Die zentrale inhaltliche Kritik an Prof. Kuhbandner wurde hier ja schon mehrfach geäußert:
Seine zentrale Hypothese, die exponetiell steigenden Zahlen der gemeldeten Neuinfektionen von Covid-19 wäre weitestgehend auf die steigende Testzahl und nicht auf tatsächliche Ausbreitung des Virus zurückzuführen, geht ins Leere weil er entweder bei der Testung von einer unabhängigen Stichprobe ausgeht oder, in einer für mich unverständlichen Nebenargumentation, eine symptombezogene Testauswahl diskutiert.
Soweit ich es verstanden habe, war besonders im betrachteten Zeitraum, das Testkriterium aber entweder: ziemlich eindeutige kritische Symptome (Atemnot, Fieber) oder Kriterien die eine positive Testung wahrscheinlich erscheinen lassen, also Kontakt zu infizierten oder Aufenthalt in Risiko-Hotspots. Damit ergibt sich aber eine Korrelation zwischen der Dynamik der Infektionszahlen, der Anzahl der Tests und der Anzahl der positiv getesten Personen.
Richtig ist, das man unter diesen Bedingungen mit der Anzahl der gemeldeten Neuinfektionen nicht beweisen kann, das sich die Infektionswelle mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausbreitet - aber diese Information kann ein Baustein unter anderen sein um eine Risikoabschätzung zu machen. Ich gehe davon aus, dass genau dies geschehen ist. Allerdings kann sich jeder mit etwas Lebenserfahrung ausmahlen, was die Notwendigkeit zur Vereinfachung von Wissenschaftler über Politik zum "Bürger" aus differenzierten wissenschaftlichen Betrachtungen macht, eben ein grob vereinfachte Darstellung der Situation. Man kann kritisieren, dass dies nich ausreichend deutlich gemacht wurde, aber so zu tun, als hätte jemand behauptet, diese Zahlen bewiesen den exponentiellen Anstieg der Infektionen ist naiv (oder ziemlich fies). Pandemien breiten sich immer exponentiell aus (mehr oder weniger schnell, entsprechend Ro), sie können gar nicht anders. Wenn man behauptet, sie tun es nicht (mehr), sollte man auch eine Hypothese haben was zu dieser Änderung geführt hat.
Zum Gestus der Arbeit:
Ich bewundere, wie sachlich hier viele Schreiber den Beitrag kommeniert und sich bemüht haben auch noch das nebensächlichste Argument zu betrachten.
Mich frappiert die Hybris, mit der Prof. Kuhbandner sich in die Brust wirft und behauptet jetzt endlich mal der depperten Welt zu zeigen wie eine wissenschaftliche Betrachtung der Corona-Krise auszusehen hat. Der Inhalt - ungenügende Betrachtung der Ausgangslage, langatmige Darstellung von mathematischen Binsenweisheiten und polemischer Schlussteil - ist für mich das Gegenteil von dem, was ich unter einer wissenschaftlichen Arbeit verstehe (Aber vielleicht sehe ich das als Naturwissenschaftler zu eng). Ob es so gewollt ist, will ich nicht unterstellen, aber mit dem Wort "wissenschaftlich" in der Überschrift und der pseudowissenschaftlichen Ausuferung ins Triviale ist dem Autor ein propagandistischer Coup gelungen: Alle "Corona-Kritischen" Netzwerke haben diesen Beitrag auf ihr Schild gehoben und tragen ihn begeistert vor sich her. Wenn das die Absicht war, Applaus!