the observer schrieb am 11. April 2013 14:05
> Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber die sozialen Ungleichheiten
> innerhalb unserer Gesellschaft sind kein Resultat einer religiösen
> Moral, sondern ein Produkt eines Wirtschafts- und Finanzsystems, das
> solche Ungleichkeiten geradezu hervorbringt und fördert. Die hier
> erörterte Ungleichkeit ist ja keine, die auf Herkunft oder Kultur
> beruht, sondern eine höchst unterschiedlicher Besitzstände, und immer
> reicher (oder ärmer) wird man ja nicht durch inbrünstige (oder gar
> keine) Ausübung religiöser Praktiken. Abgesehen davon klafft diese
> vielzitierte Schere innerhalb jeder Gesellschaft der Erde (also zwar
> quer durch jegliche Religionen), die sich dieses Wirtschaftsmodells
> bedient.
>
> (Inwieweit religiöse Aspekte einzelner Beteiligter bei ihren
> Entscheidungen bzw. Handlungen eine Rolle spielen, ist wohl nicht
> ermittelbar). Ich finde aber, wenn man das Thema vom religiösen
> Standpunkt aus angeht, gerät man schnell auf den Holzweg.
Die Besitzstände hierzulande haben sich historisch entwickelt und
wurden von einer Herrschaft legalisiert, die schon immer mit den
Kirchen paktierte. Im Gegenzug legitimierte die Kirche die Herrschaft
und diktiert moralische Maßstäbe, die sich in der Gesetzgebung
wiederspiegeln. Diese Symbiose funktioniert bis heute. Deshalb ist
die Kirche (Evangelen und Katholen packe ich hier in einen Sack) u.a.
der größte Grundbesitzer in Deutschland und bezieht massiv
finanzielle Mittel aus Steuereinnahmen.
> > Ein
> > sittenwidriger Gesellschaftvertrag ist aber genauso nichtig, wie ein
> > sittenwidriger Miet- oder Arbeitsvertrag und das bedeutet nichts
> > anderes, als dass der übervorteilte Bürger nicht mehr in der Pflicht
> > ist, sich an den Gesellschaftvertrag zu halten.
> > Kurz gesagt, er hätte das Recht sich schlicht und einfach zu nehmen,
> > was ihm zusteht.
>
> Das wäre nur eine andere Sittenwidrigkeit. "Sich nehmen, was ihm
> zusteht" düfte wohl nur ein anderer Begriff für Raub sein. Das eigene
> unethische Verhalten mit dem Verweis auf unethisches Verhalten
> anderer zu rechtfertigen, ist ein äußerst schwaches Argument, weil es
> keine anderen Normen außer der eigenen akzeptiert.
Nein. Die Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages kann durch beide
Seiten erfolgen.
Ein Krimineller, der sich aus Habgier bereichert, kündigt den
Gesellschaftsvertrag auf seine Weise und wird dementsprechend zu
recht bestraft.
Wenn ein Staat den Gesellschaftsvertrag aufkündigt, indem er
beispielsweise Bürgern trotz verbreitetem Wohlstands die
Existenzgrundlage verweigert, dann ist das genauso kriminell, wie der
Raub des habgierigen Bürgers. Ein solcher Staat ist ein
Unrechtsstaat, an dessen Normen der Bürger nicht länger gebunden ist.
> > Zur Verdeutlichung: Der Staat regelt das Berufs- und Geschäftsleben
> > bis ins kleinste Detail. Ein Großteil der Regeln verbietet bestimmte
> > Tätigkeiten, die es Bürgern ermöglichen würden, ein Einkommen zu
> > erzielen, dass ihnen ein würdiges Leben sichert.
>
> Welche Tätigkeiten (und welche Verbote) hast Du da im Sinn?
zB könnte ein Arbeitsloser, dem der Staat keinen menschenwürdigen Job
anbieten kann, auf die Idee kommen, sich selbständig zu machen. Er
könnte also einfach anfangen irgendeine beliebige Dienstleistung zu
erbringen. zB in der Fußgängerzone einen rollenden Eisstand
betreiben, Kaffee und Kuchen verkaufen, Musik machen, Schuhe putzen,
Autos waschen etc...
Dies ist aber gar nicht möglich, da es dafür sehr restriktive Gesetze
gibt, die der Staat festgelegt hat. Der Staat schränkt also die
Gewerbefreiheit ein und nimmt dadurch Bürgern die Möglichkeit auf
diese Weise ein Einkommen zu erzielen.
Er zwingt also die Bürger auf bestimmte Einnahmequellen zu verzichten
und ist dadurch in der Pflicht andere wertgleiche Quellen anzubieten
oder Kompensation.
> Wo aber kann man das einklagen? Und - gibt das einem das Recht, die
> Angelegenheit auf seine eigene Weise, nach eigenem Ermessen zu
> regeln? Kann man
> Gesellschaftsrecht durch Individualrecht eretzen? Dann hätten wir so
> viele Rechtsauffassungen wie Bürger.
Bei uns kann man den Anspruch auf Kompensation z.B. vor
Sozialgerichten einklagen.
Im Grunde geht es aber letztlich um ein höheres Recht, das über dem
codifizierten Recht steht: die Menschenrechte.
Das codifizierte Recht ist ja nur das Recht der Herrschenden, dem
sich die Beherrschten unausgesprochen im Gesellschaftsvertrag
unterwerfen, weil sie annehmen, das es gerecht ist.
> Es gibt keine vernuftgeleiteten Gesellschaften. Es ist eine alte
> Utopie der Philosophen, aber ich sehe in absehbarer Zeit keine Chance
> einer Realisierung. Ich wüßte auch nicht, wie das gehen könnte; ist
> doch das Handeln des Menschen selbst auch oft irrational.
Selbstverständlich gibt es vernunftgeleitete Gesellschaften. Nicht in
Reinform, aber zweifellos besteht auch unsere Gesellschaft auf
historisch entwickelten rationalen Grundsätzen. siehe hierzu: Max
Weber, Rationale Herrschaft
> Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber die sozialen Ungleichheiten
> innerhalb unserer Gesellschaft sind kein Resultat einer religiösen
> Moral, sondern ein Produkt eines Wirtschafts- und Finanzsystems, das
> solche Ungleichkeiten geradezu hervorbringt und fördert. Die hier
> erörterte Ungleichkeit ist ja keine, die auf Herkunft oder Kultur
> beruht, sondern eine höchst unterschiedlicher Besitzstände, und immer
> reicher (oder ärmer) wird man ja nicht durch inbrünstige (oder gar
> keine) Ausübung religiöser Praktiken. Abgesehen davon klafft diese
> vielzitierte Schere innerhalb jeder Gesellschaft der Erde (also zwar
> quer durch jegliche Religionen), die sich dieses Wirtschaftsmodells
> bedient.
>
> (Inwieweit religiöse Aspekte einzelner Beteiligter bei ihren
> Entscheidungen bzw. Handlungen eine Rolle spielen, ist wohl nicht
> ermittelbar). Ich finde aber, wenn man das Thema vom religiösen
> Standpunkt aus angeht, gerät man schnell auf den Holzweg.
Die Besitzstände hierzulande haben sich historisch entwickelt und
wurden von einer Herrschaft legalisiert, die schon immer mit den
Kirchen paktierte. Im Gegenzug legitimierte die Kirche die Herrschaft
und diktiert moralische Maßstäbe, die sich in der Gesetzgebung
wiederspiegeln. Diese Symbiose funktioniert bis heute. Deshalb ist
die Kirche (Evangelen und Katholen packe ich hier in einen Sack) u.a.
der größte Grundbesitzer in Deutschland und bezieht massiv
finanzielle Mittel aus Steuereinnahmen.
> > Ein
> > sittenwidriger Gesellschaftvertrag ist aber genauso nichtig, wie ein
> > sittenwidriger Miet- oder Arbeitsvertrag und das bedeutet nichts
> > anderes, als dass der übervorteilte Bürger nicht mehr in der Pflicht
> > ist, sich an den Gesellschaftvertrag zu halten.
> > Kurz gesagt, er hätte das Recht sich schlicht und einfach zu nehmen,
> > was ihm zusteht.
>
> Das wäre nur eine andere Sittenwidrigkeit. "Sich nehmen, was ihm
> zusteht" düfte wohl nur ein anderer Begriff für Raub sein. Das eigene
> unethische Verhalten mit dem Verweis auf unethisches Verhalten
> anderer zu rechtfertigen, ist ein äußerst schwaches Argument, weil es
> keine anderen Normen außer der eigenen akzeptiert.
Nein. Die Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages kann durch beide
Seiten erfolgen.
Ein Krimineller, der sich aus Habgier bereichert, kündigt den
Gesellschaftsvertrag auf seine Weise und wird dementsprechend zu
recht bestraft.
Wenn ein Staat den Gesellschaftsvertrag aufkündigt, indem er
beispielsweise Bürgern trotz verbreitetem Wohlstands die
Existenzgrundlage verweigert, dann ist das genauso kriminell, wie der
Raub des habgierigen Bürgers. Ein solcher Staat ist ein
Unrechtsstaat, an dessen Normen der Bürger nicht länger gebunden ist.
> > Zur Verdeutlichung: Der Staat regelt das Berufs- und Geschäftsleben
> > bis ins kleinste Detail. Ein Großteil der Regeln verbietet bestimmte
> > Tätigkeiten, die es Bürgern ermöglichen würden, ein Einkommen zu
> > erzielen, dass ihnen ein würdiges Leben sichert.
>
> Welche Tätigkeiten (und welche Verbote) hast Du da im Sinn?
zB könnte ein Arbeitsloser, dem der Staat keinen menschenwürdigen Job
anbieten kann, auf die Idee kommen, sich selbständig zu machen. Er
könnte also einfach anfangen irgendeine beliebige Dienstleistung zu
erbringen. zB in der Fußgängerzone einen rollenden Eisstand
betreiben, Kaffee und Kuchen verkaufen, Musik machen, Schuhe putzen,
Autos waschen etc...
Dies ist aber gar nicht möglich, da es dafür sehr restriktive Gesetze
gibt, die der Staat festgelegt hat. Der Staat schränkt also die
Gewerbefreiheit ein und nimmt dadurch Bürgern die Möglichkeit auf
diese Weise ein Einkommen zu erzielen.
Er zwingt also die Bürger auf bestimmte Einnahmequellen zu verzichten
und ist dadurch in der Pflicht andere wertgleiche Quellen anzubieten
oder Kompensation.
> Wo aber kann man das einklagen? Und - gibt das einem das Recht, die
> Angelegenheit auf seine eigene Weise, nach eigenem Ermessen zu
> regeln? Kann man
> Gesellschaftsrecht durch Individualrecht eretzen? Dann hätten wir so
> viele Rechtsauffassungen wie Bürger.
Bei uns kann man den Anspruch auf Kompensation z.B. vor
Sozialgerichten einklagen.
Im Grunde geht es aber letztlich um ein höheres Recht, das über dem
codifizierten Recht steht: die Menschenrechte.
Das codifizierte Recht ist ja nur das Recht der Herrschenden, dem
sich die Beherrschten unausgesprochen im Gesellschaftsvertrag
unterwerfen, weil sie annehmen, das es gerecht ist.
> Es gibt keine vernuftgeleiteten Gesellschaften. Es ist eine alte
> Utopie der Philosophen, aber ich sehe in absehbarer Zeit keine Chance
> einer Realisierung. Ich wüßte auch nicht, wie das gehen könnte; ist
> doch das Handeln des Menschen selbst auch oft irrational.
Selbstverständlich gibt es vernunftgeleitete Gesellschaften. Nicht in
Reinform, aber zweifellos besteht auch unsere Gesellschaft auf
historisch entwickelten rationalen Grundsätzen. siehe hierzu: Max
Weber, Rationale Herrschaft