Es war ein seltsames Gefühl, hier zu stehen. Hier vor all den
Gräbern, zusammen mit den vielen, ganz in Schwarz gekleideten Männern
und Frauen.
An der Seite beschwerte sich eine Frau darüber, dass die Blumen auf
dem Grab so welk aussahen, ob man denn heutzutage sich überhaupt
nicht mehr um die Toten kümmere und nicht wisse, was sich gehört. Ihr
Mann zischte "Pssst" aber sie meinte nur "Ist doch wahr. Was sind das
für Menschen, die sich gar nicht mal um Ihre Angehörigen kümmern?"
Sie sah ihn einen Moment lang aus ihren wässrigen Augen an. "Ist das
Ihr Grab hier?" fragte sie und wies anklagend auf die Grabstelle.
Keine Kerze, kein Kranz, nur ein paar kleine, welke Blumen, keine
Bepflanzung.
"Nein." sagte er. "Ich habe hier kein Grab."
Ihr entging die Ironie in seinen Worten.
"Schauen Sie, wir wissen, was sich gehört." Sie deutete auf eine
Grabstelle, auf der bereits drei der biologisch abbaubaren Kerzen
flackerten. Zwei goldene Steckvasen, mit neuen Blumen bestückt, boten
zusammen mit dem Kranz und der perfekt gestalteten Bepflanzung, einen
Anblick, der, zusammen mit dem großen Granit-Grabsstein nur eines
aussagte "Wir kümmern uns".
"Alle zwei Tage kommt jemand von der Gärtnerei her." erzählte sie.
"Und am Geburtstag, an Ostern, Volkstrauertag, am ersten Mai und an
Weihnachten gibt es einen Kranz. Der Stein wird regelmäßig gesäubert
und die Bepflanzung erneuert."
Sie erzählte es mit dem gleichen Ton, mit dem Männer ihre Besitztümer
aufzuzählen pflegten: "Mein Boot, mein Scheckbuch, mein Haus, meine
Frau."
"Und welches ist nun Ihr Grab?"
Er lächelte schief.
"Es gibt kein Grab meiner Familie hier." sagte er. "Doch meine Mutter
kannte hier jemanden und legt heute einen Kranz nieder. Ich begleite
sie."
"Ach ja." sagte sie desinteressiert. "Wie nett. Ihre Mutter weiß
wenigstens, was sich gehört. Meine Mutter ist in einem Altersheim,
ich wollte sie erst hierher mitnehmen, aber es ist immer so
anstrengend, man muss sich ja nicht den Sonntag auch noch mit Arbeit
kaputt machen. Aber ein anständiger Umgang mit den Gräbern und
Hinterbliebenen, das ist wichtig: Wer die Toten nicht ehrt, der denkt
verkehrt." Sie nickte bestätigend.
"Und wo sind die Gräber Ihrer Familie?" fragte sie neugierig.
"Wir haben keine Gräber." sagte er. "Meine Großeltern und mein Vater
mochten diese Art des Gedenkens nicht. Sie wurden eingeäschert und
die Urne anonym bestattet."
"Oh", sagte sie verblüfft. "Aber wie erinnern Sie sich denn dann an
Sie? Das muss ja furchtbar schwer sein."
Gräbern, zusammen mit den vielen, ganz in Schwarz gekleideten Männern
und Frauen.
An der Seite beschwerte sich eine Frau darüber, dass die Blumen auf
dem Grab so welk aussahen, ob man denn heutzutage sich überhaupt
nicht mehr um die Toten kümmere und nicht wisse, was sich gehört. Ihr
Mann zischte "Pssst" aber sie meinte nur "Ist doch wahr. Was sind das
für Menschen, die sich gar nicht mal um Ihre Angehörigen kümmern?"
Sie sah ihn einen Moment lang aus ihren wässrigen Augen an. "Ist das
Ihr Grab hier?" fragte sie und wies anklagend auf die Grabstelle.
Keine Kerze, kein Kranz, nur ein paar kleine, welke Blumen, keine
Bepflanzung.
"Nein." sagte er. "Ich habe hier kein Grab."
Ihr entging die Ironie in seinen Worten.
"Schauen Sie, wir wissen, was sich gehört." Sie deutete auf eine
Grabstelle, auf der bereits drei der biologisch abbaubaren Kerzen
flackerten. Zwei goldene Steckvasen, mit neuen Blumen bestückt, boten
zusammen mit dem Kranz und der perfekt gestalteten Bepflanzung, einen
Anblick, der, zusammen mit dem großen Granit-Grabsstein nur eines
aussagte "Wir kümmern uns".
"Alle zwei Tage kommt jemand von der Gärtnerei her." erzählte sie.
"Und am Geburtstag, an Ostern, Volkstrauertag, am ersten Mai und an
Weihnachten gibt es einen Kranz. Der Stein wird regelmäßig gesäubert
und die Bepflanzung erneuert."
Sie erzählte es mit dem gleichen Ton, mit dem Männer ihre Besitztümer
aufzuzählen pflegten: "Mein Boot, mein Scheckbuch, mein Haus, meine
Frau."
"Und welches ist nun Ihr Grab?"
Er lächelte schief.
"Es gibt kein Grab meiner Familie hier." sagte er. "Doch meine Mutter
kannte hier jemanden und legt heute einen Kranz nieder. Ich begleite
sie."
"Ach ja." sagte sie desinteressiert. "Wie nett. Ihre Mutter weiß
wenigstens, was sich gehört. Meine Mutter ist in einem Altersheim,
ich wollte sie erst hierher mitnehmen, aber es ist immer so
anstrengend, man muss sich ja nicht den Sonntag auch noch mit Arbeit
kaputt machen. Aber ein anständiger Umgang mit den Gräbern und
Hinterbliebenen, das ist wichtig: Wer die Toten nicht ehrt, der denkt
verkehrt." Sie nickte bestätigend.
"Und wo sind die Gräber Ihrer Familie?" fragte sie neugierig.
"Wir haben keine Gräber." sagte er. "Meine Großeltern und mein Vater
mochten diese Art des Gedenkens nicht. Sie wurden eingeäschert und
die Urne anonym bestattet."
"Oh", sagte sie verblüfft. "Aber wie erinnern Sie sich denn dann an
Sie? Das muss ja furchtbar schwer sein."