kss schrieb am 15. November 2007 20:02
> ...mit solchen Formulierungen:
>
> >Die BILD dagegen schreibt fürs Volk
>
> Die Bild hat eine Auflage von 5-6 Mio Exemplaren, in
> Deutschland leben aber 80 Mio Bürger. (mit über 60 Mio
> Wahlberechtigten). Allein die Anzahl der Akademiker liegt
> irgendwo zwischen 20% und 30%.
>
> Warum ich das schreibe? Deine Formulierung überbewertet
> die BILD und wertet das deutsche Volk ab.
Wenn man die reine Auflage der BILD im Verhältnis zur
Bevölkerungszahl betrachtet, dann magst Du sicher recht haben. Aber
meine Formulierung lautete ja auch "Die Bild *schreibt für* das
Volk", und nicht "Die BILD *ist* das Volk".
Analog dazu schreiben Matussek, Hahne, Di Fabio, Schirrmacher, Miegel
und Broder *für* die gebildete Oberschicht in Deutschland, obwohl
diese sicherlich aus mehr als nur diesen sechs Personen besteht, und
sich darunter wohl nicht wenige befinden, die diesen Herren kräftigst
widersprechen würden.
Außerdem: Würden die genannten Personen und die BILD für sich alleine
stehen, müßte man sich kaum mit ihnen befassen. Sie bedienen mit
ihren Veröffentlichungen aber einen ganz erheblichen Personenkreis
mit einem breiten gesellschaftlichen Spektrum in Deutschland, der dem
68er-Bashing großen Beifall zollt und sich sehnlichst eine Rückkehr
in die "Goldenen Fünfziger" wünscht. Und die Gefühlslage bei diesen
50er-Jahre-Fans ähnelt sich quer durch alle Schichten. Daher muß man
sich in dieser Debatte auch mit der BILD beschäftigen, und nicht nur
mit Intellektuellen um Matussek, Broder & Co.
Was nun den Einfluß der BILD angeht: Die BILD wird ja nicht nur von
den Käufern selbst gelesen, sondern auch von den Leuten, die bei
anderen mitlesen (Ehepartner oder Mitbewohner, Kollegen im Büro,
etc.). BILD behauptet, über die reine Auflage hinaus insgesamt über
zwölf Millionen Menschen in Deutschland zu erreichen. Das kann man
jetzt als eine der üblichen BILD-Übertreibungen abtun, aber es ist
Tatsache, daß eine Zeitung stets von mehr Menschen gelesen als
gekauft wird. Und je anspruchsloser der Inhalt, umso größer
vermutlich der Kreis der Mitleser.
Dann muß man auch erwähnen, daß es nicht wenige Presseorgane in
Deutschland gibt, die Meldungen der BILD-Zeitung einfach ungefiltert
übernehmen, oder sich bei der Bewertung eines Ereignisses nach der
BILD richten, nach dem Motto: "Das müssen wir so auch bringen, sonst
verlieren wir womöglich Leser!" (Stichwort "Infotainment" - die
"unterhaltsamste" Nachricht garantiert die beste Auflage.)
Ich kann Dir diesbezüglich von einem Erlebnis berichten, das ich
selbst vor acht Jahren im Graphikstudium hatte: Da erklärte uns also
unser Semiotikdozent (topseriöser, hochgebildeter Hanseate mit
sozialliberalem Hintergrund und Jahrzehnten Berufserfahrung) doch
glatt, wir sollten uns beim Abfassen von Werbebotschaften unbedingt -
an der BILD-Zeitung orientieren! Denn die BILD sei zwar "niveaulos",
aber dafür "absolut vorbildlich darin, komplizierte Sachverhalte auf
den Punkt zu bringen".
Und nach allem, was ich so mitbekommen habe, ist diese Empfehlung
längst Standard in zahlreichen Berufszweigen, die Geld mit der "Ware
Aufmerksamkeit" verdienen (Journalistik, Werbung, Fernsehen,
Politik).
> Welche Politiker und welche Medien würden einer
> basisdemokratischen Reform zustimmen, wenn sie annehmen
> müssen, "das Volk" lese gemeinschaftlich BILD und glaube
> den Mist auch noch? Die Schlussfolgerung "das Volk" müsse
> im Allgemeinen sehr dumm sein, liegt dann allzu nahe...
Gegenfrage: Welcher machtbewußte Politiker wäre wohl so dämlich, sich
gegen Volkes Meinung zu stellen, selbst wenn das Volk *dumm* ist? Um
ihre Wiederwahl besorgte Politiker sind erpicht darauf, die Meinung
des Volkes zu erfahren und viele Stimmen zu kassieren. Unso schöner
für sie, wenn man einfach nur BILD lesen muß, um zu wissen, was das
Volk so denkt.
Auch wenn von achtzig Millionen Deutschen nur zwölf Millionen das
Original selbst lesen, so gibt es doch zahlreiche "Meinungsführer"
und "Entscheidungsträger" in Deutschland, die aus Angst, einen Trend
zu verpassen oder Kampagnenopfer zu werden, permanent mit einem Auge
darauf schielen, was die BILD so schreibt und treibt. Und damit auf
Umwegen dazu beitragen, daß sich jeder seine Meinung "bildet".
Und nachdem sogar ein inzwischen ehemaliger deutscher Bundeskanzler
in seiner Amtszeit auch noch ganz offiziell erklärt hat, er würde
sich bei seiner Regierungsarbeit nach "BILD, BAMS und Glotze"
richten, und man auf das Stichwort "Glotze" hin zudem noch
feststellt, daß die Berichterstattung im Fernsehen sich über weite
Strecken ohnehin auf BILD-Niveau bewegt, dann denke ich, ist es gar
nicht so abwegig, zu behaupten, daß die BILD das Meinungsklima in
Deutschland so oder so deutlich beeinflußt.
Nix für ungut und schöne Grüße,
ROV
> ...mit solchen Formulierungen:
>
> >Die BILD dagegen schreibt fürs Volk
>
> Die Bild hat eine Auflage von 5-6 Mio Exemplaren, in
> Deutschland leben aber 80 Mio Bürger. (mit über 60 Mio
> Wahlberechtigten). Allein die Anzahl der Akademiker liegt
> irgendwo zwischen 20% und 30%.
>
> Warum ich das schreibe? Deine Formulierung überbewertet
> die BILD und wertet das deutsche Volk ab.
Wenn man die reine Auflage der BILD im Verhältnis zur
Bevölkerungszahl betrachtet, dann magst Du sicher recht haben. Aber
meine Formulierung lautete ja auch "Die Bild *schreibt für* das
Volk", und nicht "Die BILD *ist* das Volk".
Analog dazu schreiben Matussek, Hahne, Di Fabio, Schirrmacher, Miegel
und Broder *für* die gebildete Oberschicht in Deutschland, obwohl
diese sicherlich aus mehr als nur diesen sechs Personen besteht, und
sich darunter wohl nicht wenige befinden, die diesen Herren kräftigst
widersprechen würden.
Außerdem: Würden die genannten Personen und die BILD für sich alleine
stehen, müßte man sich kaum mit ihnen befassen. Sie bedienen mit
ihren Veröffentlichungen aber einen ganz erheblichen Personenkreis
mit einem breiten gesellschaftlichen Spektrum in Deutschland, der dem
68er-Bashing großen Beifall zollt und sich sehnlichst eine Rückkehr
in die "Goldenen Fünfziger" wünscht. Und die Gefühlslage bei diesen
50er-Jahre-Fans ähnelt sich quer durch alle Schichten. Daher muß man
sich in dieser Debatte auch mit der BILD beschäftigen, und nicht nur
mit Intellektuellen um Matussek, Broder & Co.
Was nun den Einfluß der BILD angeht: Die BILD wird ja nicht nur von
den Käufern selbst gelesen, sondern auch von den Leuten, die bei
anderen mitlesen (Ehepartner oder Mitbewohner, Kollegen im Büro,
etc.). BILD behauptet, über die reine Auflage hinaus insgesamt über
zwölf Millionen Menschen in Deutschland zu erreichen. Das kann man
jetzt als eine der üblichen BILD-Übertreibungen abtun, aber es ist
Tatsache, daß eine Zeitung stets von mehr Menschen gelesen als
gekauft wird. Und je anspruchsloser der Inhalt, umso größer
vermutlich der Kreis der Mitleser.
Dann muß man auch erwähnen, daß es nicht wenige Presseorgane in
Deutschland gibt, die Meldungen der BILD-Zeitung einfach ungefiltert
übernehmen, oder sich bei der Bewertung eines Ereignisses nach der
BILD richten, nach dem Motto: "Das müssen wir so auch bringen, sonst
verlieren wir womöglich Leser!" (Stichwort "Infotainment" - die
"unterhaltsamste" Nachricht garantiert die beste Auflage.)
Ich kann Dir diesbezüglich von einem Erlebnis berichten, das ich
selbst vor acht Jahren im Graphikstudium hatte: Da erklärte uns also
unser Semiotikdozent (topseriöser, hochgebildeter Hanseate mit
sozialliberalem Hintergrund und Jahrzehnten Berufserfahrung) doch
glatt, wir sollten uns beim Abfassen von Werbebotschaften unbedingt -
an der BILD-Zeitung orientieren! Denn die BILD sei zwar "niveaulos",
aber dafür "absolut vorbildlich darin, komplizierte Sachverhalte auf
den Punkt zu bringen".
Und nach allem, was ich so mitbekommen habe, ist diese Empfehlung
längst Standard in zahlreichen Berufszweigen, die Geld mit der "Ware
Aufmerksamkeit" verdienen (Journalistik, Werbung, Fernsehen,
Politik).
> Welche Politiker und welche Medien würden einer
> basisdemokratischen Reform zustimmen, wenn sie annehmen
> müssen, "das Volk" lese gemeinschaftlich BILD und glaube
> den Mist auch noch? Die Schlussfolgerung "das Volk" müsse
> im Allgemeinen sehr dumm sein, liegt dann allzu nahe...
Gegenfrage: Welcher machtbewußte Politiker wäre wohl so dämlich, sich
gegen Volkes Meinung zu stellen, selbst wenn das Volk *dumm* ist? Um
ihre Wiederwahl besorgte Politiker sind erpicht darauf, die Meinung
des Volkes zu erfahren und viele Stimmen zu kassieren. Unso schöner
für sie, wenn man einfach nur BILD lesen muß, um zu wissen, was das
Volk so denkt.
Auch wenn von achtzig Millionen Deutschen nur zwölf Millionen das
Original selbst lesen, so gibt es doch zahlreiche "Meinungsführer"
und "Entscheidungsträger" in Deutschland, die aus Angst, einen Trend
zu verpassen oder Kampagnenopfer zu werden, permanent mit einem Auge
darauf schielen, was die BILD so schreibt und treibt. Und damit auf
Umwegen dazu beitragen, daß sich jeder seine Meinung "bildet".
Und nachdem sogar ein inzwischen ehemaliger deutscher Bundeskanzler
in seiner Amtszeit auch noch ganz offiziell erklärt hat, er würde
sich bei seiner Regierungsarbeit nach "BILD, BAMS und Glotze"
richten, und man auf das Stichwort "Glotze" hin zudem noch
feststellt, daß die Berichterstattung im Fernsehen sich über weite
Strecken ohnehin auf BILD-Niveau bewegt, dann denke ich, ist es gar
nicht so abwegig, zu behaupten, daß die BILD das Meinungsklima in
Deutschland so oder so deutlich beeinflußt.
Nix für ungut und schöne Grüße,
ROV