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  • Comran

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Du verwechselst Brutto und Netto

kivan schrieb am 1. Juni 2006 8:54

> schwachen Binnennachfrage die Rede. Lohnverzicht würde die
> Nachfrageseite weiter schwächen und dadurch Arbeitsplätze kosten. Das
> Gegenteil ist richtig: wir brauchen mehr Nachfrage, das erreicht man
> durch höhere Löhne vor allem in den schlechtbezahlten Jobs.

Warum klebt ihr alle so am Bruttoverdienst?

Ich hab jetzt nicht die Zeit, die ganze Modellrechnung aufzustellen
(hole ich aber gern morgen abend mal in Ruhe nach), aber nochmal:

Lohn- UND Arbeitszeitverzicht führt zu Mehreinstellungen. Nicht in
dem Rahmen, wie auf Arbeitszeit verzichtet wird (wegen belastender
Fixkosten und Optimierung der Betriebsabläufe), aber immerhin
spürbar. Selbst wenn nur ein Viertel der wegfallenden Arbeitskraft
durch neue Stellen abgedeckt werden würde, wäre die Rechnung im
grünen Bereich. Durch diese neuen Stellen wandeln wir Arbeitslose
(Leistungsempfänger) in Arbeitende (Leistungsgeber) um. Schon im
ersten Schritt könnten die 5% Arbeitsverzicht bei z.B. 30 Millionen
Arbeitnehmern selbst pessimistisch gerechnet schon zur Schaffung von
mehreren Hundertausend neuen Stellen führen. Bei 4,5 Mio.
Arbeitslosen ein deutlich spürbarer Faktor.

Was der Staat an Unterstützung einspart, wird umgekehrt in Steuer und
Sozialversicherung einbezahlt. Diese Entlastung wird -
zugegebenermaßen verzögert - auch die bisherigen Einzahler entlasten.

Nachfrage wird durch Nettolöhne verursacht. Brutto kann die
Gewerkschaft so viel raushauen wie sie will - das wirkt sich in
erster Linie negativ auf die Arbeitgeber aus und steht neuen Stellen
im Weg. Es macht keinen Sinn, auf immer mehr Tariflohn zu pochen, und
hintenrum den Kram wieder abzugeben. Wir brauchen eine Steigerung der
Nettolöhne, um unsere Kaufkraft zu stärken, d.h. die Abgaben müssen
runter. Da fehlt momentan jeder Impuls, denn momentan drehen
Gewerkschaften mit viel Tamtam an der Bruttoschraube, und angesichts
Millionen von Arbeitslosen dreht der Gesetzgeber an der
Abgabenschraube. Was ist der Gewinn? Null.

Das nennt man "investieren": ich gebe Geld ab, damit ich nach einer
Weile mehr Profit erlange, als ich vorher Verzicht geübt habe. Und
solange wir Glücklichen in Arbeit alle am Status Quo verbissen
festkrallen, solange bleiben wir unter'm Strich auch die Dummen (und
der eine oder andere wird eventuell sogar in das Lager der
Leistungsempfänger wechseln müssen). Dieses starre
Arbeitnehmerverhalten ist größerer Raubtierkapitalismus als man
unserem Staat immer vorwerfen möchte.

Comran

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