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  • Der Psychater

406 Beiträge seit 05.04.2020

Ich denke, es ist eine Hassliebe, also eher verwirrtes Dramaqueen-Gehabe

Die russischen Klischees über Westeuropa entsprechen zum Teil den arabisch-türkisch-iranischen. Europa, und noch mehr die USA, als westeuropäischer Fortsatz gelesen, werden dort klischeehaft verachtet wegen ihrer spirituellen und damit einhergehenden intellektuellen Armseligkeit. Das Christentum wird als spirituell und deshalb auch kulturell flacher angesehen. Die Fixierung auf materielle Werte macht den Westen zwar reich und mächtig, aber zugleich herrscht ein Mangel an Vision, welche auf spirituelle Werte fußt. Man beneidet zwar den Wohlstand, die westliche Oberflächlichkeit jedoch verachtet man und fühlt sch ihretwegen erhaben.

Ich denke, Russland (wie auch der arabisch-türkisch-iranische Raum) war stets zerrissen zwischen westlicher und eigener Identität. Peter der Große, Lenin und die russische Revolution, auch die Sowjetzeit, das waren Zeitalter der westlichen Oriertierung. Das 19. Jahrhundert war offensichtlich eher das Zeitalter der Besinnung auf sich selbst.
Putin verkörpert diese Zerrissenheit, changiert er doch ständig zwischen dem Hass auf den Liberalismus, dem Primat der Autokratie und dem Willen Anschluss an Westeuropa zu finden, den Reichtum und das Höfische zu kopieren, im Materialismus dem Westen ebenbürtig zu sein.

Ich halte nicht viel von diesen Schubladen. Es gibt gar kein homogenes Westeuropa, die westeuropäischen Staaten sind schon ziemlich unterschiedlich, erstaunlich, dass es ihnen gelungen ist, sich halbwegs zusammenzuraufen. Was mir auffällt: Putin hat gar keine Vision, seine Zukunft ist das Mittelalter, die frühe Neuzeit, das 19. Jahrhundert. Epochen, bei denen die Westeuropäer froh sind, sie halbwegs überwunden zu haven. Wie Putin mit seiner Restauration, seiner Rückwärtsgewandtheit, seinem reaktionären Denken meint, überlegen zu sein, das entspringt wohl einer ähnlichen mentalen Pathologie wie derjenigen von Trump. Auf viele Russen (vor allem gebildete in den urbanen Zentren) macht das offenbar eher einen abschreckenden Eindruck. So völlig verschieden ist Westeuropa (und USA) von Russland also eher doch nicht. Im Grunde sind Trump und Putin sich ähnlich, dazu gesellen sich diverse osteuropäische Parteien, drumherum diverse westeuropäische rechtsradikale Parteien. Sie alle eint eine Verachtung von Werten, die seit Ende des zweiten Weltkrieges Europa in sich und nach außen mit den USA zusammengehalten haben.

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