Das trennt Carl Schmitt von Alfred Baeumler. Baeumler war
ursprünglich Altkatholik sudetendeutscher Abstammung; ein kleines
Stachellöcken, ein schwaches germanisches Aufbegehren gegen Rom war
seine erbliche Mitgift. Doch war er immer noch Katholik genug, um dem
Affekt gegen Luther und Bismarck, gegen Reformation und Preußen
verfallen zu sein. Er wollte von jeher hinter Potsdam und Wittenberg
zurück, und immer war dabei zu fühlen, daß er Königgrätz nie
verwunden hatte. Nicht von Anfang an war er sich völlig klar darüber,
wo er bei seinem geschichtlichen Krebsgang haltmachen sollte. Zuerst
konnte sich sein reaktionärer Impuls nicht genugtun; die dunklen Tage
des Mutterrechts lockten ihn; er schrieb damals die Einleitung zur
Bachofen-Ausgabe, das Beste, was ihm je gelang. Germanische und
griechische Vorzeit verschwammen ihm da in eins. Nach diesem
reinigenden und erleichternden Kopfsprung in die geschichtslosen
Jahrtausende überkam ihn allerdings das Verlangen nach dem festen
Land des Patriarchats. Von Bachofen wechselte er zu Nietzsche
hinüber. Die heidnischen Götter der antiken wie der germanischen
Oberschichten waren zugleich die Götter, die Nietzsches blonde Bestie
verehrte: geschichtlich und philosophisch tiefer ließ sich das
Herrentum kaum noch verwurzeln. Mit pathetisch-komischem Ernst
verkündete Baeumler seine Lehre des Heroismus und des Männerbundes.
Als Baeumler wahrnahm, daß das Bürgertum begehrlich nach den
feudalmittelalterlichen Herrschaftsformen hinschielte, überwand er
die Abneigung, die er bisher gegen den christlichen Geschichtsraum
empfunden hatte und zeichnete die großen Kaiser der deutschen
Frühgeschichte in seinen Heldenkalender ein. Zeus und Wotan nahmen
den Heiland, Achill und Arminius Otto I. als ihresgleichen auf.
Germanische Ressentiments gegen jüdischen Geist und römische Macht,
antik-griechische Herrenromantik, Bachofensche mythenreiche Chthonik,
Nietzschesche Zarathustrahysterie, platonisch-georgesche Knabenliebe,
altösterreichische Reichsmystik, katholisch-universalistische
Erinnerungshorizonte flössen zusammen und vermischten sich zu einem
völkisch-rassischen Weltbild besonderer Prägung. So eingleisig und
einschneidend antisemitisch, so logisch, kalt und klar Schmitts
„völkische" Weltanschauung war, so kunterbunt und mannigfaltig, so
phantasievoll zusammengerührt, so intuitiv unlogisch war diejenige
Baeumlers. Der Gegensatz beruht aber darin nicht allein: Schmitt
stand unverrückbar am lateinisch-römischen Pol; Baeumler konstruierte
dagegen die schillernde Einheit eines griechisch-germanischen
Gegenpols, der dann zum Schluß auch noch den katholisch-imperialen
Gedanken der Universalität in sich einbezog.
Für Schmitt sollte das Dritte Reich das genaue Abbild der
Katholischen Kirche sein; das völkische Element war lediglich die
weltlich-materielle Substanz, die an Stelle der
christlich-spirituellen in die Schale des Dogmas gelegt wurde. Der
Strang ins Übersinnliche, könnte man sagen, war abgeschnitten und an
ein diesseitiges Kraftnetz angeschlossen. Ein germanisches Mißtrauen
blieb freilich immerzu gegen Schmitts Spielart des völkischen Dogmas
wach, das der Nationalsozialismus gegen seinen Kronjuristen nie ganz
überwand. Baeumler beugte einem solchen Mißtrauen, das sich auch
gegen ihn hätte erheben können, vor, indem er die
katholisch-universalistischen Tendenzen seiner völkischen
Weltanschauung unter nördlicher Mythologie und germanischer
Geschichtslegende begrub. Baeumlers „völkischer" Katholizismus
befriedigte die empfindlichsten germanischen Bedürfnisse; hier ging
Baeumler mit Rosenberg Arm in Arm.
Wenn der Protestantismus die germanische Form war, noch christlich zu
bleiben, ist der völkische Katholizismus die germanische Form, wieder
christlich-katholisch zu werden. Schmitt betrieb dabei die der
Großbourgeoisie genehme Restauration der katholisch-mittelalterlichen
Formenwelt wie ein lateinisch-römischer Legat, der äußerlich jede
Anpassung vollzieht, das Wesen der Sache jedoch streng und
unerschütterlich festhält; Baeumler hingegen war ein Alchimist, der
sich vermaß, aus jedem chthonisch-heidnischen Urstoff germanisches
Gold zu kochen.
Über den Mann Baeumler ist nicht viel zu sagen. Er ist ein
sprunghafter Geist, kein guter und kein tapferer Charakter. Er hat
das Äußere eines Gnoms und ist für seine Person weder heroisch noch
männlich. Unter den nordisch-strahlenden Siegfrieden, denen er den
Glauben liefert, der ihrem Rassebild schmeichelt, steht er wie ein
zwerghafter, düsterer Nibelung. In Uniform ist er eine Karikatur; er
feiert das soldatische Wesen, weil er es nicht hat. Er denkt nicht
systematisch, ihm kommen nur Einfälle. Jedem, der nicht mittut, der
nicht „glaubt", nimmt er es übel; es ist, als wittere er in ihm, für
den Fall eines späteren Umschwungs der Verhältnisse, einen Richter,
vor dem er nicht bestehen könnte. Nur noch Mitschuldige will er um
sich sehen; wer nicht mitschuldig ist, der bedrückt sein Gewissen. Er
fährt jedem an die Waden, der noch aufrecht einherschreitet; nach den
Märzwahlen 1933 bellte er in Wort und Schrift gegen Oswald Spengler,
ohne daß dieser unvergleichlich größere und sauberere Reaktionär auch
nur Notiz davon genommen hätte. Baeumler wurde in Berlin Fichtes
nationales Vermächtnis anvertraut, indem er auf den Lehrstuhl für
politische Pädagogik berufen wurde. Sein erstes war, daß er einen
Scheiterhaufen errichten und „unerwünschte Literatur" verbrennen
ließ: im Atheismusstreit hätte er an der Seite der Pfaffen gegen
seinen Vorgänger gegeifert. Im Ausgang des liberalen Zeitalters wuchs
er als kleine giftige Herbstzeitlose an derselben Stelle, auf der an
dessen Eingang der große, lautere Fichte geblüht hatte. Gegen Fichte
und auch gegen Hegel trumpft er mit Jahn auf; dieser wallende
Germanenbart hatte es schon geahnt, daß sich Turner leichter regieren
lassen als Denker. Die Schriftsteller, die Baeumler nicht wie ihre
Bücher in die Flammen werfen kann, denunziert er. Während Schmitt ein
Stratege der völkisch-katholischen Weltanschauung ist, ist Baeumler
ihr Heckenschütze. Von seinem Hinterhalt her schaut er nach
Ungläubigen aus, um sie dann zur Strecke zu bringen: er konnte es
kaum verschmerzen, daß er Ernst Jüngers „Arbeiter" nie recht ins
Schußfeld bekam.
ZITATNiekisch Ende ***
Carl Schmitt und Ernst Jünger waren natürlich not amused als sie das
Buch lasen. In ihrem Briefwechsel (erschienen erst vor wenigen
Jahren) tauschten sie ihre betont indignierten, bemüht
"feingeistigen" Kommentare über das Buch ab, von denen der einzig
verständliche von Schmitt war und in etwa lautete: "Niekisch fühlt
sich auch als Sieger, dies lies er mich klar spüren."
mfG
ursprünglich Altkatholik sudetendeutscher Abstammung; ein kleines
Stachellöcken, ein schwaches germanisches Aufbegehren gegen Rom war
seine erbliche Mitgift. Doch war er immer noch Katholik genug, um dem
Affekt gegen Luther und Bismarck, gegen Reformation und Preußen
verfallen zu sein. Er wollte von jeher hinter Potsdam und Wittenberg
zurück, und immer war dabei zu fühlen, daß er Königgrätz nie
verwunden hatte. Nicht von Anfang an war er sich völlig klar darüber,
wo er bei seinem geschichtlichen Krebsgang haltmachen sollte. Zuerst
konnte sich sein reaktionärer Impuls nicht genugtun; die dunklen Tage
des Mutterrechts lockten ihn; er schrieb damals die Einleitung zur
Bachofen-Ausgabe, das Beste, was ihm je gelang. Germanische und
griechische Vorzeit verschwammen ihm da in eins. Nach diesem
reinigenden und erleichternden Kopfsprung in die geschichtslosen
Jahrtausende überkam ihn allerdings das Verlangen nach dem festen
Land des Patriarchats. Von Bachofen wechselte er zu Nietzsche
hinüber. Die heidnischen Götter der antiken wie der germanischen
Oberschichten waren zugleich die Götter, die Nietzsches blonde Bestie
verehrte: geschichtlich und philosophisch tiefer ließ sich das
Herrentum kaum noch verwurzeln. Mit pathetisch-komischem Ernst
verkündete Baeumler seine Lehre des Heroismus und des Männerbundes.
Als Baeumler wahrnahm, daß das Bürgertum begehrlich nach den
feudalmittelalterlichen Herrschaftsformen hinschielte, überwand er
die Abneigung, die er bisher gegen den christlichen Geschichtsraum
empfunden hatte und zeichnete die großen Kaiser der deutschen
Frühgeschichte in seinen Heldenkalender ein. Zeus und Wotan nahmen
den Heiland, Achill und Arminius Otto I. als ihresgleichen auf.
Germanische Ressentiments gegen jüdischen Geist und römische Macht,
antik-griechische Herrenromantik, Bachofensche mythenreiche Chthonik,
Nietzschesche Zarathustrahysterie, platonisch-georgesche Knabenliebe,
altösterreichische Reichsmystik, katholisch-universalistische
Erinnerungshorizonte flössen zusammen und vermischten sich zu einem
völkisch-rassischen Weltbild besonderer Prägung. So eingleisig und
einschneidend antisemitisch, so logisch, kalt und klar Schmitts
„völkische" Weltanschauung war, so kunterbunt und mannigfaltig, so
phantasievoll zusammengerührt, so intuitiv unlogisch war diejenige
Baeumlers. Der Gegensatz beruht aber darin nicht allein: Schmitt
stand unverrückbar am lateinisch-römischen Pol; Baeumler konstruierte
dagegen die schillernde Einheit eines griechisch-germanischen
Gegenpols, der dann zum Schluß auch noch den katholisch-imperialen
Gedanken der Universalität in sich einbezog.
Für Schmitt sollte das Dritte Reich das genaue Abbild der
Katholischen Kirche sein; das völkische Element war lediglich die
weltlich-materielle Substanz, die an Stelle der
christlich-spirituellen in die Schale des Dogmas gelegt wurde. Der
Strang ins Übersinnliche, könnte man sagen, war abgeschnitten und an
ein diesseitiges Kraftnetz angeschlossen. Ein germanisches Mißtrauen
blieb freilich immerzu gegen Schmitts Spielart des völkischen Dogmas
wach, das der Nationalsozialismus gegen seinen Kronjuristen nie ganz
überwand. Baeumler beugte einem solchen Mißtrauen, das sich auch
gegen ihn hätte erheben können, vor, indem er die
katholisch-universalistischen Tendenzen seiner völkischen
Weltanschauung unter nördlicher Mythologie und germanischer
Geschichtslegende begrub. Baeumlers „völkischer" Katholizismus
befriedigte die empfindlichsten germanischen Bedürfnisse; hier ging
Baeumler mit Rosenberg Arm in Arm.
Wenn der Protestantismus die germanische Form war, noch christlich zu
bleiben, ist der völkische Katholizismus die germanische Form, wieder
christlich-katholisch zu werden. Schmitt betrieb dabei die der
Großbourgeoisie genehme Restauration der katholisch-mittelalterlichen
Formenwelt wie ein lateinisch-römischer Legat, der äußerlich jede
Anpassung vollzieht, das Wesen der Sache jedoch streng und
unerschütterlich festhält; Baeumler hingegen war ein Alchimist, der
sich vermaß, aus jedem chthonisch-heidnischen Urstoff germanisches
Gold zu kochen.
Über den Mann Baeumler ist nicht viel zu sagen. Er ist ein
sprunghafter Geist, kein guter und kein tapferer Charakter. Er hat
das Äußere eines Gnoms und ist für seine Person weder heroisch noch
männlich. Unter den nordisch-strahlenden Siegfrieden, denen er den
Glauben liefert, der ihrem Rassebild schmeichelt, steht er wie ein
zwerghafter, düsterer Nibelung. In Uniform ist er eine Karikatur; er
feiert das soldatische Wesen, weil er es nicht hat. Er denkt nicht
systematisch, ihm kommen nur Einfälle. Jedem, der nicht mittut, der
nicht „glaubt", nimmt er es übel; es ist, als wittere er in ihm, für
den Fall eines späteren Umschwungs der Verhältnisse, einen Richter,
vor dem er nicht bestehen könnte. Nur noch Mitschuldige will er um
sich sehen; wer nicht mitschuldig ist, der bedrückt sein Gewissen. Er
fährt jedem an die Waden, der noch aufrecht einherschreitet; nach den
Märzwahlen 1933 bellte er in Wort und Schrift gegen Oswald Spengler,
ohne daß dieser unvergleichlich größere und sauberere Reaktionär auch
nur Notiz davon genommen hätte. Baeumler wurde in Berlin Fichtes
nationales Vermächtnis anvertraut, indem er auf den Lehrstuhl für
politische Pädagogik berufen wurde. Sein erstes war, daß er einen
Scheiterhaufen errichten und „unerwünschte Literatur" verbrennen
ließ: im Atheismusstreit hätte er an der Seite der Pfaffen gegen
seinen Vorgänger gegeifert. Im Ausgang des liberalen Zeitalters wuchs
er als kleine giftige Herbstzeitlose an derselben Stelle, auf der an
dessen Eingang der große, lautere Fichte geblüht hatte. Gegen Fichte
und auch gegen Hegel trumpft er mit Jahn auf; dieser wallende
Germanenbart hatte es schon geahnt, daß sich Turner leichter regieren
lassen als Denker. Die Schriftsteller, die Baeumler nicht wie ihre
Bücher in die Flammen werfen kann, denunziert er. Während Schmitt ein
Stratege der völkisch-katholischen Weltanschauung ist, ist Baeumler
ihr Heckenschütze. Von seinem Hinterhalt her schaut er nach
Ungläubigen aus, um sie dann zur Strecke zu bringen: er konnte es
kaum verschmerzen, daß er Ernst Jüngers „Arbeiter" nie recht ins
Schußfeld bekam.
ZITATNiekisch Ende ***
Carl Schmitt und Ernst Jünger waren natürlich not amused als sie das
Buch lasen. In ihrem Briefwechsel (erschienen erst vor wenigen
Jahren) tauschten sie ihre betont indignierten, bemüht
"feingeistigen" Kommentare über das Buch ab, von denen der einzig
verständliche von Schmitt war und in etwa lautete: "Niekisch fühlt
sich auch als Sieger, dies lies er mich klar spüren."
mfG