Die Welt ist verrückt geworden

Zum Thema "die Welt steht Kopf" möcht ich hier eine kleine Geschichte erzählen, für die ich mich verbürge.
Meine Großtante ist 78 Jahre alt. Jeden Tag (sie fährt noch selber), verbringt sie Stunden im Gartengroßmarkt vor unserer Stadt, der öffnen darf und zu dem man seit Beginn der Krise nicht mehr hinfahren sollte, weil man nie einen Parkplatz kriegt. Dort trifft sie sich mit vielen Senioren ihres Tagestreffs, der geschlossen hat.
Großtante ist der felsenfesten Überzeugung, dass wir alle systematisch von der Regierung belogen werden. Wir hätten längst schlimmere Verhältnisse als Italien je hatte, so ist sie sich sicher. Große Teile der Bevölkerung seien schon von der neuen Krankheit dahingerafft worden und heimlich von der Regierung in Krematorien gebracht worden. Diese Aufgabe würden als Paketdienste getarnte Lieferwagen übernehmen. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Straßen und die Innenstadt so leergefegt sind. Es ist nicht möglich, sie in ihrer Überzeugung zu beeinflussen, weil ihre beiden Enkel sich über sie lustig machen und sie in ihrem Wahn bestärken.
Also hatte ich schnell den Versuch aufgegeben, Großtante davon zu überzeugen, dass sie sich fürchterlich irrt. Jedoch hat mir ein Argument von ihr zu denken gegeben, auf das ihre Überzeugung in ganz besondere Weise beruht:
Sie sagt, dass es unmöglich sei, dass sich so viele erwachsene Menschen von der Regierung vorschreiben lassen würden, wann, wo, mit wem und mit wie vielen Menschen sie sich privat treffen lassen dürften.
Darüber habe ich lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: Zwar ist Großtante verrückt geworden, aber um keinen Deut verrückter als die ganze Welt.