In Wagenknecht und Die Masio die Sozialisten zu sehen, die Klassenpolitik betreiben und in Kippinger und Riexinger verkappte Linksliberale, die nur noch Race- und Genderfragen umtreiben, ist so nicht richtig.
Wagenknecht und Di Masio betreiben öffentlich beide die nationalistische Gegenüberstellung von Amazon, Google etc (das transnationale Kapital) und dem deutschen Klein- und mittelständischen Unternehmen. Die global agierenden Unternehmen und Banken, die ihren Sitz in Deutschland haben, werden dabei genauso ausgespart wie die systembedingte Überausbeutung von ausländischen Arbeitskräften in der Landwirtschaft, der Pflege, der Logistik und auf dem Bau - durch eben jene kleinen und mittelständischen Unternehmen, um deren Florieren sich die Rhetorik dieser vermeintlichen Parteilinken dreht.
Das ist also keine klassenkämpferische Position, sie ist von der Tendenz her strukturell antisemitisch, weil sie die Klassenfrage gegen die Gegenüberstellung von transnationalem Kapital / weltbürgerlichen Eliten auf der einen und dem nationalen Kapital / dem Volk auf der anderen Seite eintauscht. Sarah Wagenknecht hat nicht umsonst bei "Focus" eine Kolumne bekommen. Was der Springer-Verlag dafür bekommt sind romantisierende Verklärungen des Orto-Liberalismus und der "sozialen Marktwirtschaft" Ludwig Erhardts.
Auf der anderen Seite sind Kipping und Riexinger auch nicht so einfach gestrickt, dass sie die soziale Frage einfach vergessen hätten. 12 Euro Mindestlohn, eine bedingungslose Grundsicherung und eine Grundsatzdiskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen sind Punkte, die es für alle Prekären deutlich machen, warum sie die Linke wählen sollten. Das ist nicht die Überwindung des Kapitalismus, aber das könnte dazu beitragen, dass mehr über linke Perspektiven geredet wird und dass linker Politik mehr Vertrauen geschenkt wird.
Was diese Spaltung der Partei verhindert, ist, dass sich der Intersektionalismus zu einer Kritik auswächst, die beschreibt, wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus in der marktförmigen Vergesellschaftung des Kapitalismus notwendig entstehen und reproduziert werden. Dazu habe ich einen Text geschrieben, der zwar noch überarbeitet werden muss, der aber auch in der derzeitigen Form schon viele Kritiken zusammenträgt und aufeinander bezieht.
https://antikapitalist.eu/faschismus_und_frauen.html
Dass sich die LINKE nicht mehr dem Aufbau eines Staatssozialismus verschrieben hat, sehe ich nicht negativ. Denn historisch üben alle solch "orthodoxen" Staaten den Zwang über ihre Angehörigen aus, den die kapitalistischen Staaten und deren Wirtschaftsweise auf die sozialistischen Staaten ausüben. Diese müssen dann, um konkurrenzfähig zu bleiben und auf dem Weltmarkt Devisen sowie Waren zu ertauschen, unbezahlte Sollerhöhungen durchsetzen und die Arbeit der Arbeiter:innen anstelle von Kapitalist:innen ausbeuten.
Ein emanzipatorisches linkes Projekt - also ein libertärer Sozialismus - strebt die Demokratisierung der Wirtschaft an, wobei sich der Staat größtenteils auf regulatorische Aufgaben beschränkt. Dabei wird Kapitalismus als warenproduzierenden Patriarchat begriffen und der Ansatz besteht nicht darin, die Warenproduktion durch eine zentrale Planwirtschaft zu ersetzen und dann darauf zu setzen, dass sich die autoritären, patriarchalen kulturellen Strukturen auflösen, was im direkten Widerspruch zur Rolle des Staates steht.
Sondern es soll durch Vergenossenschaftlichung das Autoritätsprinzip in der Wirtschaft durch basisdemokratisch getragene Entscheidungen ersetzt werden. Dann bestehen zwar noch die Kräfte und Zwänge, die der Weltmarkt ausübt, aber die Genossenschaften können frei kooperieren und müssen nicht in Konkurrenz zueinander treten. Wenn der Klassenwiderspruch wegfällt, stehen die Menschen vor der Wahl, welche (Weltmarkt-)Waren ihnen wie wichtig sind und wieviel unbezahlte Mehrarbeit sie dafür zu leisten bereit sind.
Vor diesen Entscheidungen - Konkurrenz vs Kooperation und Warenkonsum vs Nicht-Entfremdung - kann ein emanzipatorisch gedachter Staat die Menschen nicht beschützen, er kann sie ihnen nicht abnehmen. Er kann die Esel zwar zur Tränke führen, aber trinken müssen sie schon selber.