Der Autor hätte mal besser einen Blick über den anderen nationalen Gartenzaun in die Schweiz werfen sollen und seine Sichtweise nicht auf Wahlen beschränken sollen.
Im Parlamentarismus ist es in der Tat so, dass unverbindliches Dem-Volke-nach-dem-Mund reden sehr gut verfängt, weil es bei Wahlen gar nicht um Sachentscheidungen geht, auch wenn die Parteien und die bpb mit ihrem schwachsinnigen Wahl-o-mat Gegenteiliges suggerieren. Weil die Entscheidung des Wahlvorganges sachpolitisch so unverbindlich ist - nicht selten wird hinterher genau das Gegenteil des Versprochenen gemacht - kann das berühmte Blaue vom Himmel versprochen werden, ganz besonders bei der Opposition, die immer alles besser weiß und vorgibt besser machen zu können als die Regierung.
Ganz anders bei Volksentscheiden. Hier geht es immer um konkrete in Gesetzesform gegossene Sachentscheidungen. Und so verbindlich das Ergebnis ist, um so verbindlicher müssen die Argumente Pro oder Contra sein. Da ist es weitaus schwieriger zu überreden statt zu überzeugen. Denn eins nimmt der Stimmbürger sehr übel: wenn man ihn verarscht oder nicht ernst nimmt. Und wenn der Volksentscheid nicht mit Wahlen gekoppelt wird, dann gehen auch nur die hin denen die Frage 1. wichtig ist und die 2. sich eine Meinung dazu gebildet haben. Da führt dazu, dass diejenigen denen die Frage 1. nicht wichtig ist und die 2. zu faul, dumm oder beides sind sich eine Meinung zu bilden zu Hause bleiben, sich also der Stimme enthalten.
Hinzu kommt, dass nicht irgendwelchen Politrattenfängern für vier Jahre eine Blankovollmacht erteilt wird, sondern immer nur in einer Sachfrage mit begrenzten Machtfolgen abgestimmt wird, sprich: beim nächsten Volksentscheid kann das Volk schon wieder ganz anders stimmen. Und das Volk kann das was Politiker bei Wahlen versprochen haben und wie sie es umsetzen effektiv kontrollieren, womit selbst Wahlen demagogisch und machtpolitisch entschärft werden.
Leider ist nur wenigen Kritikern der (direkten) Demokratie dieser fundamentale Unterschied bekannt, weswegen von diesen vom Versagen des Parlamentarismus auf das vorgebliche Versagen der (direkten) Demokratie geschlossen wird. Meist ohne jegliche theoretische Kenntnis über oder empirische Erfahrung mit (direkter) Demokratie.
So ist es historisch auch kein Wunder, dass sich ein Rattenfänger wie Hitler nur kurz an der (direkten) Demokratie versucht hat und dann voll auf die parlamentarisch Karten gesetzt hat. Bei Wahlen war er dann so erfolgreich, dass er zwar in freien Wahlen nie eine Mehrheit im Parlament hatte, aber es reichte um per Notverordnung zum Kanzler ernannt zu werden. Der Rest ist Geschichte.