Ich sehe die Lohn-Preis-Spirale noch nicht. Zwar gibt es üppige Forderungen der Gewerkschaften (die der gegenwärtigen Teuerung sogar noch hinterherhinkt), aber Forderungen sind das Eine, realisierte nominale Lohnsteigerungen das Andere. Es ist ja nicht so, dass Unternehmen derzeit in Geld schwimmen - von Vertreterinnen der Energiebranche mal abgesehen -, denn die kämpfen ja ebenfalls mit stark gestiegenen Energiepreisen, häufig noch weitaus weniger abgesichert als Endverbraucher.
Ich gebe Flassbeck Recht, wo er die gegenwärtigen Preissteigerungen nicht als "richtige" Inflation bezeichnet. Inflation kommt ja vom Wort "aufblähen", und es ist eben die Frage, ob die Geldmenge sich aufbläht - und zwar die zirkulierende - oder nur die Preise. Sicherlich hat die EZB die Geldmenge in den letzten Jahren ganz erheblich ausgeweitet, aber dieses Geld ist nur zu einem kleinen Teil in der Wirtschaftssphäre zirkuliert, denn die Bedürfnisse der Reichen - die noch reicher geworden sind - waren bereits gedeckt, weshalb sie ihr zusätzliches Vermögen in die Spekulationssphäre gesteckt haben, es folglich also nicht unmittelbar im Konsumgütersektor preistreibend wirksam werden konnte. Und bei den weniger Begüterten ist von dieser Geldblase nichts angekommen. Deshalb sind die Preise bei Aldi bis Jahresbeginn ungefähr dieselben geblieben. (Natürlich hat sich die Spekulation, z.B. bei Grundstücken und Immobilien, letztlich auch auf andere Preise ausgewirkt, Baumaterialien, Handwerkerpreise, Mieten, aber das hat entweder nur diejenigen betroffen, die sich das leisten konnten und dann weniger gespart haben, oder es hat diejenigen getroffen - bei den Mieten -, die sich das eigentlich nicht leisten konnten und die sich dann an anderer Stelle einschränken mussten, was die Nachfrage reduzierte und daher eher preisdämpfend wirkte.)
Wenn jetzt die Preise für Energie steigen, dann ist das nicht zu viel zirkulierendem Geld zu verdanken, sondern, wie Flassbeck richtig sagt, der Knappheit der nachgefragten Ware. Wozu wird das führen - außer zu markigen Forderungen der Gewerkschaften? Man wird sich einschränken, mit Habeck und Kretschmar frieren und Katzenwäsche machen. Man wird beim Lebensmittelkauf auf weniger wertige Waren ausweichen, zur Tafel gehen, man wird second hand kaufen - mit anderen Worten: Man wird die Nachfrage in allen Sektoren reduzieren. Das führt tendenziell immer zu sinkenden Preisen, um anbieterseitig den Umsatz stabil zu halten. Dieser Tendenz entgegen wirken Materialknappheit seitens der Anbieter und steigende Energiepreise. Es führt kein Weg an der Weisheit vorbei, dass jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann, und wenn aufgrund verlorengegangener Arbeitsstelle weniger Märker vorhanden sind, werden sogar weniger davon nur einmal ausgegeben.
Diese dämpfende Dynamik betrifft über die Hälfte der Bevölkerung, wahrscheinlich sogar mehr als zwei Drittel. Da gibt es kaum Sparvermögen, die angetastet werden könnten, und kreditwürdig sind sie nicht, können sich also nicht mit einem Kredit über dieses dunkle Tal retten.
Dass diese Preissteigerungen "schon einfach verschwinden werden", glaube ich auch nicht, schon deshalb nicht, weil niemand in Berlin "einfach" den Hahn an NS 2 aufdrehen wird, um das Problem weitestgehend zu lösen. Oder aus der NATO austreten. Oder sich - Ungarn gleich - den Sanktionen verweigern. Oder anderweitig Schaden vom deutschen Volke abwenden. Die werden weiterhin gehorsam die Weisungen aus Washington ausführen.