Bisher hatte ich das Glück, mein Leben durch eigene Arbeit
finanzieren zu können. Ich bin also kein Nutzer/Kunde/Opfer der
Armutsindustrie. Meine Hoffnung ist, dass das auch so bleibt.
Aber als sozialer und sparsamer Mensch, der Verschwendung nicht mag,
habe ich öfter schon mal Dinge, die ich nicht mehr brauchte, die mir
nicht mehr passten oder die einfach über waren, zu Kleiderkammern
oder Gebrauchtmöbelhäusern gebracht, damit sich daran Menschen
erfreuen können, die sie sich sonst ggf. nicht leisten können. Eine
Zeit lang hab ich das auch auf Ebay verkauft, aber das ist am Ende
dann doch mehr Arbeit.
Zuerst mal finde ich das Grundprinzip natürlich völlig OK. Armut
existiert und diese Menschen müssen auch essen und sich einkleiden.
Da sich der Staat gerade im sozialen Bereich immer mehr versagt, ist
geradezu die Pflicht der Gesellschaft, an diesen Stellen helfend
einzuspringen. Eine Veränderung durch Wahlen ist bei unserem
Parteiensystem und -spektrum zudem nicht zu erwarten, was eine
politische Lösung nahezu unmöglich macht. Es bleibt also nur der
Einsatz anderer.
Wie bei vielen Dingen besteht aber immer die Gefahr, dass gut gemeint
und gut gemacht nicht immer zueinander finden. Und aus guten
Vorsätzen werden dann schnell die Pflastersteine auf dem Weg zur
Verdammnis. So ist es dann wohl bei der Tafelbewegung passiert. Sie
haben sich etabliert, Einfluss und Macht gesammelt und sind nicht
wirklich daran interessiert, davon wieder zu lassen. Macht
korrumpiert eben. Wer gut an etwas verdient, der wird einen Teufel
tun, diese Einnahmequelle selbsttätig auszutrocknen. Vom
Widerständler gegen die alltägliche Armut wird man dann zum
Verwalter.
Mit dieser neuen Sichtweise geht dann oft auch eine Änderung des
Selbstverständnisses einher. War man eben noch mitfühlender Kämpfer
wider die Armut, eingehakt gemeinsam im Kreise der Betroffenen...ist
man nun Führungsebene, man steht über seinen "Kunden", sorgt dafür,
dass die Regeln eingehalten werden und andere Blockwarttätigkeiten.
Das bringt mir wieder zu meinen eigenen Erfahrungen. Fangen wir mit
der Kleiderkammer an. Es gibt davon mehrere in unserem
Einzugsbereich. Eine gehört zu einer evangelischen Kirchengemeinde,
eine zu einem sozialen Träger, der mehrere dieser Einrichtungen in
der Stadt betreibt.
Ich bringe die Sachen nicht dorthin, weil mich das schlechte Gewissen
treibt und ich die Salbung des Dankes brauche, sondern weil ich es
für die beste Lösung für alle halte. Die beiden anderen Möglichkeiten
wären der Altkleidercontainer und die Mülltonne. Wobei ich da die
Mülltonne noch bevorzuge, um der Textilindustrie in armen Ländern
nicht die letzten Kunden zu rauben, wobei sich die Händler, die die
Ware international verschieben eine goldenen Nase verdienen. Ich
bringe da auch keine Lumpen hin, kauptt und verschmutzt, sondern
Ware, die meine Familie noch ein paar Wochen vorher getragen hat oder
die im Schrank hing und Platz wegnahm. Ich erwarte dementsprechend
von einer Einrichtung, dass ich freundlich empfangen werde, man es
mir leicht macht, die Ware loszuwerden und man mich freundlich
verabschiedet. Kein Kniefall, keine Lobeshymnen und natürlich kein
Entgeld. Das ist, wie ich finde, nicht zu viel verlangt.
1. Kirchlicher Träger: 3 Damen stehen mit säuerlicher Miene am Tresen
und beäugen jeden Eintretenden. Auf meine freundliche Begrüßung kommt
vages Gemurmel. Um zu vermeiden, dass die mich für einene Vertreter
halten, komme ich schnell zum Punkt: Ich hätte da ein paar Kartons
mit Kleidern abzugeben. Immer noch kein Lächeln auf den Gesichtern,
nur die Frage "Wieviele?". Mir wird dann gezeigt, wo ich die
abstellen soll. Also trage ich die 10 Kartons alleine in den
Lagerraum, unter den Argusaugen der drei säuerlichen Damen vom
Tresen. Eine bequemt sich dann doch herrüber und öffnet unter
verächtlichem Schnauben einige Kartons. Offenbar ist die Ware nicht
wertig genug, um vor ihren Augen zu bestehen, sie sagt aber nichts.
Ich verabschiede mich freundlich, was in der Stille einsam verhallt.
Ich kann nicht sagen, dass ich besonders schlecht behandelt wurde,
aber man hat sich nicht willkommen gefühlt. Ich war nicht nochmal da.
2. Sozialer Träger: Man soll vorher anrufen, ob denn zur Zeit Ware
angenommen wird. Ja, ist ein kleiner Laden, sehe ich ein, dass die
nicht zwischen den Kartons untergehen wollen. Also angerufen und das
"Go" bekommen. Losgezogen. Im Laden angekommen (wieder drei Damen,
aber freundlicher) großes Entsetzen. WER hat ihnen gesagt, wir würden
etwas annehmen? Schnell kommt zutage, dass es wohl gewisse
Kommunikationsprobleme zwischen den einzelnen Bereichen des Träger
gibt, die fast schon einer Blutfehde gleichen. Die Zeit, die ich
brauche, um die Kartons abzuladen, wird übelst auf den anderen
Bereichen rumgehackt. Zu mir ist man freundlich, aber das Klima ist
mies. Da man nicht jeder Zeit Ware annehmen kann, ist das auch keine
Option.
Zum Glück haben wir eine andere Stelle gefunden, einen Tauschladen,
wo man freundlich behandelt wird, sich die Mitarbeiter über die Ware
freuen und auch das allgemeine Klima im Laden sehr gut ist.
Der absolute Abgrund war allerdings ein Gebrauchtmöbelhaus eines
großen Trägers: Ich hatte einen zerlegten Schreibtisch (aufgebaut
passte der nicht ins Auto) und einen alten Computer (WinXP-fähig,
also keine Win3.11-Krücke oder so, allerdings ohne Festplatte, aber
mit RAM, DVD, Sound- und GraKa, Netzwerkkarte, so um die 1,6 GHz) und
einen S/W-Laserdrucker (voll funktionsfähig, Toner leer, 5 Jahre
alt). Beides zu schade für die Tonne, dachte ich. Also hingefahren.
Vorne in der Anmeldung war man freundlich und schickte mich zur
Möbelhalle, dort würde mir ein Mitarbeiter beim Ausladen helfen.
Pustekuchen. Der Mitarbeiter kam mit einem Gesicht zu mir, dass sagte
"Was willst Du hier in meiner Halle?". Wie konnte ich es nur wagen,
in sein Revier einzudringen? Es wirkte schon fast komisch, wie der
Typ, der einen Kopf kleiner war als ich, von oben herab zu mir
sprach. Was ich denn hätte? Schreibttisch? Brauchen wir nicht!
*stutz* Wie? Brauchen? Sie nicht, aber die Kunden vielleicht? Nö.
Computer? Was kann der denn? Kurz die Daten dargelegt. Sehr
abfälliges Lachen. Die Gurke brauchen wir nicht. Und den Drucker auch
nicht. Zu alt, alles. Man muss sich vorstellen, wie absurd mir das
vorkam. Als würde dort alles Ernstes erwartet werden, dass man
akutelle Neuware verschenkt. NATÜRLICH sind die alt, sonst würde ich
sie ja auch noch nutzen! Aber wenn jemand mit wenig Geld einen
Computer bekommt, mit dem er surfen und Office machen kann, ist das
doch nicht schlecht? Das muss ja kein High-End-Gerät sein? Nachdem
ich dann also quasi vom Hof gescheucht wurde, bin ich zum
Recyclinghof gefahren und hab das alles dort in den Container
gekippt. Und genau das mache jetzt immer. Ein Beschwerdebrief über
das Verhalten des Mitarbeiters wurde nicht beantwortet. Mit den Typen
will ich nichts mehr zu tun haben.
Ich möchte gar nicht wissen, wie die "Kunden" bei denen behandelt
werden, wenn die schon mit Spendern so mies umgehen...
Aber das scheint ja tatsächlich normal zu sein in der
Armutsindustrie.
Was ich nicht selbst in die Hände von anderen legen kann, das wandert
bei mir jetzt immer auf dem Müll. Tut mir oft leid, aber dann denke
ich kurz an diese Typen und ab dafür.
D.
finanzieren zu können. Ich bin also kein Nutzer/Kunde/Opfer der
Armutsindustrie. Meine Hoffnung ist, dass das auch so bleibt.
Aber als sozialer und sparsamer Mensch, der Verschwendung nicht mag,
habe ich öfter schon mal Dinge, die ich nicht mehr brauchte, die mir
nicht mehr passten oder die einfach über waren, zu Kleiderkammern
oder Gebrauchtmöbelhäusern gebracht, damit sich daran Menschen
erfreuen können, die sie sich sonst ggf. nicht leisten können. Eine
Zeit lang hab ich das auch auf Ebay verkauft, aber das ist am Ende
dann doch mehr Arbeit.
Zuerst mal finde ich das Grundprinzip natürlich völlig OK. Armut
existiert und diese Menschen müssen auch essen und sich einkleiden.
Da sich der Staat gerade im sozialen Bereich immer mehr versagt, ist
geradezu die Pflicht der Gesellschaft, an diesen Stellen helfend
einzuspringen. Eine Veränderung durch Wahlen ist bei unserem
Parteiensystem und -spektrum zudem nicht zu erwarten, was eine
politische Lösung nahezu unmöglich macht. Es bleibt also nur der
Einsatz anderer.
Wie bei vielen Dingen besteht aber immer die Gefahr, dass gut gemeint
und gut gemacht nicht immer zueinander finden. Und aus guten
Vorsätzen werden dann schnell die Pflastersteine auf dem Weg zur
Verdammnis. So ist es dann wohl bei der Tafelbewegung passiert. Sie
haben sich etabliert, Einfluss und Macht gesammelt und sind nicht
wirklich daran interessiert, davon wieder zu lassen. Macht
korrumpiert eben. Wer gut an etwas verdient, der wird einen Teufel
tun, diese Einnahmequelle selbsttätig auszutrocknen. Vom
Widerständler gegen die alltägliche Armut wird man dann zum
Verwalter.
Mit dieser neuen Sichtweise geht dann oft auch eine Änderung des
Selbstverständnisses einher. War man eben noch mitfühlender Kämpfer
wider die Armut, eingehakt gemeinsam im Kreise der Betroffenen...ist
man nun Führungsebene, man steht über seinen "Kunden", sorgt dafür,
dass die Regeln eingehalten werden und andere Blockwarttätigkeiten.
Das bringt mir wieder zu meinen eigenen Erfahrungen. Fangen wir mit
der Kleiderkammer an. Es gibt davon mehrere in unserem
Einzugsbereich. Eine gehört zu einer evangelischen Kirchengemeinde,
eine zu einem sozialen Träger, der mehrere dieser Einrichtungen in
der Stadt betreibt.
Ich bringe die Sachen nicht dorthin, weil mich das schlechte Gewissen
treibt und ich die Salbung des Dankes brauche, sondern weil ich es
für die beste Lösung für alle halte. Die beiden anderen Möglichkeiten
wären der Altkleidercontainer und die Mülltonne. Wobei ich da die
Mülltonne noch bevorzuge, um der Textilindustrie in armen Ländern
nicht die letzten Kunden zu rauben, wobei sich die Händler, die die
Ware international verschieben eine goldenen Nase verdienen. Ich
bringe da auch keine Lumpen hin, kauptt und verschmutzt, sondern
Ware, die meine Familie noch ein paar Wochen vorher getragen hat oder
die im Schrank hing und Platz wegnahm. Ich erwarte dementsprechend
von einer Einrichtung, dass ich freundlich empfangen werde, man es
mir leicht macht, die Ware loszuwerden und man mich freundlich
verabschiedet. Kein Kniefall, keine Lobeshymnen und natürlich kein
Entgeld. Das ist, wie ich finde, nicht zu viel verlangt.
1. Kirchlicher Träger: 3 Damen stehen mit säuerlicher Miene am Tresen
und beäugen jeden Eintretenden. Auf meine freundliche Begrüßung kommt
vages Gemurmel. Um zu vermeiden, dass die mich für einene Vertreter
halten, komme ich schnell zum Punkt: Ich hätte da ein paar Kartons
mit Kleidern abzugeben. Immer noch kein Lächeln auf den Gesichtern,
nur die Frage "Wieviele?". Mir wird dann gezeigt, wo ich die
abstellen soll. Also trage ich die 10 Kartons alleine in den
Lagerraum, unter den Argusaugen der drei säuerlichen Damen vom
Tresen. Eine bequemt sich dann doch herrüber und öffnet unter
verächtlichem Schnauben einige Kartons. Offenbar ist die Ware nicht
wertig genug, um vor ihren Augen zu bestehen, sie sagt aber nichts.
Ich verabschiede mich freundlich, was in der Stille einsam verhallt.
Ich kann nicht sagen, dass ich besonders schlecht behandelt wurde,
aber man hat sich nicht willkommen gefühlt. Ich war nicht nochmal da.
2. Sozialer Träger: Man soll vorher anrufen, ob denn zur Zeit Ware
angenommen wird. Ja, ist ein kleiner Laden, sehe ich ein, dass die
nicht zwischen den Kartons untergehen wollen. Also angerufen und das
"Go" bekommen. Losgezogen. Im Laden angekommen (wieder drei Damen,
aber freundlicher) großes Entsetzen. WER hat ihnen gesagt, wir würden
etwas annehmen? Schnell kommt zutage, dass es wohl gewisse
Kommunikationsprobleme zwischen den einzelnen Bereichen des Träger
gibt, die fast schon einer Blutfehde gleichen. Die Zeit, die ich
brauche, um die Kartons abzuladen, wird übelst auf den anderen
Bereichen rumgehackt. Zu mir ist man freundlich, aber das Klima ist
mies. Da man nicht jeder Zeit Ware annehmen kann, ist das auch keine
Option.
Zum Glück haben wir eine andere Stelle gefunden, einen Tauschladen,
wo man freundlich behandelt wird, sich die Mitarbeiter über die Ware
freuen und auch das allgemeine Klima im Laden sehr gut ist.
Der absolute Abgrund war allerdings ein Gebrauchtmöbelhaus eines
großen Trägers: Ich hatte einen zerlegten Schreibtisch (aufgebaut
passte der nicht ins Auto) und einen alten Computer (WinXP-fähig,
also keine Win3.11-Krücke oder so, allerdings ohne Festplatte, aber
mit RAM, DVD, Sound- und GraKa, Netzwerkkarte, so um die 1,6 GHz) und
einen S/W-Laserdrucker (voll funktionsfähig, Toner leer, 5 Jahre
alt). Beides zu schade für die Tonne, dachte ich. Also hingefahren.
Vorne in der Anmeldung war man freundlich und schickte mich zur
Möbelhalle, dort würde mir ein Mitarbeiter beim Ausladen helfen.
Pustekuchen. Der Mitarbeiter kam mit einem Gesicht zu mir, dass sagte
"Was willst Du hier in meiner Halle?". Wie konnte ich es nur wagen,
in sein Revier einzudringen? Es wirkte schon fast komisch, wie der
Typ, der einen Kopf kleiner war als ich, von oben herab zu mir
sprach. Was ich denn hätte? Schreibttisch? Brauchen wir nicht!
*stutz* Wie? Brauchen? Sie nicht, aber die Kunden vielleicht? Nö.
Computer? Was kann der denn? Kurz die Daten dargelegt. Sehr
abfälliges Lachen. Die Gurke brauchen wir nicht. Und den Drucker auch
nicht. Zu alt, alles. Man muss sich vorstellen, wie absurd mir das
vorkam. Als würde dort alles Ernstes erwartet werden, dass man
akutelle Neuware verschenkt. NATÜRLICH sind die alt, sonst würde ich
sie ja auch noch nutzen! Aber wenn jemand mit wenig Geld einen
Computer bekommt, mit dem er surfen und Office machen kann, ist das
doch nicht schlecht? Das muss ja kein High-End-Gerät sein? Nachdem
ich dann also quasi vom Hof gescheucht wurde, bin ich zum
Recyclinghof gefahren und hab das alles dort in den Container
gekippt. Und genau das mache jetzt immer. Ein Beschwerdebrief über
das Verhalten des Mitarbeiters wurde nicht beantwortet. Mit den Typen
will ich nichts mehr zu tun haben.
Ich möchte gar nicht wissen, wie die "Kunden" bei denen behandelt
werden, wenn die schon mit Spendern so mies umgehen...
Aber das scheint ja tatsächlich normal zu sein in der
Armutsindustrie.
Was ich nicht selbst in die Hände von anderen legen kann, das wandert
bei mir jetzt immer auf dem Müll. Tut mir oft leid, aber dann denke
ich kurz an diese Typen und ab dafür.
D.