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  • baby on board

575 Beiträge seit 02.06.2005

Was zu beweisen war

Was ist eine Zeitung? Ein Printprodukt, das tagesaktuell weitgehend
allgemein verständlich über Phänomene der Welt berichtet oder diese
kommentiert und sich dabei, sofern die Verkaufszahlen für die
wirtschaftliche Existenz denn relevant sind, mehr oder weniger dem
Zielpublikum anbiedert.

Was beklagen die Diskursanalytikerinnen Wamper/Jäger? Dass Zeitungen
tatsächlich so sind.

Wirklich erstaunlich, dass zwischen den Argumenten und Bewertungen
von Zeitungen einerseits und Politikern andererseits nicht Welten
liegen!

Von „Folie“ bis „Narrativ“ werden sozialwissenschaftliche
Sprachschleudern benutzt.

Missbräuchliche Begriffsverwendung („Reformen“) wird beklagt, ohne zu
bemerken, dass man selbst eine einseitig inhaltlich aufgeladene
Interpretation des an sich neutralen Begriffs verwendet.

Die Sprachwissenschaftlerinnen halten die Umgang der deutschen
Regierung mit der Finanz- und Wirtschaftslage Griechenlands für
falsch. Sie wird, selbstverständlich ganz wissenschaftlich als
„technokratisch“ denunziert.

Und die SZ-Kommentatoren sind genau so.

Es werden patriarchalische Argumentationsmuster gefunden, was
natürlich ganz erstaunlich ist, wenn ein Akteur sich einerseits als
äußerst hilfsbedürftig darstellt, andererseits die Qualität der
Hilfen beklagt und sich letztlich nur als Opfer jener hinstellt,
deren Hilfe er ultimativ einfordert.

Dichotomien werden beklagt. Ja, erstaunlich dass ein
Zeitungskommentar sprachlich nicht so differenziert ist, wie lange
wissenschaftliche Analysen, die sich allerdings nicht jeden Morgen am
Kiosk bewähren müssen.

Die Diskursanalytikerinnen haben auch ein Auge für Kleinigkeiten, die
sie dann groß machen. Kleinen Sprachschludereien wird üble Absicht
unterstellt, wenn in dem Satz 'Griechenland und die anderen
Euro-Staaten' mal das 'anderen' unter den Tisch fällt.

„Auch werden die konservativ und sozialdemokratisch geführten
Regierungen der Euro-Länder der linken griechischen Regierung
gegenübergestellt.“ - Was jetzt natürlich etwas ganz Skandalöses ist,
Regierungen miteinander zu vergleichen. So was tut man nicht!

Skandalös auch, dass Kommentare Merkel und Schäuble positiv wie
negativ bewerten.

„Die SZ schließt sich in ihren Bewertungen der in Europa und
Deutschland dominanten Auffassung an“ - und so was will eine Zeitung
sein?

„Im Fokus der Kritik steht jedoch die derzeitige griechische
Regierung“ - Was natürlich ein völlig abwegiger Ansatz ist. Sollen
die Geldgeber doch mit der griechischen Opposition verhandeln.

„Außerdem vollzieht sich die Diskreditierung der Syriza-Regierung
teilweise über extremismustheoretische Argumente“. - Wenn man
ansonsten jeden CDUler, der einem AfDler auf einer öffentlichen
Diskussionsveranstaltung zur Begrüßung die Hand reicht, darob
bedenkenlos Nähe zum Faschismus attestiert, darf im Falle der
aktuellen griechischen Regierung der merkwürdige Koalitionspartner
auf einmal überhaupt nicht mehr thematisiert werden?

„Eine weitere Diskursstrategie verortet Syriza in den Bereich der
linken Ideologie“
Gut, der Wissenschaftlerinnen Rede vom „Neoliberalismus“ ist
natürlich rein analytisch.

Selbst das wenige Lob ist vergiftet: „'Ressentiments des Boulevards'
kritisiert werden und sie sich tatsächlich an der Debatte um
Varoufakis Mittelfinger nicht beteiligt.“ - Habe keine Ahnung, was
der Boulevard daraus gemacht hat. Habe allerdings das Video im
Gesamtkontext gesehen und fände es schon einer Diskussion würdig,
wenn sie nicht aus bestimmten Kreisen für unzulässig erklärt worden
wäre.

„Q: 'extremismustheoretische Argumenten'. Was genau meinen Sie damit?
A: Darunter verstehen wir Argumentationen, bei denen sogenannte
"rechte" und "linke" Positionen, parallelisiert werden und als
Extreme auf eine Stufe gestellt werden.“ - Zu ärgerlich nur, dass
Extremismustheoretiker je mehr sie in der Wissenschaft verankert
sind, weder parallelisieren, noch auf eine Stufe stellen. Sie
konstatieren für beide Extreme lediglich gleichermaßen die Abweichung
vom als Norm akzeptierten demokratischen Verfassungsstaat. Und
hinsichtlich der Gefährlichkeit der beiden Extreme wird keineswegs
ein 1:1-Verhältnis behauptet.

„Ausgehend davon kann dann die sogenannte politische "Mitte" als die
richtige und vernünftige Position markiert werden“ - Nein, die
politische Mitte definiert sich nicht aus den beiden Extremen. Die
Argumentation ist genau anders herum: Der demokratische
Verfassungsstaat (mit Merkmalen wie u.a. Gewaltenteilung,
Individualität, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus,
Volkssouveränität) wird als Norm gesetzt und akzeptiert und die
Extremismen sind die Abweichungen davon.

„Dabei fällt völlig aus dem Blick, dass es sich bei alldem nur um
symbolische Zuweisungen handelt, hinter denen unterschiedliche
politische Konzepte stehen.“ - Welcher ernstzunehmende Mensch
bestreitet denn, dass es innerhalb der beiden Extremismen auch noch
viele unterschiedliche Positionen gibt?

„Nicht als "Reformen" gelten dagegen nach Alexander Hagelüken eine
"Ausweitung des Streikrechts, Wiedereinstellung von Beamten,
Neuauflage der 13. Rentenzahlung oder Stopp von Privatisierungen". -
Erst beklagen die Wissenschaftlerinnen, dass die Geldgeber den
Reformbegriff einseitig besetzen würden, um ihn dann hier selbst ex
negativo der vermeintlich wissenschaftlich ausgewerteten Quelle in
diffamierender Form unter zu schieben.

„Ursachen für die komplexe Situation, wie sie in Griechenland
vorliegt, ausschließlich auf interne Gründe reduziert.“ - Die
Sprachwissenschaftlerinnen picken sich also einzelne Sätze heraus und
klagen dann über Kompexitätsreduktion. Sauber.

„es gibt Kritik – aber nur in einem sehr engen Rahmen“ Schlimm, dass
diese SZ-Kommentatoren nicht die gleiche wirtschafts- und
finanzpolitische Kompetenz wie die Sprachwissenschaftlerinnen haben.

„Grundsätzlich ist es aber zu begrüßen, wenn die Konsumenten der
Medien diese nicht als Produzenten von 'Wahrheiten' ansehen und ihnen
mit einer gewissen Skepsis begegnet wird.“ - Aber der Autorinnen
Kritik an der SZ basiert doch gerade darauf, dass diese nicht die
ihnen
bekannte Wahrheit verbreitet.

„in den Bewertungen der Medien weitgehend die dominanten oder
hegemonialen Aussagen reproduziert werden.“ - Sonst wären sie ja
nicht „dominant“ oder „hegemonial“.

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