Die Klischee-Erzählung von den privilegierten Akademikern transportiert ein Bild, das schon seit den 60er Jahren nicht mehr stimmt. Ein Hochschulabschluss ist schon lange keine garantierte Eintrittskarte mehr in die oberen Gesellschaftsschichten. Heute gehts mit Doktortitel ins Präkariat. Und bis zum PhD liegt man Netto nie sonderlich weit über der Kassiererin bei REWE, wenn auch offiziell für die Hälfte der Stunden (inoffiziell oft für das doppelte).
Genau diese perspektivische Änderung hat in den 60er Jahren doch dazu geführt, dass die Interessen der Arbeiterklasse und die kapitalistische Ausbeutung plötzlich in den Focus vieler Intellektueller an den Universitäten gerückt ist.
Das hat zwar einerseits nicht dazu geführt, dass diese Leute verstanden hätten, dass sich das Gros der Arbeiter in die Lohnabhängigkeit begibt, in der Hoffnung aus der Arbeiterschicht durch die Akkumulation von Wohlstand auszubrechen, anstatt sich mit ihr zu identifizieren. Aber diese privilegierten Vegan Latte saufenden Leute, die Fairtrade-Daunenjacken mit recycelten Daunen für 500 € tragen und Freitags für 200 € Lebensmittel bei Naturata einkaufen, sind sicher nicht die Wissenschaftler und Kollegen, die ich so kennengelernt habe in meiner Zeit an der Uni.
Dazu muss man eigentlich in die Wirtschaft gehen, wenn man nicht gerade Professor ist und alleine lebt.