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  • GBöttcher

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Die Hanse

"... Die Hansa bildete sich in Folge der Zeitumstände nur allmälig aus, sodaß die große Ausdehnung und Macht, welche sie nach und nach gewann, eine Folge der Zeitumstände, nicht als eine bei der ersten Errichtung des Bundes gehegte Absicht zu betrachten ist.. Es gab im frühern Mittelalter nicht, wie jetzt, öffentliche Sicherheit. Nur mit den Waffen in der Hand durfte man sich ohne Gefahr auf die Heerstraßen wagen. Nachdem die Städte und der Handel blühend zu werden angefangen hatten, mußte dieser Uebelstand besonders fühlbar werden, denn der Handel kann nur bei einem ausgebreiteten Verkehr bestehen. Zu den gemeinen Räubern gesellten sich auf den Heerstraßen noch die Raubritter, welche Wegelagerung, als ein einträgliches und nicht unehrenhaftes Geschäft betrieben. Anfänglich suchten sich die Kaufleute, welche ihr Geschäft nöthigte, mit Gut und Geld von Ort zu Ort zu reisen, dadurch zu helfen, daß sie in größere Gesellschaften sich vereinigten und bewaffnete Leute zur Bedeckung mit sich nahmen; auch traten bereits mehre Städte, ihr gemeinsames Interesse im Gegensatz gegen das der stets nur im großen oder kleinen Kriege lebenden Ritter erkennend, zu Bündnissen für gemeinschaftlichen Schutz zusammen. An die Stelle der eignen Bewaffnung trat bei den reisenden Bürgern bald das Geleit, welches sie wol zuerst von den regierenden Herren selbst nachsuchten und gern bezahlten, das sie aber bald zu nehmen gesetzlich genöthigt wurden. Es wurde den Bürgern verboten, sich selbst der Waffen und bewaffneter Leute zu bedienen, und bald foderte man von ihnen nur das Geld für das Geleit ab, ohne ihnen dasselbe wirklich zu gewähren und ohne daß es den Königen und Fürsten gelang, eine öffentliche Sicherheit herzustellen, wie sie solche allerdings zu begründen eifrig bemüht waren. Eine noch näher liegende Ursache zum ersten Entstehen der Hanse waren aber die besondern Verhältnisse der mächtigen Handelsstädte, aus deren Verbindung dieselbe hervorging. Diese Städte waren Hamburg und Lübeck, welche beide ihre bedeutendsten Waarensendungen aus der Nord- und Ostsee erhielten, und denen daher auch vorzüglich an der Sicherheit der Schiffahrt auf diesen Meeren gelegen sein mußte. Am Könige von Dänemark hatten Hamburg und Lübeck den gefährlichsten Feind und mit ihm lagen sie verschiedene Male, namentlich Hamburg, in offner Fehde. Zuerst traten 1241 die genannten Städte in ein Schutz- und Trutzbündniß und seit 1247, nachdem sich das für den Landhandel als Stapelplatz wichtige Braunschweig diesem Bündnisse angeschlossen hatte, kann man die Entstehung der Hanse rechnen. Bald nämlich traten noch mehre Städte bei und schon 1260 wurde der erste Bundestag zu Lübeck gehalten, das man als Haupt des Bundes betrachtete. Hier war das Archiv des Bundes und hier wurden aller drei Jahre, um Pfingsten, die Bundesversammlungen gehalten; auch hatte Lübeck das Recht, außerordentliche Bundestage auszuschreiben. Noch mehr befestigt wurde der schon blühende Verein durch die 1364 zu Köln abgefaßte Bundesacte. Der ganze Bund zerfiel in vier Abtheilungen oder Quartiere mit besondern Haupt- oder Quartierstädten: Lübeck war die Quartierstadt der wendischen und überwendischen Städte; Köln die Quartierstadt der märkischen, westfälischen und klevischen, sowie der vier niederländ. Städte; Braunschweig die Quartierstadt der sächs. und markbrandenburg. Städte; Danzig endlich die Quartierstadt der preuß. und liefländ. Städte. Bald ging die Hause darauf aus, nicht nur durch ihr imponirendes Ansehen Sicherheit für ihren Handel zu begründen, sondern auch den Handel immer mehr gänzlich in ihre Hände zu bekommen, vortheilhafte Verträge mit ausländischen Mächten zu schließen und wichtige Privilegien zu erlangen. Dieses gelang ihr, weil die regierenden Herren ebenso wenig wie der gesammte Ritterstand ein Interesse am Handel nahmen und daher, wenn sie auch die wachsende Macht der Städte nicht gern sahen, doch selbst nicht daran dachten, ihre eigne Macht [335] zu Handelsunternehmungen zu benutzen. So hoch wuchs die acht der Hanse, daß sie Fürsten und Königen mehr als einmal den Krieg erklärte und ihn siegreich bestand, daß sie mehrmals Flotten von 200 und mehr Schiffen ausrüstete. Ein Bürgermeister von Danzig erklärte dem Könige von Schweden den Krieg. Die Hanse beherrschte die nördl. Meere, legte Kanäle an, hatte Factoreien in allen wichtigen Handelsplätzen und vier große Comptoire oder Niederlagen zu London, Brügge, Nowogrod und Bergen. Die Hansa übte an den Versammlungstagen, zu denen die Städte Abgeordnete sendeten, auch eine innere Gerichtsbarkeit aus, welche sich namentlich auf Handelsangelegenheiten bezog. Sie hatte einen kleinen und einen großen Bann, mit welchem sie Schuldige belegte, welches verhansen hieß; zu den gemeinsamen kriegerischen Unternehmungen mußten die Städte Schiffe und Mannschaft oder Geld stellen. Die Hanse verlor an Macht und Ansehen, als sich die politischen Verhältnisse in Europa allmälig umgestalteten. Die Landstraßen wurden sicher, die Regierungen nahmen sich des Handels an und entzogen ihn der Gewalt der Städte; überdies waren sie eifersüchtig auf den mächtigen Bund und strebten seine Macht zu brechen. Die kleinern Städte sahen ein, daß sie von den großen Seestädten nur zu dieser eignem Vortheil benutzt wurden; die Entdeckung von Amerika gab dem ganzen Handel eine neue unvorhergesehene Richtung. Die letzte Versammlung wurde 1630 zu Lübeck gehalten und hier erklärten die einzelnen Städte den Austritt aus dem Bunde. In ein neues Bündniß traten jedoch Hamburg, Lübeck und Bremen und demselben trat Danzig in einzelnen Fällen bei. Noch jetzt werden jene drei Städte zuweilen unter dem Namen der Hansestädte zusammenbegriffen und 1826 hat Großbritannien, 1828 Preußen mit denselben einen Handels-und Schiffahrtsvertrag abgeschlossen."
Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 335-336.
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http://www.zeno.org/nid/20000832022
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