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  • mermar

mehr als 1000 Beiträge seit 23.12.2018

Re: Formfehler: Beitrag mit der Überschrift beginnen. Ansonsten: siehe unten ;-)

van Grunz schrieb am 02.10.2019 12:44:

Es spielt keine Rolle, ob echte Sozialdemokratie heutzutage politisch bedient respektive erfüllt wird oder nicht, da es die Tatsache nicht verändert, daß es sie nach wie vor gibt -- und wenn auch nur in Form eines Wortes mit einer spezifischen Bedeutung.

Umdichtungen oder Relativierungen erweisen der im Wortsinn echten Sozialdemokratie einen Bärendienst und machen sie damit nur marktkonform.

Das sehe ich eben nicht so. Wenn ich mich darueber aufrege dass die Merkel als Sozialdemokratisiererin der Union gilt weil ihre Politik die Definitionskriterien der Sozialdemokratie anno dazumal nicht erfuellt, dann soll ich daraus was lernen? Warum soll mich eine Definition interessieren die kein Mensch mehr als Definition der Sozialdemokratie empfindet. Wen kuemmert es wen Sie oder sonstwer als authentische Sozialdemokratie empfinden. Wenn wir beobachten dass schon die Sozialdemokraten selbst diese alte Definition nicht mehr erfuellen, dann soll es ueberraschend sein dass auch bei Aussagen ueber die Merkel die neue Definition verwendet wird?

Und das Kriterium "Rente" ist mit Sicherheit kein genuin sozialdemokratisches gewesen.

Das sehe ich aber anders. So etwas Wichtiges wie die Rente, die zugleich auch eine Anerkennung der Arbeitsleistung im Leben darstellt, mußte von den Bürgern erst erstritten werden. Weder Unternehmer noch Politiker haben sich vor über 100 Jahren verpflichtet gefühlt, ihren damaligen Lohnsklaven mehr darzureichen, als für nötig erachtet wurde -- Gutsherrenart eben, die auch noch in Form des Neoliberalismus vorherrscht.

Das Rentensystem funktioniert im Prinzip wie folgt: Ich zahl ins System ein solange ich arbeite und krieg dann was raus wenn ich nicht mehr arbeite. Im Prinzip ist das eine Form von Zwangssparen. Das hat mit dem was mir der Unternehmer gibt nichts zu tun.

Diese Zwangsparsystem-Idee ist natuerlich maximal korrumpiert worden. Erstens warum ueberhaupt Zwangssparen? Nun weil man das Zwangssparen als scam gestaltet hat bei dem man am Anfang einen Gewinner hat ohne einen Verlierer zu haben. Man hat die vielen Jungen einfach gezwungen etwas Geld fuer die wenigen Alten abzugeben. Damit waren die Alten happy, die Union hat Stimmen gewonnen, die Jungen waren nicht zu boese weil sie meinten sie wuerden das vergolten kriegen wenn sie selbst alt sein wuerden.

In den Anfaengen der Sozialdemokratie hat kein Sozialdemokrat davon getraeumt, moeglichst viele Ressourcen auf die Alten der Gesellschaft zu lenken und diese in ihrer eingeschraenkten Entscheidungsfaehigkeit moeglichst von der Familie zu entfernen durch hinreichend hohe Zahlungen die deren Wohlergehen unabhaengig von ihren Entscheidungen waehrend des Arbeitslebens und im Familienkreis sichern.

Diesen Satz habe ich nicht ganz verstanden. Sollte dieser aussagen, die Rentner durch Nicht-Zahlung einer Altersversorgung in die familiäre Abhängigkeit zu begeben, da sie ob ihres hohen Alters ohnehin nur eingeschränkt entscheidungsfähig seien?

Mit der gleichen Denkweise müßte man jeden Politiker ab 55 Jahren in ein Altersheim abschieben, sodenn er keine Familie hat, in deren Obhut er sich -entgeltlos- begeben müßte.

Ich gehe davon aus, daß dem Arbeitsmarkt ausgediente Menschen anstatt einer Rente Euthanasie oder einem Konzentrationslager ähnliche Modelle angedacht seien, sofern diese ohne Familie sind?

Sie bringen also Kinder um weil diese nicht entscheidungs- und arbeitsfaehig sind? Oder was veranlasst Sie zu solchen Annahmen. Staatliche Transfers die die natuerliche Interaktion in der Familie zerstoeren halte ich fuer schaedlich. Es gibt einen natuerlichen Zyklus im Leben: Als Kind musst du von deinen Eltern leben weil du noch nicht die Faehigkeit hast selbst alles zu verstehen und weil dir die Erfahrung fehlt. Dann wirst du erwachsen und uebernimmst immer mehr Verantwortung. Irgendwann zwischen 20 und 40 (in den meisten Faellen) gruendest du eine Familie und uebernimmst selbst Verantwortung fuer Kinder. Die Grosseltern werden langsam aelter und irgendwann sind sie nur noch begrenzt entscheidungs- und handlungsfaehig. Ab dem Zeitpunkt sollten die eigentlich wieder in den Verantwortungsbereich der Kinder zurueckfallen.

Durch Transferzahlungen wird die Art der familiaeren Interaktion veraendert. Das ist in etwa so als wuerde der Staat Kindern ab 12 Jahren ein Grundgehalt geben und dieses dann ueber spaetere Abgaben aufs Einkommen wieder zurueckholen. Das waer die absolute Katastrophe. Aber bei den Grosseltern tun wir genau das.

Sozialdemokratie war urspruenglich nicht auf das Ziel "Maximierung von Transferzahlungen auch wenn diese maximal schlechte Anreize bedeuten" ausgerichtet, sondern auf "Versicherungssysteme, die verhindern sollen, dass Schicksalsschlaege - Krankheit, Unfaelle, unverschuldete Arbeitslosigkeit etc - dich runterziehen".

Welch verklärende Worte, denn dieses "runterziehen", auf die heutige sanktionsfähige Hartz IV-Politik gemünzt, welche das gesetzlich garantierte Existenzminimum unterwandert, soll wohl suggerieren, daß es außer dem Verlust von Gesundheit oder einer Arbeitsstelle ja sonst keine Einbußen gäbe. Das ist grundfalsch und ein Irrtum mit weitreichenden Folgen, weil er den Menschen unterstellt, daß diese Sozialschmarotzer seien und sich nur in der "sozialen Hängematte" ausruhen wollten.

In Ihrem Kopf scheint ein vorgefertigter Film abzulaufen. Von Sozialschmarotzer haben Sie geredet. Es geht nicht nur darum ob jemand nichts mehr tut. Es geht darum wie er sich verhaelt. Beispiel aus den USA: In den USA war in den 50er Jahren die Quote von Kindern die in Familien ohne Vaeter aufwuchsen gering, und zwar sowohl bei Weissen als auch bei Schwarzen. Dann kamen die Sozialgesetze die auch hilfen fuer single moms vorsahen. Scheint ja erstmal vernuenftig. Aber was bedeutet das langfristig? Heute haben wir anstatt 20% schwarzer Kids ohne Vater in der Familie wie noch 1960, 75% schwarzer Kids ohne Vater. Weil die Schwarzen aermer waren als die Weissen hat das bei denen zu einer viel schnelleren kulturellen Umwaelzung mit einer Normalisierung des single mom Daseins gefuehrt als bei den Weissen. Alles deutet darauf hin dass single motherhood sehr schlecht ist fuer die Kinder. Selbst bei aehnlichen oekonomischen Verhaeltnissen schneiden die Kinder ohne Vater in allen Dimensionen (Schule, Einkommen, Kriminalitaet, teen pregnancy etc) schlecht ab. Da schafft ein Sozialgesetz viel mehr Probleme als es je geloest hat. Und das hat absolut nichts mit Schmarotzertum zu tun.

Neid ist bei dieser Argumentation offenkundig die Triebfeder, vergiftet er sachliche Diskussionen und eine objektive Beleuchtung des Ist-Zustandes. Fakt ist, daß in der heutigen Zeit gerade die Hartz-Abhängigen deutlich mehr unter Depressionen leiden, als es noch unter dem alten, besseren Sozialsystem vor der "Agenda 2010" der Fall war.

Wieso so primitiv mit Neid-Vorwuerfen arbeiten? Glauben Sie dass ich in der Naehe von Hartz IV bin? Und was wollen Sie mit dem Depressionsargument beweisen? Hab ich irgendwo Hartz IV erwaehnt?

Es gab mal eine interessante Umfrage. Die Frage lautete, was ein Bürger von seinem Nachbarn denkt, wenn dieser bedingungslos ein Grundeinkommen bekäme. Die meisten Menschen haben den Nachbarn für faul gehalten, der keinen Finger mehr krumm macht. Die gleiche Frage auf die eigene Person angewandt, gaben erstaunlich Viele zu Protokoll, weiter einer Arbeitstätigkeit nachgehen zu wollen. Die Wenigsten wollten sich "auf die faule Haut" legen.

Das ist wirklich ein daemliches Argument. Da haben es doch tatsaechlich smarte Umfrager geschafft die Leute aufs Glatteis zu fuehren.

Viele Leute sind so im Rhythmus der Arbeit drin und beziehen ihr Ansehen daraus dass sie wahrscheinlich wirklich weitermachen wuerden. Aber was ist mit der naechsten Generation. Was ist mit dem Arbeitslosen der sich jetzt bemuehen muesste einen marginal besser zahlenden Job zu suchen? Wird der das tun. Und was wenn es erstmal mehr Leute gibt die von dem Grundeinkommen abhaengen und deren Wahlentscheidung deshalb nur noch davon abhaengen wird. Wuerden die nicht einfach immer fuer einen stimmen der versprcht "100 Eruo mehr"? Natuerlich waer das so. Und schon bald wuerde es mehr Leute geben die einfach das Geld nehmen wuerden. Usw usf. Irgendwann waer das Ansehen das mit Geldverdienen verbunden ist weg. Die kulturellen Werte wuerden sich verschieben (natuerlich nur in der Unterschicht). Und es wuerden immer mehr die sich fuers nicht arbeiten entscheiden wuerden.

Wer das bestreitet glaubt auch ans perpetuum mobile.

Dies offenbart eine große Diskrepanz in Denkmustern, wie wir uns und auch andere Menschen sehen.

Nein es offenbart nur dass die Menschen ihre eigenen richtigen Instinkte nicht perfekt begruenden koennen.

Die Idee, dass eine Gesellschaft sich moeglichst stark anstrengen sollte, um alten Menschen unabhaengig fuer die Gruende ihrer Armut ein moeglichst gutes Auskommen zu sichern, ist ein Auswuchs der Neuen Linken, der Akademikerlinken, deren Linkssein nur noch aus wahltaktischem Kalkuel bestand.

Die Verklärung einer solidarischen Umverteilung zu einer "möglichst starken Anstrengung" soll vermutlich abermals dem Ziel dienen, den Status Quo nicht in Frage zu stellen, sondern -im Gegenteil- gemäß einer liberalen Denkweise am besten die Rente noch abzuschaffen, denn ein Jeder soll sich am besten selbst versorgen.

Solidarische Umverteilung? Ja Sie beanspruchen einfach nur den moral highground beim Begriffsdefnieren. Wenn Sie sagen dass wir unseren Fokus auf die Alten legen sollen, dann muss die Bundesrepublik ja das perfekte Land fuer Sie sein.

Dumm ist dabei nur, daß eine Selbstversorgung auf dem größten prekären Niedriglohnsektor der EU, in Deutschland, nicht möglich ist. Dafür müßten politisch ganz andere Weichen gestellt werden. Dann, aber, hätte man, wie in der ehemaligen DDR, ein Wirtschaftssystem, das unter Neoliberalen gemieden wird, wie der Teufel das Weihwasser meidet.

War die DDR fuer Sie ein Erfolgsmodell? Welchen Kontakt haben Sie persoenlich denn im Leben mit Leuten aus der Unterschicht gehabt. Wieviele Mitschueler hatten Sie denn so in Ihrer Schule die Arbeiterkinder waren? Bei mir fast alle. Von der DDR hat da keiner getraeumt. Und wer was anderes sagt luegt einfach nur.

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