LuisDeLirio schrieb am 29. November 2006 20:28
Die von Dir genannten Artikel der "ZEIT" (die ich übrigens abonniere)
leisten genau das, was der Starter dieses Threads, abed, zum
wiederholten Male nicht zuwege brachte: nämlich eine *differenzierte*
Kritik zu üben, die der Unterscheidung zwischen "Islam" und
"Islamismus" auch nur näherungsweise gerecht wird. Gehen wir ein paar
der Beispiele mal durch:
> »Dem Islam ist die Gewalt in die Wiege gelegt«
> http://www.zeit.de/2006/39/Interview-Meddeb?page=all
Hier bringt der Interviewte, Abdelwahab Meddeb, neben seiner Kritik
auch Beispiele für die religiöse Toleranz im islamischen Mitelalter:
"Während des gesamten Mittelalters gab es in den Metropolen wie
Bagdad berühmte literarische Salons, die von mäzenatischen Patriziern
und Kaufleuten unterhalten wurden und die kein anderes Ziel hatten,
als Christen, Juden und diverse Sekten, die in Glaubensfragen
überhaupt nicht einer Meinung waren, zusammenzubringen."
Er betont ferner, daß es mehr als eine Spielart des Islam gibt:
"diejenigen, die die Bekehrung mit dem Schwert und dabei alle
Ungläubigen töten wollen. Dann gibt es die anderen, die fordern,
endlich Schluss zu machen mit dem Zwang in der Religion."
Seine Kritikpunkte beziehen sich überwiegend auf muslimische
Reaktionsbildungen auf die Konfrontation mit der modernen westlichen
Welt und ist sich mit der Islamwissenschaften darin einig, daß die
islamistische Gewaltbereitschaft in dem speziellen historischen
Kontext einer Unterlegenheitserfahrung entsteht, wie sie erst in den
letzten paar hundert Jahren spürbar geworden ist. Sie ist eine
spezielle Mischung von ideologischem Konservatismus und technischer
Modernisierung, wie sie beispielsweise auch im Nationalsozialismus
und im italienischen und japanischen Faschismus gegeben war - eine
aggressive Reaktion auf die Herausforderungen der Moderne, denen man
als Verlierer gegenüber zu stehen fürchtet. Religion - oder gar eine
bestimmte Religion - ist hier nur ein Teil der explosiven Mischung.
Weiterhin differenziert der Autor auch bei der Deutung der
islamischen religiösen Doktrin. Einerseits kritisiert er: "Der Islam
hat viel zu lange versäumt, diese gefährliche Dimension seines
Glaubens offen zu diskutieren." Andererseits ist eine "gefährliche
Dimension" der islamischen Lehre immer noch nicht dasselbe wie das
"Wesen" des Islam insgesamt. Meddeb konstatiert ein Versagen der
religiösen Eliten von heute, die dem toleranten Verhalten der
islamischen religiösen Eliten im Mittelalter eben gerade nicht
entspricht: "Die protestierenden Massen zeigen, dass der offizielle
Staatsislam gescheitert ist und die alte Mediatorenrolle der
Geistlichen vor dem Bankrott steht. Sie haben Angst vor der
Entzauberung der eigenen Mythologie und Glaubensgrundlage durch
historische und wissenschaftliche Kritik. Deshalb schotten sie sich
ab".
Hier ist nicht von einem aggressiven Wesenskern des Islam schlechthin
die Rede, sondern von einer rückwärtsgewandten Strategie der
Besitzstandswahrung der Imame und Theologen. Genau denselbe Satz
könnte man auch auf einen Großteil der deutschen
Universitätsprofessoren der Weimarer Zeit prägen, die in Scharen als
einer der ersten Elitegruppen zum Nationalsozialismus übergelaufen
sind - aus einer vergleichbaren Strategie zur Verteidigung ihrer
eiunstmals privilegierten Stellung heraus (siehe Fritz K. Ringer,
"Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890 - 1933",
dtv 1987)
Schließlich spricht der Autor die Empfehlung aus, daß es sinnvoll
ist, die Muslime "nicht nur auf ihre Mängel an(zu)sprechen, sondern
sie an den ganzen Glanz ihrer Traditionen (zu) erinnern." Das
bedeutet nichts anderes als die Aufforderung, daß der Westen im Kampf
einer Mehrzahl verschiedener "Islame" für eine mit den modernen
Werten kompatible Lesart Partei ergreifen und diese muslimischen
Parteigänger aktiv unterstützen soll.
> Das Land der reinen Lehre
> In Saudi-Arabien ist der Islam so radikal wie nirgendwo sonst.
> Ölmilliardäre und Stiftungen exportieren ihn in die ganze Welt
> http://www.zeit.de/archiv/2002/40/200240_saudi-arabien.xml?page=all
Hier ist die Antwort noch einfacher: der Autor beschreibt eine sehr
spezielle, reaktionäre Spielart des Islam, den Wahhabismus, der
ebenfalls nicht irgendein "Wesen" des Islam repräsentiert, sondern
der seinen heutigen Einfluß und seine Prominenz ausschließlich den
wohlgefüllten Geldbeuteln der saudischen Scheichs verdankt, die seine
Missionstätigkeit fördern. Diese spezielle Konstellation ist gerade
mal ein halbes Jahrhundert alt.
> Die Fragen nach dem Bösen
> http://www.zeit.de/archiv/2002/47/ST-Meddeb?page=all
Ach, wie schön, Otto Kallscheuer. Den habe ich schon während meines
Studiums gelesen. Hier kritisiert er als deutscher Intellektueller
die seiner Ansicht nach zu zögerliche Kritik muslimischer
Intellektueller an einer weit verbreiteten muslimischen
Gewaltbereitschaft. Soll er. Denn er zweifelt nicht daran, daß es
sich lohnt, das Streitgespräch mit muslimischen Intellektuellen zu
suchen, und schon gar nicht an einer grundsätzlichen
Entwicklungsfähigkeit der muslimischen Welt.
> Dschihad gegen Diskotheken
> Nach dem Anschlag von Jakarta rüsten Indonesiens Islamisten weiter
> auf. Doch den Kampf um das Volk haben sie verloren
> http://www.zeit.de/2003/34/Indo-Islam?page=all
Hier erfahren wir Gründe dafür, warum der radikale Islamismus in
Indonesien ziemlich schlechte Chancen hat, mehrheitsfähig zu werden,
und daß es eine starke muslimische Gegenbewegung gegen die dortige
islamistische Gewalt gibt: "Einige wenige Radikale und extrem
orthodoxe Muslime führten in der Öffentlichkeit das große Wort –
obwohl die Masse ganz anders dachte. Entsprechend misstrauisch
blickte der Westen nach Indonesien. Um das zu ändern und seinen Islam
vor den Radikalen zu verteidigen, beschloss Ulil Abshar Abdallah
selber, ein wenig „militant“ zu werden. Er gründete ein Netzwerk
Liberaler Islam. Seitdem werben seine Mitglieder in Talkshows und
Zeitungen für Toleranz, Gleichberechtigung und die Trennung von Staat
und Religion."
Fazit: der Islam in Indonesien wehrt sich aus eigener Kraft
erfolgreich gegen Ansätze zu islamistischer Radikalisierung.
> Schule des Hasses auf dem Balkan
> http://www.zeit.de/archiv/2001/45/200145_bin_laden_in_bos.xml?page=al
> l
>
> Der importierte Hass
> http://www.zeit.de/2003/07/Islamismus_neu?page=all
Fazit dieses Artikels: Krieg macht Menschen gewalttätig, und diese
Militarisierung der Mentalitäten begünstigt kriegerische Lesarten
einer religiösen Doktrin vor friedlichen Lesarten. "Wie gründlich der
Krieg Bosnien verändert hat, wird erst heute erkennbar. (...) Nicht
nur erkoren radikale Islamisten aus aller Welt Bosnien zum
Schlachtfeld ihres Glaubens, ... zugleich suchten junge Bosnier ihr
Heil zunehmend in einem Islam des Hasses, den es in ihrem Land zuvor
nicht gegeben hat." Noch Fragen? Kein Wort davon, daß es etwa eine
inneres Gewaltpotential des Islams gewesen sei, daß die bosnischen
Muslime zum Krieg getrieben hätte. Sondern genau umgekehrt: der Krieg
treibt zur kriegerischen Lesart des Islam.
> Angriff aus dem Armenhaus
> Die Gewalt des Nahen Ostens bricht in die längst westlich geordnete
> Welt Istanbuls ein
> http://www.zeit.de/2003/48/T_9frkei?page=all
"Fest steht, dass die Front nicht zwischen dem türkischen Islam und
dem Westen oder zwischen Muslimen und Juden verläuft. Eher bricht der
Nahe Osten, einschließlich des türkischen Südostens (!), mit seinem
Elend, seiner Ausweglosigkeit und seiner Art von Politik in die
längst westlich geordnete Welt Istanbuls ein." Noch Fragen? Kein Wort
von einem Kulturkampf zwischen dem Islam und dem Westen oder dem
Christentum.
Hast Du, LuisDeLirio, die oben empfohlenen Artikel nun eigentlich
selbst gelesen? Und bist Du Dir sicher, daß Du ausgerechnet abed und
seinen Sermon a) verteidigen willst und b) mit DIESEN Quellen
verteidigen willst? Denn abed argumentiert von einem strikt
religiösen Standpunkt aus: er stellt eine angeblich kriegerisches
Wesen des Islam als solchen gegen ein angeblich friedliches Wesen des
Christentums als solchem. Als "Beweis" dient ihm seine
höchstpersönliche, eigene *Deutung* des Christentum: wenn es Gewalt
ist, dann ist es eben kein Christentum. Die religionssoziologische
Einsicht, daß dieselbe religiöse Doktrin zu unterschiedlichen Zeiten
an unterschiedlichen Orten zu höchst unterschiedlichen Deutungen der
Überlieferung und zu ebenso unterschiedlichen religiös legitimierten
Praktiken führen kann, geht ihm kilometerweit am Hintern vorbei.
Umd im Falle des Islam genügt ihm schlicht und ergreifend selektive
Wahrnehmung. abeds Vorgehensweise ist intellektuell zutiefst
unredlich und außerordentlich borniert. Er hat seine radikalen
Vereinfachungen gegen wissenschaftlich fundierte Kritik immunisiert.
Er ist ein religiöser Hetzer im Mäntelchen der Friedfertigkeit. Ich
glaube nicht, daß er mit der "ZEIT" viel anfangen kann.
> Bücher:
> Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute
> Walther L. Bernecker
>
> Reconquista und Heiliger Krieg.
> Alexander P Bronisch
>
> Die Reconquista.
> Derek W. Lomax
Angesichts Deiner Bezugnahme auf wissenschaftliche Literatur vermisse
ich in Deiner Bücherliste nun gänzlich die Islamwissenschaften:
Edward Said, Gilles Kepel, Oliver Roy, Bernard Lewis, Dan Diner,
Ernest Gellner, Bassam Tibi - um mal ein paar der bekanntesten zu
nennen. Insofern erscheint es mir auch ein wenig gewagt, wenn Du mir
- wie oben - Bildungslücken unterstellen möchtest - die haben wir
zwar alle, aber gemessen am Niveau dieses Forums bin ich hier
jederzeit konkurrenzfähig.
MfG
djadmoros
Die von Dir genannten Artikel der "ZEIT" (die ich übrigens abonniere)
leisten genau das, was der Starter dieses Threads, abed, zum
wiederholten Male nicht zuwege brachte: nämlich eine *differenzierte*
Kritik zu üben, die der Unterscheidung zwischen "Islam" und
"Islamismus" auch nur näherungsweise gerecht wird. Gehen wir ein paar
der Beispiele mal durch:
> »Dem Islam ist die Gewalt in die Wiege gelegt«
> http://www.zeit.de/2006/39/Interview-Meddeb?page=all
Hier bringt der Interviewte, Abdelwahab Meddeb, neben seiner Kritik
auch Beispiele für die religiöse Toleranz im islamischen Mitelalter:
"Während des gesamten Mittelalters gab es in den Metropolen wie
Bagdad berühmte literarische Salons, die von mäzenatischen Patriziern
und Kaufleuten unterhalten wurden und die kein anderes Ziel hatten,
als Christen, Juden und diverse Sekten, die in Glaubensfragen
überhaupt nicht einer Meinung waren, zusammenzubringen."
Er betont ferner, daß es mehr als eine Spielart des Islam gibt:
"diejenigen, die die Bekehrung mit dem Schwert und dabei alle
Ungläubigen töten wollen. Dann gibt es die anderen, die fordern,
endlich Schluss zu machen mit dem Zwang in der Religion."
Seine Kritikpunkte beziehen sich überwiegend auf muslimische
Reaktionsbildungen auf die Konfrontation mit der modernen westlichen
Welt und ist sich mit der Islamwissenschaften darin einig, daß die
islamistische Gewaltbereitschaft in dem speziellen historischen
Kontext einer Unterlegenheitserfahrung entsteht, wie sie erst in den
letzten paar hundert Jahren spürbar geworden ist. Sie ist eine
spezielle Mischung von ideologischem Konservatismus und technischer
Modernisierung, wie sie beispielsweise auch im Nationalsozialismus
und im italienischen und japanischen Faschismus gegeben war - eine
aggressive Reaktion auf die Herausforderungen der Moderne, denen man
als Verlierer gegenüber zu stehen fürchtet. Religion - oder gar eine
bestimmte Religion - ist hier nur ein Teil der explosiven Mischung.
Weiterhin differenziert der Autor auch bei der Deutung der
islamischen religiösen Doktrin. Einerseits kritisiert er: "Der Islam
hat viel zu lange versäumt, diese gefährliche Dimension seines
Glaubens offen zu diskutieren." Andererseits ist eine "gefährliche
Dimension" der islamischen Lehre immer noch nicht dasselbe wie das
"Wesen" des Islam insgesamt. Meddeb konstatiert ein Versagen der
religiösen Eliten von heute, die dem toleranten Verhalten der
islamischen religiösen Eliten im Mittelalter eben gerade nicht
entspricht: "Die protestierenden Massen zeigen, dass der offizielle
Staatsislam gescheitert ist und die alte Mediatorenrolle der
Geistlichen vor dem Bankrott steht. Sie haben Angst vor der
Entzauberung der eigenen Mythologie und Glaubensgrundlage durch
historische und wissenschaftliche Kritik. Deshalb schotten sie sich
ab".
Hier ist nicht von einem aggressiven Wesenskern des Islam schlechthin
die Rede, sondern von einer rückwärtsgewandten Strategie der
Besitzstandswahrung der Imame und Theologen. Genau denselbe Satz
könnte man auch auf einen Großteil der deutschen
Universitätsprofessoren der Weimarer Zeit prägen, die in Scharen als
einer der ersten Elitegruppen zum Nationalsozialismus übergelaufen
sind - aus einer vergleichbaren Strategie zur Verteidigung ihrer
eiunstmals privilegierten Stellung heraus (siehe Fritz K. Ringer,
"Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890 - 1933",
dtv 1987)
Schließlich spricht der Autor die Empfehlung aus, daß es sinnvoll
ist, die Muslime "nicht nur auf ihre Mängel an(zu)sprechen, sondern
sie an den ganzen Glanz ihrer Traditionen (zu) erinnern." Das
bedeutet nichts anderes als die Aufforderung, daß der Westen im Kampf
einer Mehrzahl verschiedener "Islame" für eine mit den modernen
Werten kompatible Lesart Partei ergreifen und diese muslimischen
Parteigänger aktiv unterstützen soll.
> Das Land der reinen Lehre
> In Saudi-Arabien ist der Islam so radikal wie nirgendwo sonst.
> Ölmilliardäre und Stiftungen exportieren ihn in die ganze Welt
> http://www.zeit.de/archiv/2002/40/200240_saudi-arabien.xml?page=all
Hier ist die Antwort noch einfacher: der Autor beschreibt eine sehr
spezielle, reaktionäre Spielart des Islam, den Wahhabismus, der
ebenfalls nicht irgendein "Wesen" des Islam repräsentiert, sondern
der seinen heutigen Einfluß und seine Prominenz ausschließlich den
wohlgefüllten Geldbeuteln der saudischen Scheichs verdankt, die seine
Missionstätigkeit fördern. Diese spezielle Konstellation ist gerade
mal ein halbes Jahrhundert alt.
> Die Fragen nach dem Bösen
> http://www.zeit.de/archiv/2002/47/ST-Meddeb?page=all
Ach, wie schön, Otto Kallscheuer. Den habe ich schon während meines
Studiums gelesen. Hier kritisiert er als deutscher Intellektueller
die seiner Ansicht nach zu zögerliche Kritik muslimischer
Intellektueller an einer weit verbreiteten muslimischen
Gewaltbereitschaft. Soll er. Denn er zweifelt nicht daran, daß es
sich lohnt, das Streitgespräch mit muslimischen Intellektuellen zu
suchen, und schon gar nicht an einer grundsätzlichen
Entwicklungsfähigkeit der muslimischen Welt.
> Dschihad gegen Diskotheken
> Nach dem Anschlag von Jakarta rüsten Indonesiens Islamisten weiter
> auf. Doch den Kampf um das Volk haben sie verloren
> http://www.zeit.de/2003/34/Indo-Islam?page=all
Hier erfahren wir Gründe dafür, warum der radikale Islamismus in
Indonesien ziemlich schlechte Chancen hat, mehrheitsfähig zu werden,
und daß es eine starke muslimische Gegenbewegung gegen die dortige
islamistische Gewalt gibt: "Einige wenige Radikale und extrem
orthodoxe Muslime führten in der Öffentlichkeit das große Wort –
obwohl die Masse ganz anders dachte. Entsprechend misstrauisch
blickte der Westen nach Indonesien. Um das zu ändern und seinen Islam
vor den Radikalen zu verteidigen, beschloss Ulil Abshar Abdallah
selber, ein wenig „militant“ zu werden. Er gründete ein Netzwerk
Liberaler Islam. Seitdem werben seine Mitglieder in Talkshows und
Zeitungen für Toleranz, Gleichberechtigung und die Trennung von Staat
und Religion."
Fazit: der Islam in Indonesien wehrt sich aus eigener Kraft
erfolgreich gegen Ansätze zu islamistischer Radikalisierung.
> Schule des Hasses auf dem Balkan
> http://www.zeit.de/archiv/2001/45/200145_bin_laden_in_bos.xml?page=al
> l
>
> Der importierte Hass
> http://www.zeit.de/2003/07/Islamismus_neu?page=all
Fazit dieses Artikels: Krieg macht Menschen gewalttätig, und diese
Militarisierung der Mentalitäten begünstigt kriegerische Lesarten
einer religiösen Doktrin vor friedlichen Lesarten. "Wie gründlich der
Krieg Bosnien verändert hat, wird erst heute erkennbar. (...) Nicht
nur erkoren radikale Islamisten aus aller Welt Bosnien zum
Schlachtfeld ihres Glaubens, ... zugleich suchten junge Bosnier ihr
Heil zunehmend in einem Islam des Hasses, den es in ihrem Land zuvor
nicht gegeben hat." Noch Fragen? Kein Wort davon, daß es etwa eine
inneres Gewaltpotential des Islams gewesen sei, daß die bosnischen
Muslime zum Krieg getrieben hätte. Sondern genau umgekehrt: der Krieg
treibt zur kriegerischen Lesart des Islam.
> Angriff aus dem Armenhaus
> Die Gewalt des Nahen Ostens bricht in die längst westlich geordnete
> Welt Istanbuls ein
> http://www.zeit.de/2003/48/T_9frkei?page=all
"Fest steht, dass die Front nicht zwischen dem türkischen Islam und
dem Westen oder zwischen Muslimen und Juden verläuft. Eher bricht der
Nahe Osten, einschließlich des türkischen Südostens (!), mit seinem
Elend, seiner Ausweglosigkeit und seiner Art von Politik in die
längst westlich geordnete Welt Istanbuls ein." Noch Fragen? Kein Wort
von einem Kulturkampf zwischen dem Islam und dem Westen oder dem
Christentum.
Hast Du, LuisDeLirio, die oben empfohlenen Artikel nun eigentlich
selbst gelesen? Und bist Du Dir sicher, daß Du ausgerechnet abed und
seinen Sermon a) verteidigen willst und b) mit DIESEN Quellen
verteidigen willst? Denn abed argumentiert von einem strikt
religiösen Standpunkt aus: er stellt eine angeblich kriegerisches
Wesen des Islam als solchen gegen ein angeblich friedliches Wesen des
Christentums als solchem. Als "Beweis" dient ihm seine
höchstpersönliche, eigene *Deutung* des Christentum: wenn es Gewalt
ist, dann ist es eben kein Christentum. Die religionssoziologische
Einsicht, daß dieselbe religiöse Doktrin zu unterschiedlichen Zeiten
an unterschiedlichen Orten zu höchst unterschiedlichen Deutungen der
Überlieferung und zu ebenso unterschiedlichen religiös legitimierten
Praktiken führen kann, geht ihm kilometerweit am Hintern vorbei.
Umd im Falle des Islam genügt ihm schlicht und ergreifend selektive
Wahrnehmung. abeds Vorgehensweise ist intellektuell zutiefst
unredlich und außerordentlich borniert. Er hat seine radikalen
Vereinfachungen gegen wissenschaftlich fundierte Kritik immunisiert.
Er ist ein religiöser Hetzer im Mäntelchen der Friedfertigkeit. Ich
glaube nicht, daß er mit der "ZEIT" viel anfangen kann.
> Bücher:
> Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute
> Walther L. Bernecker
>
> Reconquista und Heiliger Krieg.
> Alexander P Bronisch
>
> Die Reconquista.
> Derek W. Lomax
Angesichts Deiner Bezugnahme auf wissenschaftliche Literatur vermisse
ich in Deiner Bücherliste nun gänzlich die Islamwissenschaften:
Edward Said, Gilles Kepel, Oliver Roy, Bernard Lewis, Dan Diner,
Ernest Gellner, Bassam Tibi - um mal ein paar der bekanntesten zu
nennen. Insofern erscheint es mir auch ein wenig gewagt, wenn Du mir
- wie oben - Bildungslücken unterstellen möchtest - die haben wir
zwar alle, aber gemessen am Niveau dieses Forums bin ich hier
jederzeit konkurrenzfähig.
MfG
djadmoros