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  • Bill Hicks

mehr als 1000 Beiträge seit 18.10.2016

Orwell ist doch schon längst überholt

Zunächst sei zu sagen, dass das Verbot einzelner Ausspielkanäle von Medien zwar äußerst unamerikanisch und undemokratisch aussieht, in Wirklichkeit aber ein integraler Bestandteil der westlichen Demokratien ist. Das Verbieten von bestimmter Gruppierungen und ihrer Ausspielorgane unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ist nicht neu.

Orwell ging noch davon aus, dass eine von Angst dominierte totalüberwachte Gesellschaft, durch Krieg dezimiert von Menschenhand manipuliert entstehen würde.

Es zeichnet sich aber eher ein durch Algorithmen überwachte Wohlstandsgesellschaft heraus deren geistige Kapazitäten im "Brackwasser der Beliebigkeit" an zu vielen irrelevanten Informationen ertrinkt.
Eine Gesellschaft die durch banale egoistische Motive in die Selbstzerstörung hinein rennt und auf dem Weg alles verbraucht auf dem diese Gesellschaft basiert ohne das auch nur irgendjemand im eigentlichem Sinne steuert. Es wird agiert mit dem Ziel der Selbstbereicherung, aber von planvoller gesellschaftlicher Steuerung kann kaum noch eine Rede sein.

Das aufwendige manipulieren der Geschichte auf den neusten Stand der Lüge scheint in Zeiten von Wikipedia und dem Verlagssterben und der damit einhergehenen Unfähigkeit großer Bevölkerungsteile sich auch nur zwei Wochen an etwas von Tragweite zu erinnern überflüssig zu sein.
Kollektives Wissen ist kaum noch vorhanden, eine Mainstreamkultur zerfleddeert in unzählige YouTube Kanäle und digitale Mini-Gruppen.
Wahrheit ist Spin,
Waffenlieferungen sind Frieden,
Mühe ist Sklaverei und
Unfähigkeit ist kein Hindernis.

Wir haben es mit einer Auflösung von Gesellschaftsgruppierungen zu tun, also einer Auflösung der Fähigkeit sich als Gruppe zu organisieren und am politischen Prozess ernsthaft teilzunehmen und sich gegen Kapitalinteressen durchzusetzen.

Orwell ging von einem allmächtigen Einparteien Staat aus.
Inzwischen sieht es eher nach einer Refeudalisierung der Gesellschaft aus, in der eine Kaste der Vermögenden und Experten, die neuen Grafen und Fürsten bilden und die Bildungsverlierer die große Gruppe der neuen Leibeigenen bilden. Ein Staat spielt in dieser Gesellschaft scheinbar nur noch die Funktion des Watschenbaums und Erfüllungsgehilfen.

Die in 1984 beschriebenen Mechanismen der Überwachung sind technisch längst übertroffen.

Das was Orwell als Doppelsprech beschrieb, also die Fähigkeit das eine zu sagen obwohl man sich etwas anderem absichtsvoll nicht bewusst wird ist ersetzt durch die Unfähigkeit sehr vieler Mitmenschen Sprache als Mittel der Kommunikation überhaupt noch sinnvoll zu verwenden.

Das Double speak ist ein typisches Merkmal totalitärer Systeme in denen man sich aus Angst angewöhnen muss öffentlich das eine zu sagen, auch wenn man etwas anderes denkt.
Das war z.B. in der DDR der Fall und zwar in einer Weise die heute nicht vorstellbar ist.
Das Gequatsche von BRD-Diktatur auf heutigen Demos finde ich in diesem Zusammenhang übrigens unerträglich.

Niemand geht heute ins Gefängnis weil er sich öffentlich zu Gott bekennt und ungefragt Bibeln verteilt. Niemand bekommt den Studienplatz nicht, weil man in der 8. Klasse nicht ausreichend Stiefel geleckt hat um als würdig für die Partei zu wirken. Niemand wird von der Geheimpolizei vorgeladen und ins Zuchthaus gesteckt weil er zu viel Westfernsehen gesehen hat und Westkontakte pflegt.
Double speak ist kognitiv sehr anstrengend. Auch die Angst, die Kinder könnten sich in der Schule verplappern, die gibt es so heute nicht mehr.

Was sich herausgebildet hat, ist kein Doublespeak sondern Flatspeak; Sinnentleertes Gelaber zum Ausdruck differenzierter Information kaum geeignet.

Was ich also sagen möchte; ein TikTok Verbot in den USA als Weg in den orwellschen Überwachungsstaat zu zeichnen, zeugt von einer Unkenntnis der Wirklichkeit oder des Buches von George Orwell.

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