Porcupine17 schrieb am 09.09.2023 13:49:
Es gibt nur drei Szenarien:
- Ghaddafi verliert, die Gegner gewinnen auch ohne westliche Hilfe - das ist praktisch das Libyen das wir heute haben.
- Ghaddafi gewinnt, vielleicht mit Hilfe von ausländischen Truppen. Libyen ist für den Augenblick stabilisiert, aber ein Kernproblem bleibt: Ghaddafi kann nicht ewig regieren hat keinen Nachfolger. Das Problem ist mit großer Wahrscheinlichkeit nur vertagt.
- Weder Ghaddafi noch die Rebellen gewinnen, das Land versinkt in einem jahrelange Bürgerkrieg. Die schlechteste Option für Libyen. Und vor allem für seine Nachbarn denn ein Bürgerkriegsland Libyen würde auch die Nachbarschaft
destabilisieren.
Du läßt in deinen "Szenarien" die NATO-Intervention stillschweigend unter den Tisch fallen läßt. Mit dem durchsichtigen Ziel, die regime change-Politik von USA, Großbritannien und Frankreich weißzuwaschen. Nach dem Motto: habt euch mal nicht so, es wäre ohnehin schlecht ausgegangen für Libyen. An der Mad-Max-Dystopie, in die Libyen abgerutscht ist, tragen die NATO-Mächte keine Schuld.
Die sozio-ökonomischen Daten vor der Intervention geben nichts her, was deine Spekulationen stützen würde. Der im Artikel erwähnte Auswärtige Ausschusses der britischen Unterhaus sagte 2016 dazu: vor dem Krieg erwirtschaftete Libyen einen Haushaltsüberschuss und stand im UN Human Development Index an der Spitze Afrikas. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2010 bei 12.250 USD und erreicht damit schon Werte mancher europäischer Länder. Nicht gerade ein "Szenario", das den Aufstand motiviert.
http://www.publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/119.pdf
Du schreibst ferner:
Ghaddafi war seit 1969 an der Macht, also zu diesem Zeitpunkt seit 42(!) Jahren. Eine solche langandauernde Herrschaft neigt zur Stagnation, da ist es nicht ungewöhnlich wenn Leute Veränderung wollen.
In dem Bericht des britischen Ausschusses heißt es dazu, daß es vornehmlich der französische Prermierminister Sarkozy war, der "Veränderung" wollte. Er wollte Frankreich einen größeren Anteil an der libyschen Erdölproduktion sichern. (Ziffer 20 des Berichtes)
Als sich die britische Regierung der Interventionspolitik anschloß, hatte sie gar keine ausreichenden Informationen darüber, was sich in Libyen überhaupt abspielte. Es gab in Wirklichkeit überhaupt keine Informationen über eine breite Repression durch die Regierung gegen die Bevölkerung. Das waren nur die üblichen Übertreibungen des westlichen Propagandapresse. Amnesty International hat im Juni 2011 keine massenhaften Menschenrechtsverletzungen festgestellt (Ziffer 36 des Berichts)
Aber nachdem Frankreich und Großbritannien die Idee einer Intervention ins Spiel gebracht hatte, fanden die USA den Geschmack an der Sache und weiteten das Prinzip "right to protect" aus zu einem ihrer üblichen "regime change"-Schlägen. Sie hatten die Mittel dazu, sie konnten es und deshalb haben sie es getan.
Mit dem Ergebnis, daß sich bis 2014 Bis 2014 hat sich das Pro-Kopf-Einkommen praktisch halbierte. Das Budget-Defizit lag bei 60% des BIP. Die Inflation lag bei knapp 14%. Nahrungsmittelpreise haben sich z.T. verfünffacht.
Und da kommst du und willst uns allen Ernstes weismachen, daß "die Probleme hausgemacht" sind.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.09.2023 15:47).