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358 Beiträge seit 31.07.2023

Re: Preisrunde die Drölfte. Und was ist der WAHRE PREIS der Arbeit?

DerWoDa schrieb am 02.08.2023 09:33:

CaptainZwoNull schrieb am 01.08.2023 15:54:

Ich frage mal ernsthaft in die Runde: wieso sehen wir es als Naturgesetz an, dass ranghohe Firmenlenker sechs- bis siebenstellige Nettoverdienste nach Hause tragen auf's Jahr gerechnet, aber sehen es als unverschämt an, wenn Handwerker, Fernfahrer, Pflegekräfte usw. vernünftig bezahlt werden wollen?

Nun ja, es macht keinen großen Unterschied. Ein großes Unternehmen mit 100k Angestellten und durchschnittlich 50k€ Brutto Gehältern, gibt bei ein 10köpfigen Vorstand, sagen wir 100 Mio an Vorstandsgehältern aus. Das entspricht genau 2% der Gehaltskosten. Ob deren Arbeit das Wert ist steht auf einem anderen Blatt.

Das, denke ich, ist vielleicht nicht richtig gedacht.
Der Knackpunkt hier ist weniger in nackten Zahlen als eher bei den Handlungen und der Firmenethik zu suchen. Ist schwierig zu erklären ohne konstruiertes Beispiel, daher kommt das Beispiel:

Deine Firma existiert so nicht: der "Wasserkopf" ist zu klein. Es gibt ja nicht nur den Vorstand, sondern auch das Management an sich, dazu viele "leistungslose" Jobs, die keinerlei Umsatz generieren, keinerlei Wertsteigerung und trotzdem notwendig sind. Denn ohne Einkauf, ohne Vertrieb und ohne Entwicklung kann man halt nur Haare schneiden. Und auch die Entscheidungsträger sind ja nötig, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. In einer vernünftig geführten Firma ist das alles in einem sinnvollen Verhältnis aufgestellt und wer Verantwortung trägt, sollte auch ein Mehr verdienen. Aber wieviel "Mehr", darüber streiten sich die Geister.
Meine persönliche Denke diesbezüglich ist, dass es schlichtweg keinen Menschen gibt, der das 100-fache leisten kann und deshalb das 100-fache eines anderen verdienen sollte. Aber ein Chef, der seinen Betrieb im Griff hat, kann durchaus deutlich mehr verdienen, als der Bandarbeiter, der "nur" seinen kleinen Arbeitsschritt zu verantworten hat. Einen Faktor nenne ich bewusst nicht, weil "willkürlich".

Jetzt reden wir über 10k Angestellte mit 10 Vorstandsmitglieder. Das Unternehmen sei nur in einem westlichen Land ansässig, die Lohnstückkosten liegen auf Mitarbeiter und Stunde runtergebrochen bei 120,- Euro. Da ist alles mit drin: Fuhrpark, Miete/Pacht, Personalkosten, Materialkosten. 168 Stunden hat der Arbeitsmonat, 12 Monate hat das Jahr: 120x168x12x10.000 => 2,42Mrd Euro Kostenaufwand.
Das Unternehmen läuft gut und hat einen Jahresumsatz von 3 Milliarden Euro. Steuern berücksichtige ich mal nicht, da "irgendein westliches Land". Kann ja auch 'ne Steueroase sein. Bei 3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 2,4Mrd Euro Aufwand haben wir also knappe 600M Gewinn. Davon werden Boni ausgezahlt, die pauschal bei 1/3 vom Gewinn liegen, d.h. 200M gehen an den Vorstand. Da der Vorstand "fair" ist, bekommt jeder den gleichen Anteil, also 20M Euro.

Soweit so gut. Jetzt beschließen die 10 Firmenlenker, dass man die 3Mrd Umsatz auch mit 20% weniger Belegschaft erwirtschaften können muss. Nicht nur Mitarbeiter müssen gehen, es werden billigere Materialien beschafft, Firmeneigentum veräußert und zurückgemietet zu günstigeren Konditionen, und, und, und. Alle Tricks und Optionen, die zur Kostenoptimierung möglich sind, werden genutzt. Es wird also am Ende genausoviel produziert wie vorher, aber wir bleiben bei den 120,- Euro pro Stunde je Mitarbeiter, sind das also 8000 x 100 x 168 x 12 = 1,94Mrd Euro Kosten - statt knappen 600M Euro Gewinn würden jetzt also eine satte Milliarde Euro übrig bleiben. Es bleibt wieder bei der "fairen" Verteilung des einen Drittels Bonizahlung und jedes Vorstandsmitglied bekommt mal eben 33M Euro auf's Konto gepackt. 20% weniger Belegschaft = 50% mehr Boni für die 10 obersten Firmenlenker.

Und jetzt muss ich mir gar nicht überlegen, ob das "fair" ist: ich sehe, dass 2.000 Menschen ihren Job los sind, damit 10 Menschen noch einen tieferen Schluck aus der Pulle nehmen können. Es ist doch völlig uninteressant, ob sie das Geld "verdienen" oder sich "selbst bedienen" - es ist obszön viel. Und hier wird quasi belohnt, wer zum eigenen Vorteil die Arbeiterschaft reduziert. Die Shareholder finden das auch "ganz dufte", weil nun nicht mehr aus dem "kleinen" Pott von 400M (600M minus Boni) die Dividende gezahlt wird, sondern aus dem größeren Pott von rund 670M. Auch hier: 20% weniger Belegschaft = 50% mehr Dividende. Deshalb klatschen ja immer die Shareholder auf den Hauptversammlungen, wenn der Umsatz steigt und zugleich die Belegschaft reduziert wird: es garantiert mehr Anteil am Kuchen. Verdient?

Natürlich ist das stark reduziert in seiner Komplexität: nicht berücksichtigt sind Steuern, Sozialabgaben, Entwicklungskosten bzw. neue Investitionen.

Letztendlich ist es KEIN Sozialismus, wenn man ein ENDE obszöner Boni- und Firmenpolitik fordert, sondern Gerechtigkeitsempfinden. Von mir aus kann ein fähiger Vorstand seine 2, 3 oder 10M verdienen. Aber es sollte einfach keine Boni geben, die allein durch die Reduktion der Lohnstückkosten über Massenentlassungen realisiert werden. Das ist absolut fatal.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.08.2023 11:35).

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