Ansicht umschalten
Avatar von Argumentprüfer
  • Argumentprüfer

197 Beiträge seit 18.02.2019

Symptomkritik

Der Verdienst des Autors ist es, den Blick auf die am schlimmsten vom Kapitalismus betroffenen Menschen zu richten. Dann tut er aber leider so, als sei dies alles vermeidlich; als sei dies ein Versagen der Politik und der Gesellschaft. Politiker schwören aber bei Amtsantritt feierlich einen Eid auf den Kapitalismus (das Grundgesetz). Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sie sich dann dem kapitalistischen Standort verpflichted fühlen. Das die Armen dabei unter die Räder kommen, dass ist im Kapitalismus eben so!

Wenn reiche Menschen sich von ihrem Geld kein schöneres und längeres Leben ermöglichen könnten, und auch die Chancen ihrer Kinder nicht verbessern könnten, was genau wäre denn dann Reichtum überhaupt? Reichtum ist doch gerade die Möglichkeit ein schöneres und längeres Leben zu geniessen. Zu beklagen dass es reichen Menschen besser geht als armen ist in sich absurd. Wenn dann muss man schon eine Gesellschaftsform kritisieren, die privaten Reichtum, und damit umgekehrt Armut, überhaupt erst möglich macht.

Der Autor scheint auch zu übersehen, dass die Armen im Kapitalismus durchaus eine wichtige Rolle spielen: nämlich die Drohung, dass es einem noch viel schlechter gehen kann. Wer sich allzu laut über die Ausbeutung beschwert der kann sich bald unausgebeutet wiederfinden und verhungern. Für diese Drohung ist überall gegenwärtiges Anschauungs-"material" (sichtlich arme Menschen) ungemein nützlich.

Vermutlich ist das auch die Essenz des Fachkräftemangels: Berufsgruppen, bei denen diese Drohung nicht funktioniert. Die wissen, sie werden schon irgendwo unterkommen. Kann vielleicht ne Weile dauern, kann auch alles Andere als erfüllend sein, aber Verhungern erscheint nicht wirklich als eine reale Gefahr.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten