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6 Beiträge seit 28.10.2005

Hippokrates und Co

Fool_on_the_Hill schrieb am 28. Oktober 2005 10:26

> ElMarkus schrieb am 28. Oktober 2005 9:02
> > ... der Weltbevölkerung wegen eines formalen, juristischen
> > Urheberanspruchs verrecken zu lassen, ist dann wohl Massenmord.

> Da machst Du es Dir aber etwas zu einfach.
> Wobei Du im Prinzip natürlich recht hast - aber nur im Prinzip, ich
> mache das mal an zwei Beispielen klar:

> 1) da hättest Du recht: Ein Unternehmen lässt aus taktischen Gründen
> ein Patent, das helfen kann Menschleben zu retten, im Tresor
> verschwinden.

Ok, sind wir einer Meinung.. Das ist wirklich der extremste und
deutlichste Fall.

> 2) da sehe ich es anders: Ein Unternehmen produziert diese Gut und
> verlangt dafür einen "marktüblichen" Preis. Das ist das gute Recht
> dieses Unternehmens, schliesslich hat es für Lizenzen bze.
> Forschungsarbeit selber viel investiert und das will refinanziert
> werden - so läuft das halt. Wenn bestimmte Nutzniezer dieses
> Produktes das Geld nicht aufwenden können um sich dieses Produkt zu
> leisten, so ist dies zwar schade, aber (sorry wenn das zynische
> klingen mag) "That´s Live".

Warum gilt für Mediziner dann eine andere Regelung ? Ein Mediziner
ist verpflichtet, Menschenleben zu retten, auch wenn er dafür nicht
entlohnt wird, gleichwohl ein Arzt natürlich auch ein Recht auf
Entlohnung hat. Hier greifen relativ hoch angelegte moralische
Grundsätze, die sogar vereidigt werden.

IMHO sollten solche Grundsätze auch verpflichtend für die
Pharmaindustrie gelten. Natürlich dürfen und sollen die Gewinn mit
ihren Produkten machen. In diesem Punkt ist jedem klar: Kommerz ist
der Antrieb für Innovation. Aber im Angesicht einer Epidemie oder
Pandemie - ob es sich bei der Vogelgrippe um eine solche handelt mal
dahingestellt - muss dieses Denken eben höheren moralischen
Grundsätzen weichen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die
Pharmaindustrie die Last allein tragen muss. Ganz klar müssen Staaten
auch dafür sorgen, dass wieder Geld in die Kassen der Pharmabetriebe
fließt, damit diese nicht letztlich Opfer ihrer guten Medikamente
werden. Im Konkreten Fall geht es darum, dass Roche den Bedarf
nichtmals selbst decken KANN. Durch die zeitweilige Lizensierung der
Herstellungsverfahren entsteht Roche also kein direkter Verlust,
sondern nur ein Verlust durch eine gewinn-erzielende Konkurrenz. Dem
gegenüber stünde aber ein ordentlicher Ansehensgewinn - bessere
Werbung gibt's doch kaum...

> Eine Mercedes-Benz S-Klasse hat ein unglaubliche passive und aktive
> Sicherheit im Vergleich zu Kleinwagen, u.a. dank patentierter
> Technik. Natürlich kann sich nicht jeder ein solches Auto leisten -
> gleichwohl stiege die Lebenserwartung jedes Autofahrers im
> statistischen Schnitt, wenn jeder diesen Wagen hätte (ist nur ein
> abstraktes Beispiel ;-)). Würdest Du jetzt ernsthaft fordern,
> Mercedes zu enteignen und (wie auch immer finanziert) S-Klassen
> unters Volk zu werfen, da die mutwillige Senkung der statistischen
> Lebenserwartung durch die Gesellschaft ein potentieller Mord ist -
> Sicher nicht.

Nein, das Argument zieht nicht. Würdest Du einen Arzt akzeptieren,
der einen Mann am Straßenrand verbluten lässt, weil dieser keine
Krankenkassenkarte dabei hat ? Hier geht es um das DIREKTE Überleben
von Menschen, nicht um indirekte, hypothetische Sicherheit, die in
Wahrscheinlichkeiten auftritt.

Autofahrer: Begibt sich wissentlich in Unfallgefahr durch Eintritt in
den Straßenverkehr. Er akzeptiert dieses Risiko. Ein Unfall, der nur
"vielleicht" eintritt, kann mit gewissen Wahrscheinlichkeiten
abgemildert werden, wenn er dann ein gutes Auto fährt. Weiterhin
sorgen staatliche Mechanismen auch hier für ein Mindestmaß an Schutz
(TÜV-Vorschrift etc.) - also regiert auch hier nicht nur blanker
Kommerz !

Tödliche Krankheit: Ein Mensch erkrankt in der Regel ohne eigenes,
bewusstes Zutun. Er ist wehrlos gegenüber seiner Erkrankung. Eine
medizinische Fehlversorgung ist mit sicherheit(!) tödlich.

Dein Vergleich hinkt also.

> > durch Patente monopolisiert hätten ? Ganz zu schweigen von
> > Erfindungen wie Penicilin, Benzin, Funksender etc. (bzw. deren
> > Herstellverfahren). Patente werfen die Menschheit immer mehr zurück,
> > als sie ihr helfen.

> Weil sich eben doch Geld verdienen lässt - auch in der "dritten" Welt
> gibt es viele potente Kunden, dies ist zwar nicht die Maße, reicht
> aber für gewisse Umsätze - Touristen etc. aus der "ersten" Welt nicht
> zu vergessen. Wenn ich bedenke, was bei meinem letzten
> Afrika-Aufenthalt für Malaria-Prophylace, Hepatitis A/B Immunisierung
> und eine Gelbfieberschutzimpfung etc. bezahlt habe - mein Lieber, da
> muss eine alre Frau lange für stricken.

Naja, um die Entwicklungs und Produktionskosten eines Impfstoffes zu
decken gehört schon ein wenig mehr dazu, als die paar Afrika-Touris
pro Jahr. Es ist auch richtig, dass man dafür Geld bezahlen muss (und
eben nicht wenig, weil es halt kein Massenprodukt wie Aspirin ist).
Falsch wird die Sache erst dann, wenn in Afrika Leute an Malaria
sterben, weil deren Regierung lieber Waffen als Medizin kauft oder
eben, weil der Pharmahersteller das Verfahren nicht lizensieren will,
obwohl er selbst nicht genug Impfstoff zu bezahlbaren Preisen
herstellen kann.

> > Medikament gegen eine bestimmte Krankheit zu produzieren, so wird der
> > Konzern selbst zur Geißel der Menschheit. (Und der Anreiz, mal ein
> > paar Erreger dieser Krankheit in die freie Wildbahn zu entlassen,
> > wird dann sehr groß...)
> Unfug - nur HlR "darf" dieses Produkt produzieren, können tun es
> viele.

Das meinte ich freilich damit. Sie "können" nicht wegen juristischer
Vorbehalte. Technisch wird das wohl kein Problem sein. Das macht die
Sache ja so bitter.

> Sollte sich auf Basis von H5N1 ein vertitabler Virus-X entwickeln, so
> würde das Patent eh fallen, aber dann ist es schon zu spät.

Mh. Wo nix ist kann auch kein Patent sein.. Sarkastisch, aber wahr.
;)

> Das gegenteil von Gut ist gut gemeint. Viel zu groß ist die Gefahr in
> guter Absicht Unfug zu betreiben. Es muss eine sachliche Diskusion
> geführt werden, aber keine naive. Homus homini lupus est -
> Gutmenschentum ist zwar in gewisser Art und Weise sympatisch, hilft
> der Menscheit aber nicht weiter.

In einem gebe ich Dir recht: Sachlich sollte man immer bleiben, dafür
ist das Thema einfach zu wichtig. Ich finde aber nicht (und Du hast
das ja auch nicht unterstellt), dass ich unsachlich bin. Oder naiv.
Trotzdem bin ich offenbar sowas wie "gutmenschlich", was auch immer
das bedeutet. Ich finde, als Hippokrates definiert hat, wie sich
Mediziner verhalten sollen, war er verdammt "gutmenschlich",
keinesfalls aber naiv oder unsachlich. Ganz im Gegenteil. Jeder der
meint, Hippokrates hätte lieber schwören sollen: "Ich helfe nur, wenn
ein gewinnorientiertes Arbeiten für mich noch möglich ist" hat einige
Dinge in seiner Kindheit versäumt (Mutterliebe oder so.. ) ;)

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