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  • Rubashov

845 Beiträge seit 02.07.2000

Re: Mehrere Besuche der Ukraine auf eigener Achse

morgenpizza_malwieder schrieb am 22.06.2022 13:13:

Sehr positive Erinnerungen. Unheimlich viele Eindrücke. Wenige prosperierende Großstädte. Primär ländliche Regionen. Herzliche Menschen. Alte Urals und Kraz werden in allen abgelegenen Gegenden zum Holzrücken und Co eingesetzt. Hier ticken die Uhren noch in einem angenehm entspannten Takt.

Korruption unter Polizisten.

Grenzer herrscht mich an, weil ich - damals noch ahnungslos - bei Eintreten freundlich auf russisch gegrüßt habe. Ob ich nicht seine Sprache sprechen könne. Ab in die Ecke. Du kommst als letztes dran. Schikane und Hinauszögern bis zum Letzten.

Andere Grenze. Grenzer behalten einen Reisepaß ein und wollen Geld für Herausgabe.

Sehr nette Kneipe in Kleinstadt. Klo ist ein in den Boden gehacktes Loch hinterm Haus. Im Garten hinterm Haus stapeln sich Müll und achtlos hineingeworfene Flaschen - der gesamte Müll des Kneipenbetriebs.

Ich schwelge noch immer in den positiven Erinnerungen der Vor-2014-Zeiten. Es gab Licht und Schatten. Ich hege große Sympathien.

Aber potentiell zeitnaher EU-Beitritt? Ernsthaft? Welche Kriterien haben denn Entscheider, die nie wirklich nachgeprüft haben, so alle ignoriert? Zumal sich die Situation seit 2014 nicht verbessert, sondern hinsichtlich Korruption, Rechtstaatlichkeit, Gleichberechtigung, ... merklich verschlechtert hat.

Ich frag für einen Freund...

Die Entscheidung ist recht einfach zu erklären:

Die Besucher sehen nur die Verwaltungsgebäude. Also Scholz und Co. werden in Sonderfahrzeugen in den Präsidentenpalast gefahren und sehen auf diesem Weg a) wenig und b) nur einen Teil der Wirklichkeit in der Ukraine. Und in der Präsidialverwaltung entsprechen die Konferenzräume eben internationalem Standard. Bei einer solchen kurzzeitigen und oberflächlichen Ansicht des Landes kann dann schon einmal schnell der Eindruck entstehen, das Land könne in einer absehbaren Zeit die Kriterien für einen EU-Beitritt erfüllen.

Diese Typen sind meiner Erfahrung nach komplett beratungsresistent und setzen in einem überraschenden Maße auf eigene Ansichten, welche sie nicht als stellungsbedingt verzerrte Wahrnehmung, sondern als "Realität" auffassen. Wenn es beim Dinner Hummer gibt, dann gibt es aus Sicht diese Clowns eben in der Ukraine Hummer und sie fragen nicht woher der stammt und wer den bezahlt, auch wenn sie den vielleicht selber im eigenen Tross mitgebracht haben.

Diese Typen haben ein Problem: Sie sind in einer immer komplexer werdenden Welt immer mehr auf externe Expertise angewiesen, können immer weniger selber verstehen und alleine entscheiden. Ihr Ego steht dieser sinkenden Entscheidungsfähigkeit jedoch entgegen. Sie wollen entscheiden, sie wollen die Macher sein. Und nach ihrem Selbstverständnis wissen sie deutlich mehr als alle anderen, denn wenn sie weniger wüßten, was würde sie dann zu ihrer Position qualifizieren? Also entscheiden sie eben nach eigener Ansicht und nicht nach Expertenmeinung Dritter. Und dann kommt eben das heraus, was wir gerade sehen. Russland wird untergehen und die Ukraine aufblühen. Naja. Potemkinsche Dörfer halt auf allen Seiten.

N.

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