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5 Beiträge seit 13.02.2002

Die Gut-Böse-Objektivität

Leider kann ich mir hier aus Deutschland kaum ein objektives,
unbefangenes Bild von den Geschehnissen in Venezuela machen. Nach den
Informationen, die ich bisher gelesen habe, ist Präsident Chávez
jedoch keineswegs der unbestritten "Gute", als der er in den Artikeln
hier in Telepolis hingestellt wird. Einmal mehr gilt auch hier, daß
man sich bei der Beurteilung einer politischen Situation nicht zur
Schwarz-Weiß-Malerei hinreißen sollte.
Sicherlich wurde Präsident Chávez vom Volk demokratisch legitimiert.
Sicher ist aber auch, daß dann, wenn von diesem gewählten Präsidenten
eine Reihe gravierender Verfassungsverstöße ausgehen, die auf anderem
Wege nicht beseitigt werden können, auch Maßnahmen zur Entfernung der
Person selbst aus dem Amt möglich sein müssen. Art. 20 Abs. 4 des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sieht ein solches Recht
zum Widerstand sogar ausdrücklich im Verfassungstext vor.
Die anhaltende Unterdrückung und Bedrohung der freien Presse im Land
sowie das blutige Vorgehen gegen die Demonstranten, an dem sich ein
Teil des Militärs nicht beteiligen wollte, rechtfertigt in meinen
Augen durchaus ein militärisches Einschreiten gegen den Präsidenten
als ultima ratio. Ob zuvor alle rechtlichen Möglichkeiten
ausgeschöpft worden waren, vermag ich von dieser Stelle aus freilich
nicht zu beurteilen. Nicht vergessen sollte man im übrigen auch, daß
Chávez selbst zehn Jahre zuvor einen (gescheiterten) Putschversuch
gegen die damalige Regierung von Präsident Caldera unternommen hatte.
Daß offenbar auch von der neu eingesetzten Übergangsregierung
Repressionen gegen bestimmte politische Gruppen zu erwarten waren,
offenbart nur die Schwierigkeit, eine demokratisch nicht nur
legitimierte, sondern auch inspirierte Regierung zu finden. Die
Politik des Herrn Chávez sanktioniert dies nicht automatisch.

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