen, denn er gilt als schmutzig.
In "Winnetou IV" oder Winnetous Erben wird das Sterben der roten Rasse am Bild der Niagara-Fälle erläutert. Es geht eben darum, dass sich die Prärie-Indianer selbst bekriegen (in Karl Mays Darstellung) und damit in ihrer eigenen Entwicklung hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben und den Weißen auch wenig entgegenzusetzen haben. All das kann man und muss man heute kritisch betrachten. Aber man sollte nicht sagen, dass Karl May nicht versucht habe, sich differenziert mit der Thematik, auch des Rassismus, auseinanderzusetzen. Er bleibt befangen in zahlreichen Stereotypen seiner Zeit. Die Lektüre seiner Werke ermöglicht es nun, diese Stereotypen, die uns heute natürlich aufstoßen, bewusst zu reflektieren, auch mit Kindern. Wenn ich die Indianer bei Karl May oder den "Negerkönig" bei Pippi Langstrumpf zensiere, dann schaffe ich eben eine andere historisch unwahre Welt, so als ob es diese Stereotypen nie gegeben habe, und sie eben nicht die Macht gehabt hätten, selbst eine so radikal denkende Frau wie Astrid Lindgren, die zahlreiche Stereotypen von Kinderbüchern weggefegt hat zu prägen, so dass sie sich dessen gar nicht bewusst war, denn es geht ja hier nicht nur um den "Neger" als heute verpönten Begriff, sondern vor allem um den Weißen, der bei den Afrikanern sofort zum König wird, ja wohl aufgrund seiner vermeintlichen Überlegenheit. Astrid Lindgren und eben auch Karl May haben aber Qualitäten in ihrer Literatur, welche die Stereotypen, die sie aus ihrer Zeit bezogen haben, weit überwiegen.