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  • A. Zweistein

mehr als 1000 Beiträge seit 29.04.2003

1984 – 2004: Big Brother, Thoughtpolice and Doublethink sind wieder in…

Präsidentschaftskandidat John Kerry unterstützt Bushs Schwenk in der
Nahostpolitik: sowohl das israelische Festhalten an jüdischen
Siedlungen im Westjordanland als auch die Tötung von Hamasführern...
Bush  or Kerry… Who cares ?

1984: Orwell entdeckt... (von Jan Opielka)

„... was ist das Brutale und gleichzeitig das Wahre an der
Darstellung von Orwell? Es scheint seine Feststellung zu sein, dass
Machtstreben unter Regierenden und Macht als Selbstzweck fast
zwangsläufig ein System hervorbringen, welches die Menschen von außen
und von innen tyrannisiert und letztendlich in ihrer menschlichen
Würde brechen kann;...

Der Grosse Bruder

Big Brother ist heute und ist es in einer Weise, die sich freilich
stark von der Darstellung Orwells unterscheidet. Sie ist in vielerlei
Hinsicht gar viel tragischer. Die Menschen werden heutzutage zum Teil
nicht unter Zwang beobachtet und kontrolliert, sie tun es vielfach
freiwillig, ... Dies tun sie jedoch auf einer Ebene, die meistens
lediglich die Oberfläche zeigt. Doch steht nicht eventuell ein Zwang
dahinter, welcher erst auf den zweiten, dritten Blick augenscheinlich
wird? Es ist ein Zwang, der gleichfalls durch ein System determiniert
ist, das auf Verkauf und Verwertung fast aller Lebensaspekte fußt, zu
denen nun auch die Persönlichkeit zu gehören scheint... Der
Erfolgreiche muss scheinbar persönliche Demütigung über sich ergehen
lassen, das wird akzeptiert und dadurch für die nachfolgenden
Erfolgreichen zum selbstverständlichen Bestandteil des Erfolges...

Von Krieg und Frieden

... „War is Peace“, „Freedom is Slavery“ und „Ignorance is Strength“
sind Parolen, zu Ideologien hochstilisiert, die als
selbstverständlich akzeptiert werden (sollen). In der Handlung ...
ist damit mitunter der niemals endende Krieg gemeint, gegen wen auch
immer geführt. Dieser Krieg ist Ursache für schmerzhafte
Entbehrungen, regelmäßige Bombenangriffe, die totale Kontrolle
seitens des Staates. Gleichzeitig ist er die Legitimation für eben
diesen Status Quo, der in Orwells totalem Staat nicht in Frage
gestellt werden darf und selbst die bloße Möglichkeit des
Infragestellens durch die systematische Zerstörung der Sprache nahezu
ausgemerzt wird. Erst der Krieg garantiert die Freiheit, deren Idee –
als ureigene und positive menschliche Sehnsucht – auch vom Big
Brother Regime sowie das Sprach- und Gedanken-vernichtende
Newspeak-Englisch nicht gänzlich eliminiert werden kann und deshalb
relativiert werden muss: „War is peace“.

Falsche Wahrheit heute

Was diese Motive mit der heutigen Zeit zu tun haben? Wenn die
entscheidenden Köpfe der amerikanischen Administration verkünden,
dass der Krieg gegen den Terror ein langwieriger sein werde und zum
Teil offen, zum Teil aber auch geheim geführt werde, dann ist dies
ein Anfangsschritt in Richtung einer Totalität, die der Orwellschen
nahe kommt. Wann dieser Krieg gewonnen – oder verloren – wird, das
bleibt offen und folgt der Logik des verkündeten „Enduring freedom“,
zwanghaft gepaart mit dem „enduring war“.

Dauerhafte Freiheit, das ist das deklarierte Ziel, dauerhafter Krieg,
das ist das gewählte Mittel dazu. Doch schon Gandhi sagte, „wenn Du
willst, dass sich die Welt verändert, dann musst Du selbst die
Veränderung sein.“ Ein Krieg gegen ein diktatorisches Regime wie das
im Irak ist keine Veränderung, es ist eine Betonisierung und
Verschärfung des Status Quo auf der Welt, welche doch so ungleich,
fehlerbehaftet und reformbedürftig ist. Sie ist sicherlich auch
reformierbar, wenn die Reformen gewünscht sind. Doch statt der
Veränderungen laufen bereits die Spekulationen über die nächsten
Ziele, die nächsten kriegerischen, mordenden Schritte auf dem Weg in
Richtung von vielgepriesener und missdeuteter Demokratisierung,
Sicherheit und Freiheit.

Die Wahrheit von Morgen

Die totale Kontrolle, wie sie Orwell auf erschütternde Weise
beschreibt, die jegliche Menschenwürde schon im Keim erstickt, von
dieser sind wir noch meilenweit entfernt... Es darf nicht so weit
kommen, dass wir an Frieden durch Verbrechen glauben, dass wir
Freiheit mit trügerischer Sicherheit erkaufen, dass wir eine
Kontrolle zulassen, die Teile der Gesellschaft und einzelne Menschen
als anders und schlechter brandmarkt, dass wir verkaufen, was nicht
Ware ist. Doch geschieht das schon längst auf eine sich selbst
antreibende Art und Weise;...

Dieser wachsenden Gefahr des Totalitarismus und der Totalität wollte
auch Orwell Stirn bieten, hat seinen Hauptprotagonisten jedoch
scheitern lassen. Auch sind einzelne seiner Motive in heutiger
Realität wiederauffindbar... Es gibt die Möglichkeit, die Sprache
nicht nur als Instrument bloßer Parolen zu missbrauchen, sondern sie
als Mittel zum Ausdruck tiefer Gedanken und Meinungen zu nutzen. Der
Grosse Bruder ist nicht größer als der Einzelne Starke, wenn er sich
mit anderen zusammenschließt. Wir müssen nicht glauben, dass jeder
Frieden zunächst einmal Krieg bedeutet...

http://www.unischaft.gmxhome.de/archiv/0103/27/27.html

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