"Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass es ein grober politischer Fehler ist, Gegner, mit denen man sich am Ende doch einigen muss, zu beschimpfen oder zu beleidigen. Man schmälert damit nur die Chancen einer positiven Verständigung. Diplomatische Gepflogenheiten haben ihren Ursprung nämlich in historischer Erfahrung."
Das ist ausserordentlich vernünftig, und die grundsätzliche Idee der UNO gewesen. die langfristig die einzige Chance auf friedliche Koexistenz ist. Obwohl es sich schon amüsant liest, hat doch Cato so seine Anti-Karthago-Haltung immer angefangen.
Aber es gibt eben auch andere Sichtweisen zum Thema Russland und Deutschland:
"Wie in anderen orthodoxen geopolitischen Theorien legte Mackinder seiner Theorie ein materialistisch geprägtes Menschenbild zugrunde, in dem Menschen im Rahmen ihrer Bedürfnisse nach Sicherheit und Wohlstand miteinander im Wettbewerb um Territorium und Ressourcen stehen. [...]
„Who rules Eastern Europe commands the Heartland
Who rules the Heartland commands the World Island
Who rules the World Island commands the World
deutsch:
Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland.
Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel.
Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.“
– Mackinder, Democratic Ideals and Reality, S. 106" wiki
Die Heartland-Theorie gibt es nun seit 1904, und um sie quasi zu bestätigen, hat die Weimarer Republik 1922 mit den Sowjets den Vertrag von Rapallo am 16.04.1922 abgeschlossen. Das ist jetzt fast auf den Tag genau 100 Jahre her. Schon amüsant, das fast exakt 100 Jahre später Deutschland sich soweit wie schon lange nicht mehr, von einer vernünftigen Beziehung zu Russland entfernt hat.
Das was Mackinder mit seiner Heartland-Theorie geostrategisch zu bedenken gab, fand ab 1922 zwischen Russland und Deutschland statt. Laut Versailler Vertrag war der Weimarer Republik einiges verboten: "Es musste seine Streitkräfte zu Land auf 100 000 Mann und zur See auf 15 000 Mann beschränken. Außerdem wurden die allgemeine Wehrpflicht, die Kriegsakademie und der Generalstab abgeschafft. Bestimmte Waffengattungen wurden in Deutschland verboten." wiki
Das machten jetzt die Weimarer Militärs in der jungen Sowjetunion. Zusammen mit der Roten Armee entwickelte man dort schweres Militär-Gerät, testete es, und hatte dort große Truppenverbände stationiert, was in Deutschland nicht möglich gewesen wäre.
Ob die 100 Milliarden "Sondervermögen" der Bundeswehr, die sicher zu großen Teilen in die USA abfließen werden als Sonder-Tribut an den RIK, von Militärhistorikern fast exakt zum 100jährigen des Vertrags von Rapallo terminiert wurden? Manche Historiker haben sich ja einen guten Humor trotz guter Kenntnisse der Menschheitsgeschichte, erhalten.
Die ausserordentliche Dankbarkeit des Helmut Kohl-Deutschland zu Russland, wegen der stressfreien Wiedervereinigung 1990, führte ab da zu vielen wirtschaftlichen Kooperationen, 2001 die Putin-Rede im Bundestag mit Standing Ovations aller Abgeordneten, von rinks bis lechts, war einer der Höhepunkte dieser neuen Deutsch-Russischen Kooperation. Und dann kam alles, Stück für Stück, komplett anders.
Ich kann also so manche, nahezu historisch gewachsene Sorge der angelsächsischen Imperien über eine zu enge Partnerschaft, Kooperation von Russland mit Deutschland, durchaus nachvollziehen. Wenn da nicht die Nummer mit dem american exceptionalism wäre ...
Ab 1990 hätte die USA problemlos via UNO bis 2001 die Chance gehabt, mit großer fast weltweiter Unterstützung, diverse Problemfelder des friedlichen Miteinanders, ungerechter Vermögens- und Ressourcenverteilung friedlich anzugehen, mit allen zusammen. Statt dessen hat man zum Auftakt alles dafür getan, den Jugoslawien-Konflikt nicht friedlich zu lösen, sondern zu eskalieren, bis hin zu völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und Abspaltung des Kosovo mit Hilfe einer Terrororganisation, die kurz zuvor selbst in den USA noch als Terrororganisation geführt wurde, die UCK. Dann hat man ab 2001, als Putin seine Rede im Bundestag hielt, die 9/11-Nummer durchgezogen, und ein armes Bauernland, Afghanistan und seine Bevölkerung, in Grund und Boden gebombt. 20 Jahre lang bis neulich. Dann die Mursi-Nummer in Ägypten, dann die Libyen-Nummer, die Jemen-Nummer, dann die Syrien-Nummer ... alles zum Wohle der Menschheit? Die Glaubwürdigkeit der USA als Demokratie und Peacekeeper ist für mich damit komplett ruiniert - was sie aber schon seit Korea 1950 und Vietnam bis 1973/74 schon war. Nur, damals gab es eine Systemkonkurrenz und es sah so aus, als ob es den Menschen im Westen mehrheitlich, und auf Dauer wesentlich besser geht, als denen im Osten. Das war ein Trugschluss. Der Westen degeneriert, ökonomisch und besonders intellektuell und Technologisch.
Aber ab 1990 machte, zumindest humanistisch, dieses "Wir gegen Die" keinen Sinn mehr - und trotzdem endete das Morden nicht, die Kriege nicht, und der spiritus rector von allem, war die USA. Russland war bis 2005 mit sich selbst beschäftigt, und froh wenn man es in Ruhe lies, und sich nach der Jelzin-Pleite wieder erholen konnte.
Die USA kann ohne Krieg nicht, und wenn sie ihn nicht gleich selbst lostritt, provoziert sie so lange, bis es einen gibt. Mit diesem Möchtegern-Hegemon, bzw. deren "Eliten" wird die Welt nie zur Ruhe kommen. Die Welt muss komplett neu aufgestellt werden, eine sehr gute Chance für einen friedlichen Weg dahin, wurde ab 1990 konsequent und mutwillig verpasst. Und wie ich heute meine, böswillig. Ob der neue, chinesische Hegemon besser ist, lässt sich heute schwer abschätzen - aber das seit 30 Jahren wütend um sich schlagende West-Imperium, geleitet von den USA und ihrem faschistischem american exceptionalism, ist sicher der falsche Weg, mit dem 7,5 Milliarden Menschen einen besseren Weg für alle in die Zukunft zu nehmen. So geht das nicht.
Ein irrer Weg der Imperien, der sich nun seit lange vor den Römern, seit mehreren Jahrtausenden zyklisch wiederholt. Wir hatten eine Chance 1990 und sie vertan.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.04.2022 11:53).