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  • Goerlitzer

mehr als 1000 Beiträge seit 30.11.2007

Der Beitrag ist transatlantische Schlicht-Propaganda

Niemand käme auf die Idee, den Briten oder Franzosen ihren europäischen Charakter abzusprechen, weil sie grosse Kolonialreiche aufbauten und bis heute überseeische Gebiete zu ihrem Staatsgebiet zählen.

Russlands Eroberung Sibiriens und des Fernen Ostens war ähnlich wie der westeuropäische Kolonialismus von Handelsinteressen geleitet. Allerdings war Russland vor allem aus klimatischen Gründen nicht in der Lage, die riesigen Gebiete Nord- und Mittelasiens mit entsprechender Siedlungstätigkeit, so wie Nordamerikan, komplett zu europäisieren. Deshalb war man darauf angewiesen, die ansässigen fremden Stämme und Völker, vor allem natürlich ihre Eliten, zu kooptieren, während sie in Nordamerika ausgerottet wurden.

Aber auch das ändert nichts daran, dass "Russland ein europäischer Staat" (Bundeszentrale für politische Bildung) geblieben ist. Das gilt für die christliche Prägung, die über Jahrhunderte enge Verbundenheit mit der Kultur des westlichen Europas, speziell Deutschlands, und das gilt nicht zuletzt für das historisch-politische Selbstverständnis der überwiegenden Mehrheit der Russen und ihrer politischen Elite, Dungin zum Trotz.

Entgegen dem Eindruck, den der Autor zu wecken versucht, war Russland nie das Einfallstor Asiens in Europa, sondern im Gegenteil eher ein europäisches Bollwerk. Die Mongolenherrschaft zerfiel nicht zuletzt durch die neue Reichsbildung unter Iwan III unter Führung Moskaus. Die kleinen christlichen Länder südlich des Kaukasus konnten der Islamisierung nur durch russisches Protektorat widerstehen. Bei der Zurückdrängung des Osmanischen Reichs aus Europa spielte Russland die zentrale Rolle.

Tatsächlich kann man in der aktuellen russischen Politik imperiale Züge erkennen. Putins Kritik an Lenins föderalistischen Staatsaufbau ohne Berücksichtigung ethnisch-sprachlicher Grenzen und seine Bezugnahme auf Peter d. Gr. ist in der Tat zu problematisieren. Das ändert aber nichts daran, dass erst durch den rechten Putsch 2014, den Aufbau der Ukraine zu einem Frontstaat gegen Russland und die Diskriminierung der Russisch-Sprachigen unter massiver Mitwirkung der Nato eine Konstellation entstanden ist, die Russland zu diesem Krieg wenn auch nicht gezwungen, so do veranlasst hat.

Dass darüberhinaus sich in Russland Widerstand gegen die rein utilitaristische, vom Geldwert her bestimmte Weltsicht unter anglo-amerikanischer Hegemonie regt, macht Russland keineswegs zum europäischen Aussenseiter. Dieses Unbehagen teilen die Russen mit vielen anderen Menschen in der östlichen und südlichen Peripherie Europas.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.06.2022 09:10).

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