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mehr als 1000 Beiträge seit 06.04.2004

Ein protofaschistischer Artikel

Im Prinzip geht es hier darum, Carl Schmitt salonfähig zu machen,
einen der allerübelsten Vordenker des und "Kronjurist" des NS-Staats.

Maresch steht nicht allein. Auch in verschiedenen Zeitungen wie der
"Zeit" etwa taucht dieser Schmitt plötzlich im positiven Kontext auf.

Dass Schmitt als "Quartiermacher"=Vordenker, Schrittmacher des
Bürgerkriegs, als fanatischer Antisemit unterwegs war, geht deutlich
aus der lebendigen Darstellung Niekischs hervor ("Das Reich der
niederen Dämonen", zur damaligen Zeit geschrieben).

ZITATNiekisch Anfang

....
Einige Professoren allerdings hatten noch rechtzeitig verstanden, daß
man ein vollgültiger Nationalsozialist nur im Rahmen des Formats sein
könnte, das dem Faschismus angemessen war, und mit einem
entschlossenen Streich hackten sie sich das geistige Übermaß ab, das
von nun an doch nur gestört hätte. So stellten sie den vollen Kontakt
mit der Parteibewegung her; sie verschmolzen mit ihr und durften
infolgedessen für sie das Wort ergreifen. Nur diese Professoren waren
bis in die Wolle nationalsozialistisch gefärbt, nur für sie war der
Nationalsozialismus mehr als der braune Anstrich, den die
Zeitumstände vorschrieben.

Der Staatsrechtslehrer Carl Schmitt, der Philosoph Alfred Baeumler,
der Pädagoge Ernst Krieck waren wahrscheinlich die bemerkenswertesten
Figuren dieser Art; sie sprangen im Handumdrehen in die Bresche, als
das Dritte Reich nach akademischen „Richtmännern" Bedarf hatte. Es
geschah in der Tat im Handumdrehen: denn Schmitt und Baeumler waren
„Jahrgang 1933", und Krieck war günstigstenfalls ein „Veteran" des
Jahres 1931. Wohl waren auch die „Märzgefallenen" Schmitt und
Baeumler schon seit einiger Zeit vorher auf der Lauer gelegen, den
Anschluß nicht zu versäumen und hatten auf Umwegen ihre Verbindungen
gesucht; den Fall indes taten sie erst, als sie sicher waren, in
einem warmen Nest zu landen.

In Carl Schmitt gewann der Nationalsozialismus seinen zweifellos
glänzendsten Geist; der Erwerb war für ihn kostbar genug, um sich die
Freude daran durch die vieldeutige Vergangenheit dieses Kopfes nicht
verderben lassen zu brauchen. Schmitt ist nach seinen Worten „Römer
durch Sprache, Herkunft und Recht"! So deutete er selbst seine
romanische Abstammung und sein katholisches Religionsbekenntnis,
seine Vorliebe für lateinische und französische Literatur, seinen
Beruf als Lehrer des römischen Rechtes aus. Sein sozialer Auftrieb
ist ungeheuer. Nicht sogleich war er erfolgreich; es gibt eine
läppische Jugendschrift „Schattenrisse" von ihm, die noch in keiner
Hinsicht die „Krallen des Löwen" zeigt. Aber schon sein Büchlein
„Römischer Katholizismus und politische Form" besticht durch
feuilletonistischen Charme und eine für Deutschland ungewöhnliche
Eleganz des Stils. Juden, die sich einen Leckerbissen selten entgehen
lassen, nahmen sich seiner an; der Nationalökonom M. J. Bonn wurde
sein Freund und verschaffte ihm zuerst den Ruf von dem verlorenen
Greifswald an die Universität Bonn und danach an die
Handelshochschule Berlin. Schmitt widmete jüdischen Förderern Bücher
und verweigerte jüdischen Verfassern nirgends die Dankespflicht, sie
zu zitieren, wo sie ihn belehrt hatten.

Er ist ein lateinisch streng und zuchtvoll geschulter Geist und hat
einen stark entwickelten Sinn für die Bedeutung der großen Form. Er
gab dem politischen Katholizismus Anlaß, große Hoffnungen auf ihn zu
setzen; als frommer Sohn der Kirche hielt er enge Fühlung mit der
katholischen Zentrumspartei. Trotzdem löste er gegen das Gebot seiner
Kirche seine erste Ehe; als sie ihm den Dispens verweigerte, überkam
ihn, einen anderen Heinrich VIII., das dämonische Gelüste, es ihr
heimzuzahlen. Aus dem religiösen Katholiken wurde ein säkularisierter
Katholik: den Formen des lateinischen Denkens, dem antigermanischen
Affekt und Barbarenhaß des Römers blieb er dessenungeachtet, weil sie
ihm im Blute saßen, treu.

In diesen Jahren entfaltete sein blendender Geist seine höchste
Fruchtbarkeit. Was Hitler im Instinkt hatte, das erfaßte Schmitt mit
der Schärfe seines Verstandes: daß sich nämlich Deutschland in einer
Klassenkriegssituation befand. Vom Boden dieser Erkenntnis her
erschienen plötzlich alle Begriffe und Ideen, die wissenschaftlichen,
philosophischen, künstlerischen ebenso wie die unmittelbar
politischen in einem ganz neuen Licht — sie waren getarnte
Bürgerkriegswaffen, sie waren Verkleidungen des Bürgerkriegswillens.
Es war ungewöhnlich, wie hier ein bürgerlicher Gelehrter die Begriffe
und Ideen nicht mehr auf ihre sachlich-inhaltliche, geistig-abstrakte
Bedeutung hin, sondern allein nach ihrem
politisch-bürgerkriegsmäßigen Hintersinn befragte. Das Auge für diese
Sicht der Dinge war Schmitt wohl durch den Spanier Donoso Cortes
geöffnet worden.

Der konservative Aristokrat Cortes hatte die soziale
Auseinandersetzung zwischen dem europäischen Bürgertum und dem
europäischen Feudalismus unter dem metaphysischen Bilde des
kosmischen Kampfes zwischen Satan und Gott betrachtet. Es war
Schmitts Erkenntnisblitz, daß dieses Thema den Schlüssel zur
deutschen Lage in die Hand gebe. In seiner wirkungsreichsten Schrift
„Der Begriff des Politischen" definierte er das Politische als
Freund-Feind-Unterscheidung.
Hier traf er sich von seinem bürgerlich-katholischen Ausgangspunkt
aus mit Karl Marx in der gleichen Einsicht. Einen Augenblick
schwankte er, zu welcher Front er sich praktisch schlagen solle. Er
las Marx und auch Lenin und verbat sich das verbohrte
deutschnationale Geschwätz gegen den Marxismus; man solle es sich
überlegen, sagte er damals gelegentlich, ob man nicht selbst Marxist
werden müsse. Indes war er für Rom, nicht für Moskau geboren; schon
zog ihn der Magnet Hitler an. Nur langsam und allmählich freilich
bewegte er sich dem Ort zu, für den er vorherbestimmt war. Wie Hitler
suchte er festen Halt in der Reichswehr zu gewinnen; er nahm
persönliche Beziehungen zu Generalen auf. Die autoritäre Regierung
bestach ihn so sehr, daß er sich trotz seines Zerwürfnisses mit der
Katholischen Kirche auf die Seite des autoritären Kanzlers Brüning
schlug. In die nationalsozialistischen Außenwerke trat er ein, als
ihn vorübergehend Otto Strasser und Ludendorff fesselten. Otto
Strasser war der kultivierte Demagoge; er war eine Sprosse hinab zu
Hitler, aber er war sozial seriöser. Schmitt ging zu Ludendorff in
die Schule, als er entschlossen war, vom hohen Niveau der liberalen
und katholisch-humanen Geistigkeit in die faschistische Primitivität
hinunterzusteigen. Als Katholik war er für das sacrificium
intellectus vorbereitet, und die überstaatlichen Mächte, Jude,
Freimaurer und Jesuit, waren nur die Absurditäten, die dem völkischen
Glauben ähnlich eigentümlich sind, wie Jungfrauengeburt, Himmelfahrt
und päpstliche Unfehlbarkeit dem christlich-katholischen. Wen sein
christliches Bekenntnis an das credo quia absurdum est gewöhnt hat,
der versagt schließlich dieselbe Glaubensunerschrockenheit auch nicht
einer völkisch-rassischen Weltanschauung, sobald er Gründe hat, sich
ihr zuzuwenden.

Noch freilich, bevor er endgültig in den nationalsozialistischen
Hafen einlief, segelte Schmitt unter dem autoritären Wind der
deutschnationalen Staatsführung. Er vertrat vor dem Staatsgerichshof
die staatsstreicherische Regierung Papen gegen die klägerischen
Länder Preußen und Bayern. Kaum hatte es Hitler geschafft, war auch
Schmitt so weit: so rechtzeitig schlüpfte er noch durch die Tore des
Dritten Reiches, daß er nicht übersehen werden konnte, als dieses
einen Kronjuristen brauchte. In einer erstaunlichen Weise war Schmitt
der politischen Realität immer gerade um eine Nasenlänge voraus.
Infolgedessen war er geistiger Quartiermacher, der sich durch seine
Vorsorge und Umsicht die Dankbarkeit jedes einzelnen Stadiums der
großen bürgerlichen Restaurationsbewegung erwarb und der sich dabei
selbst jedesmal vorteilhaft placieren konnte. Allerdings brach er
dann, sooft ein neuer Vorstoß fällig war, vor Tag zum nächsten Ziele
auf; er blieb so ein Wegbereiter. Indem er regelmäßig den Ablauf der
Dinge durch seine „Ortsveränderungen" vorankündigte, war er weniger
Soldat - er hatte sich den Weltkriegsschlachten so ferngehalten wie
den Saalschlachten - als vielmehr der Diplomat, der durch nichts
überrascht wurde und überall seine Hand im Spiele hatte.

Schmitt hatte die Bürgerkriegssituation durchschaut, als mit der
Erschütterung des Gleichgewichts der Klassenkräfte die Weimarer
Republik ins Abgleiten geriet. Er bemerkte, daß dem Dritten Reich die
Tendenz innewohne, sich als weltliche Kirche zu organisieren und
fühlte, wie sehr er dafür der rechte Mann sei. Rom lebt auch im
laizistischen Katholizismus. Es läßt sich eine römische Kirche ebenso
auf dem Grunde eines völkischen wie eines christlichen Dogmas
errichten, ohne daß sich der Unterschied in den Grundlinien und
Umrissen des Baues zu zeigen braucht. Rom war das große Vorbild, in
dessen Anschauung und Ehrfurcht Schmitt großgeworden war; ein
römisch-lateinisches Kirchengebilde sollte das Reich werden, dem er
seinen juristischen Verstand zur Verfügung stellte. Er wußte, was das
Dogma für eine Kirche bedeutet; ihm bereitete kein völkischer
Wahnwitz Pein, da er zu sehr Katholik war, um es nicht für alle
Zeiten in sich zu haben, daß es nicht darauf ankommt, was man glaubt,
sondern darauf, daß man glaubt. Die Kirche steht um so fester, je
handgreiflicher, buchstäblicher und massiver der Glaube ist; die
Vergeistigung des Glaubens ist schon ein halber Abfall. Darum schloß
sich Schmitt der Richtung des krassesten und hanebüchensten
Antisemitismus an.

Ende Teil 1
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