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  • ozd

125 Beiträge seit 07.04.2022

New York Times Text war PR und hatte 0 Beweise für drohende RU A-Bombe

Der Betreff ist etw. provokant formuliert. Aber sonst liest das hier keiner. Und folgendes war viel Arbeit:

Dies ist eine lange Analyse zweier zentraler US-Artikel von NYT und CNN.
Zu der angeblichen Gefahr russ. Atombomben im Herbst 2022.

Die Hysterie im März 2024 basierte im Kern auf, so weit ich mich erinnere, 3 amerikan. Artikeln. Auf 2 davon möchte ich hier eingehen. Die Informationslage für alle war dieselbe, denn keiner der Autoren besaß ein Orakel.

Das wären:
1) der im TP-Text zitierte NYT-Artikel von David Sanger
2) ein Text auf CNN.com, von Jim Sciutto
Beide vom 9. März 2024
Soweit ich sie verfügbar machen kann, siehe:
NYT (engl.)
https://archive.is/6ejBk#selection-819.0-819.326
CNN (dt. via google)
https://edition-cnn-com.translate.goog/2024/03/09/politics/us-prepared-rigorously-potential-russian-nuclear-strike-ukraine/index.html?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Ich empfehle allen diese Originale zu lesen.

Es geht hier darum zu untersuchen, was nachvollziehbar an Beweisen zitiert wird, für einen drohenden russ. Atombombeneinsatz. Und nach wiederholtem Lesen ist hier im Kern nichts Substantielles. Was CNN betrifft (dazu im letzten Drittel) sogar das Gegenteil:

1)
zu NYT (ich verwende hier dt. Übersetzungen der Passagen)
David Sanger
9/3/24
„Biden’s Armageddon Moment: When Nuclear Detonation Seemed Possible in Ukraine“

Es beginnt mit:

Manhattan, es ist der 6. Okt.: Präsident Biden hält im Hause Murdoch an der Upper East Side vor reichen Demokraten eine Rede, als ihn eine Mitteilung erreicht:

"(...)streng geheime abgefange Kommunikation (...) auch wenn Herr Biden es nicht(...)" so nannte, deutete darauf hin "(...)dass die Drohungen von Präsident Wladimir V. Putin, in der Ukraine eine Atomwaffe einzusetzen, zu einem operativen Plan werden könnte. Zum "ersten Mal seit der Kubakrise", sagte er der Gruppe, die sich inmitten von Murdochs Kunstsammlung versammelt hatte, "droht uns direkt der Einsatz einer Atomwaffe, wenn die Dinge tatsächlich so weitergehen wie bisher". Der Ernst seines Tons begann zu wirken: Der Präsident sprach von der Aussicht auf den ersten Einsatz einer Atomwaffe in einem Krieg seit Hiroshima und Nagasaki. Und das nicht zu irgendeinem vagen Zeitpunkt in der Zukunft. Er meinte, in den nächsten paar Wochen.(...)"

Zunächst einmal das Setting: Das ist so bedeutungslos wie verlogen: Der kultivierte amerikanische Präsident der größten Demokratie der Welt trifft liberale, steinreiche Amis umgeben von Kunst. Dann die Schreckensnachricht. Woran soll uns das erinnern? George W. Bush umgeben von Schulkindern, erfährt von 9/11.

Aber weil die Times die Times ist, wird diese Parallele nicht konkret genannt. So plump will man nicht sein.

Und was genau steht da? Es ist die Rede von abgefangener "Kommunikation". Das kann alles sein.

Umgekehrt wird in den Hallen des Weißen Hauses oder des Pentagon wahrscheinlich jeden einzelnen Tag über das Thema Atomwaffen auf irgendeiner Ebene gesprochen. Weil das nun mal zum Kriegshandwerk gehört. Wird deshalb in der NYT davor gewarnt, die USA stünden kurz davor Atombomben einzusetzen?
Was würde hier "abgefangene Kommunikation" zu Tage fördern?

Dann der Satz "wenn die Dinge tatsächlich so weitergehen wie bisher".

Das kann ebenfalls alles mögliche bedeuten, vor allem aber ist es: eine ziemlich Einschränkung und ein Eingeständnis - dass zum Zeitpunkt der Warnung nichts Handfestes vorliegt.

Und was ist nun: Stehen wir vor der "smoking gun" oder nicht? Dem "Beweisstück A"?

Also jenem Moment, als die Amerikaner 1962 SW-Fotografien hatten, die eindeutig bewiesen, dass abschussbereite russische Atomraketen auf Kuba stationiert waren? Denn das ist ja die Messlatte, die NYT-Autor David Sanger hier ansetzt: Kubakrise. Kleiner gehts ja nicht.

Aber von einer 2. Kubakrise kann keine Rede sein. Denn adäquate Beweise werden den ganzen Artikel über nicht geliefert. Es wird stets nur insinuiert.

Und deshalb macht der Autor dann einen Rückzieher, weil er nichts hat, was es zu berichten gäbe, außer, dass Biden in einer Kunstausstellung bei den Murdochs zu Besuch war - wie geht es also weiter?

"(...)Die abgefangenen Aussagen (intercepts) offenbarten, dass zum ersten Mal seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine innerhalb des russischen Militärs häufig über den Zugriff auf das Atomwaffenarsenal gesprochen wurde. Einige waren nur "verschiedene Formen von Geplauder", sagte ein Beamter. Andere wiederum betrafen die Einheiten, die für die Verlegung oder den Einsatz der Waffen zuständig wären. Die alarmierendsten der abgefangenen Informationen enthüllten, dass einer der ranghöchsten russischen Militärkommandeure ausdrücklich über die Logistik der Zündung einer Waffe auf dem Schlachtfeld sprach.(...)"

Interessanter Weise schreibt der Autor nicht vom Einsatz, sondern vom "Zugriff auf Atomwaffen" (was genau soll das heißen?).
Und "häufig(es) Geplauder". Im Ernst?

Dann die recht manipulative Zuspitzung, um doch noch die Kurve zu kriegen: "Andere wiederum betrafen die Einheiten, die für die Verlegung oder den Einsatz der Waffen zuständig wären."

Aber wer sonst soll über Atomwaffen sprechen? Der Gärtner von Putin? Da türmt sich ein Allgemeinpatz auf den nächsten.

"enthüllten, dass einer der ranghöchsten russischen Militärkommandeure ausdrücklich über die Logistik der Zündung einer Waffe auf dem Schlachtfeld sprach."

Ganz ehrlich, das wirkt etwas ratlos. Sehr beliebig. Kein Datumszeitraum. Keine ungefähre geografische Angabe, keine militär. Einheit (Nirgends im Artikel übigens. Und es gibt im Internet genügend frei zu lesende Namen von russ. militär. Einheiten auch bzgl. A-Waffen, so dass hier das Argument Geheimhaltung nicht überzeugen würde. Geheimhaltungspflicht wird auch gar nicht erst angeführt von Sanger, wie etwa von Anne Brorhilker im WDR-Interview gestern zu ihrem Rücktritt.)

Fast wie ein wenig erfunden, diese Passage. Damit das Wenige, Papierene bisher, ein bisschen zumindest glaubwürdig wirkt.

Ein Militärkommandeur wird in seiner Einheit und in diesem ereignislosen Rahmen ganz bestimmt niemandem erklären müssen wie man Atombomben "zündet".
Entweder es ist "kurz vor Mitternacht", wir haben Atomalarm und das wäre das unwichtigste Ereignis das man berichten würde.
Oder es ist an und für sich eine Formalie, wie eine regelmäßige Übungseinheit (die ggf. ständig abgefangen wird.)
Oder es hat dieses "Ereignis" nie wirklich gegeben. Es ist "sexy" Füllmaterial.
Jeder der schreibt weiß, dass man ganz automatisch auf so etwas kommt.
Autoren von CIA-Berichten oder NYT-Artikeln oder Abenteurromanen, sind in gewisser Weise alle auch nur Autoren, Erfinder.

Offenbar der NYT-Autor selbst weiß wie wässrig das alles wirkt, denn auch hier schiebt er eine bemerkenswerte Einschränkung nach:

"(...)Niemand wusste, wie die Genauigkeit dieser Schätzung einzuschätzen war: Die Faktoren, die bei der Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen oder auch nur bei der Androhung eines solchen Einsatzes eine Rolle spielen, waren zu abstrakt, zu sehr von menschlichen Emotionen und Zufällen abhängig, um sie genau zu messen. Aber es war nicht die Art von Warnung, die ein amerikanischer Präsident zurückweisen konnte.(...)"

Der gesamte NYT-Artikel bringt nichts substantielleres vor, als diese "Wischi-Waschi"- Behauptungen.
Soll das investigativer Journalismus sein?

Es folgt ein Prachtexemplar an Expertise:

"(...)"Es ist das nukleare Paradoxon", sagte mir General Mark A. Milley, der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, bis er im September in den Ruhestand ging, bei einem Abendessen im letzten Sommer in seinem Amtssitz oberhalb des Potomac River und erinnerte an die Warnungen, die er im Situation Room ausgesprochen hatte.(...)"

Wir erfahren im Kern nichts. Außer, dass der Autor dieser Zeilen ein ziemlich enges Verhältnis pflegt zu den Mitarbeitern des Weißen Hauses - das sind ausgezeichnete Voraussetzungen für eine unabhängige Berichterstattung.

Milley bedient hier wieder als einziges Argument die aus der Luft gegriffene Behauptung:
"(...)"Je erfolgreicher die Ukrainer bei der Zurückdrängung der russischen Invasion sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Putin mit dem Einsatz einer Bombe droht - oder danach greift."(...)".

Inzwischen hat sich im "Westen" die Erkenntnis durchgesetzt, dass die russische Armee nicht ganz so inkompetent ist, wie man uns das seit Februar 2022 vorgaukeln wollte.
Das begann mit Hinweisen von NATO-General Cavoli im Januar 2023 bei der NATO-Konferenz, setzte sich fort im Frühjahr vor dem Kongress, und findet sich inzwischen auch in der dt. Tagespresse.

Wer sich an "outlaw" Experten heranwagt wie Jacques Baud, wird wissen, dass man auch schon im Herbst 2022 nicht von eine drohenden RU-Niederlage reden musste/konnte/durfte?

Der Rest des NYT-Textes ist hinsichtlich der Beweise für russische Pläne für einen Atomangriff leeres Gerede, wie z.B.:

"(...)Biden sagte, er halte Putin für fähig, den Abzug zu betätigen. "Wir haben es mit einem Mann zu tun, den ich ziemlich gut kenne", sagte er über den russischen Führer. "Er scherzt nicht, wenn er über den potenziellen Einsatz taktischer Atomwaffen oder biologischer oder chemischer Waffen spricht, denn sein Militär ist, wenn man so will, deutlich unterdurchschnittlich.(...)".

2) Wer nun wissen will, was der amerikanische Geheimdienst nachweislich wirklich zu den Russen sagen kann, findet es in einem ähnlich aufgeblasenen Text, von Reporter Jim Sciutto bei CNN:

Da heißt es im letzten Drittel des Artikels doch tatsächlich:

"(...)Die USA haben zu keinem Zeitpunkt Informationen erhalten, die darauf hindeuteten, dass Russland Schritte unternahm, um seine Nuklearstreitkräfte für einen solchen Angriff zu mobilisieren.
„Wir legten offensichtlich großen Wert auf die Verfolgung und hatten zumindest die Möglichkeit, solche Bewegungen der Nuklearstreitkräfte zu verfolgen“, sagte mir dieser hochrangige Verwaltungsbeamte. „Und zu keinem Zeitpunkt haben wir Hinweise auf Schritte gesehen, die wir von ihnen erwartet hätten, wenn sie den Weg zum Einsatz von Atomwaffen eingeschlagen hätten.“(...)"

Warum nicht gleich so. Aber damit wäre natürlich der ganze Artikel obsolet. Und die Nachricht keine Nachricht.

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Zugegeben, im vorliegenden TP-Text von Jan Jakob Teiler ist dies nur ein winziges Detail.

Warum also geb ich mir so viel Mühe, zumal mit nicht existenten Beweisen (womit die NYT sehr viel Übung hat)? Weil dieses PR-Manöver, so erlaube ich mir die US-Texte zu bezeichnen, die öffentl. Meinung in verantwortungsloser Weise manipulieren und Ängste und Hysterie schüren.

Ich würde dem Autor Jan Jakob Teiler einerseits für seinen Text danken. Andererseits bei diesen schwierigen Themen noch größere Skepsis anmahnen, was unsere „legacy media“ / Leitmedien betrifft. Denn die sind sehr sehr nah an den Regierungen dran. Eine unabhängige, von Skepsis durchdrungene, seriöse Berichterstattung ist da fast ausgeschlossen.

Der berühmte Artikel über die Bande zwischen der Washington Post/New York Times/ den anderen Großblättern und der CIA, von 1977 im Rolling Stone Magazine von Carl Bernstein, ist heute fast schon ein Klischee.

"THE CIA AND THE MEDIA
How Americas Most Powerful News Media Worked Hand in Glove with the Central Intelligence Agency and Why the Church Committee Covered It Up"

"After leaving The Washington Post in 1977, Carl Bernstein spent six months looking at the relationship of the CIA and the press during the Cold War years. His 25,000-word cover story, published in Rolling Stone on October 20, 1977, is reprinted below."

https://www.carlbernstein.com/the-cia-and-the-media-rolling-stone-10-20-1977

Die Situation hat sich seitdem extrem verschlechtert. Das ist im Übrigen keine verschwörerische Hinterzimmerattitüde. Jeder erwachsene und seriöse Reporter in den USA wird das bestätigen. Oder man nehme das Beispiel THE GUARDIAN.

Dessen investigative Abteilung wurde nach den Sensationen um Wikileaks vom britischen MI-5 aufs Korn genommen und im Grunde neutralisiert, manche würde sagen, übernommen.
Diese Tragödie wurde ausführlich beschrieben von DeClassified UK, 2019:

"How the UK Security Services neutralised the country’s leading liberal newspaper
The Guardian, Britain’s leading liberal newspaper with a global reputation for independent and critical journalism, has been successfully targeted by security agencies to neutralise its adversarial reporting of the ‘security state’, according to newly released documents and evidence from former and current Guardian journalists."

https://www.declassifieduk.org/how-the-uk-security-services-neutralised-the-countrys-leading-liberal-newspaper/

dt.:
"Wie die britischen Sicherheitsdienste die führende liberale Zeitung des Landes neutralisierten
Der Guardian, Großbritanniens führende liberale Zeitung mit einem weltweiten Ruf für unabhängigen und kritischen Journalismus, wurde erfolgreich von Sicherheitsbehörden ins Visier genommen, um seine feindselige Berichterstattung über den „Sicherheitsstaat“ zu neutralisieren, wie aus neu veröffentlichten Dokumenten und Beweisen ehemaliger und aktueller Guardian-Journalisten hervorgeht."

https://www-declassifieduk-org.translate.goog/how-the-uk-security-services-neutralised-the-countrys-leading-liberal-newspaper/?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

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