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  • van Grunz

mehr als 1000 Beiträge seit 27.12.2007

Re: Formfehler: Beitrag mit der Überschrift beginnen. Ansonsten: siehe unten ;-)

mermar schrieb am 02.10.2019 12:10:

Mein Punkt ist ja gerade der zu sagen dass es eine Sozialdemokratie wie sie der Autor beschreibt nirgendwo mehr gibt. Ich sage: nehmen wir die Punkte her die hier vorgeschlagen werden um Sozialdemokratie diagnostizieren zu koennen. Und keines dieser Kriterien wird von irgend einer Partei erfuellt.

Es spielt keine Rolle, ob echte Sozialdemokratie heutzutage politisch bedient respektive erfüllt wird oder nicht, da es die Tatsache nicht verändert, daß es sie nach wie vor gibt -- und wenn auch nur in Form eines Wortes mit einer spezifischen Bedeutung.

Umdichtungen oder Relativierungen erweisen der im Wortsinn echten Sozialdemokratie einen Bärendienst und machen sie damit nur marktkonform.

Und das Kriterium "Rente" ist mit Sicherheit kein genuin sozialdemokratisches gewesen.

Das sehe ich aber anders. So etwas Wichtiges wie die Rente, die zugleich auch eine Anerkennung der Arbeitsleistung im Leben darstellt, mußte von den Bürgern erst erstritten werden. Weder Unternehmer noch Politiker haben sich vor über 100 Jahren verpflichtet gefühlt, ihren damaligen Lohnsklaven mehr darzureichen, als für nötig erachtet wurde -- Gutsherrenart eben, die auch noch in Form des Neoliberalismus vorherrscht.

In den Anfaengen der Sozialdemokratie hat kein Sozialdemokrat davon getraeumt, moeglichst viele Ressourcen auf die Alten der Gesellschaft zu lenken und diese in ihrer eingeschraenkten Entscheidungsfaehigkeit moeglichst von der Familie zu entfernen durch hinreichend hohe Zahlungen die deren Wohlergehen unabhaengig von ihren Entscheidungen waehrend des Arbeitslebens und im Familienkreis sichern.

Diesen Satz habe ich nicht ganz verstanden. Sollte dieser aussagen, die Rentner durch Nicht-Zahlung einer Altersversorgung in die familiäre Abhängigkeit zu begeben, da sie ob ihres hohen Alters ohnehin nur eingeschränkt entscheidungsfähig seien?

Mit der gleichen Denkweise müßte man jeden Politiker ab 55 Jahren in ein Altersheim abschieben, sodenn er keine Familie hat, in deren Obhut er sich -entgeltlos- begeben müßte.

Ich gehe davon aus, daß dem Arbeitsmarkt ausgediente Menschen anstatt einer Rente Euthanasie oder einem Konzentrationslager ähnliche Modelle angedacht seien, sofern diese ohne Familie sind?

Sozialdemokratie war urspruenglich nicht auf das Ziel "Maximierung von Transferzahlungen auch wenn diese maximal schlechte Anreize bedeuten" ausgerichtet, sondern auf "Versicherungssysteme, die verhindern sollen, dass Schicksalsschlaege - Krankheit, Unfaelle, unverschuldete Arbeitslosigkeit etc - dich runterziehen".

Welch verklärende Worte, denn dieses "runterziehen", auf die heutige sanktionsfähige Hartz IV-Politik gemünzt, welche das gesetzlich garantierte Existenzminimum unterwandert, soll wohl suggerieren, daß es außer dem Verlust von Gesundheit oder einer Arbeitsstelle ja sonst keine Einbußen gäbe. Das ist grundfalsch und ein Irrtum mit weitreichenden Folgen, weil er den Menschen unterstellt, daß diese Sozialschmarotzer seien und sich nur in der "sozialen Hängematte" ausruhen wollten.

Neid ist bei dieser Argumentation offenkundig die Triebfeder, vergiftet er sachliche Diskussionen und eine objektive Beleuchtung des Ist-Zustandes. Fakt ist, daß in der heutigen Zeit gerade die Hartz-Abhängigen deutlich mehr unter Depressionen leiden, als es noch unter dem alten, besseren Sozialsystem vor der "Agenda 2010" der Fall war.

Es gab mal eine interessante Umfrage. Die Frage lautete, was ein Bürger von seinem Nachbarn denkt, wenn dieser bedingungslos ein Grundeinkommen bekäme. Die meisten Menschen haben den Nachbarn für faul gehalten, der keinen Finger mehr krumm macht. Die gleiche Frage auf die eigene Person angewandt, gaben erstaunlich Viele zu Protokoll, weiter einer Arbeitstätigkeit nachgehen zu wollen. Die Wenigsten wollten sich "auf die faule Haut" legen.

Dies offenbart eine große Diskrepanz in Denkmustern, wie wir uns und auch andere Menschen sehen.

Die Idee, dass eine Gesellschaft sich moeglichst stark anstrengen sollte, um alten Menschen unabhaengig fuer die Gruende ihrer Armut ein moeglichst gutes Auskommen zu sichern, ist ein Auswuchs der Neuen Linken, der Akademikerlinken, deren Linkssein nur noch aus wahltaktischem Kalkuel bestand.

Die Verklärung einer solidarischen Umverteilung zu einer "möglichst starken Anstrengung" soll vermutlich abermals dem Ziel dienen, den Status Quo nicht in Frage zu stellen, sondern -im Gegenteil- gemäß einer liberalen Denkweise am besten die Rente noch abzuschaffen, denn ein Jeder soll sich am besten selbst versorgen.

Dumm ist dabei nur, daß eine Selbstversorgung auf dem größten prekären Niedriglohnsektor der EU, in Deutschland, nicht möglich ist. Dafür müßten politisch ganz andere Weichen gestellt werden. Dann, aber, hätte man, wie in der ehemaligen DDR, ein Wirtschaftssystem, das unter Neoliberalen gemieden wird, wie der Teufel das Weihwasser meidet.

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