Twister2009 schrieb am 11. April 2013 11:36
Hallo Twister,
> Sie sehen die Erwerbslosigkeit,
> egal warum sie stattfand, als persönliches Scheitern, an dem sie
> "schuld" sind an.
daß ihnen das eingeredet wird, hilft hier leider nicht weiter.
> Das Ganze war so stark von Depression und Frustration angesichts der
> Tatsache, dass sie "dann Hartzie ist" geprägt, dass ich dem hilflos
> gegenüberstand. Da ich ja auch weiß, wie schnell man sich dann
> wertlos fühlt und wie der letzte Versager, wie soll ich dann helfen
> und sagen "hey, du bist clever und engagiert, du bist toll?'", wenn
> doch nur "ja, aber ich hab keinen Job und bin bald HartzIV" kommt?
> Dabei war sie mal wirklich eine sehr selbstbewusste Frau und ich hab
> sie immer glühend darum beneidet, aber das ging seit dem Gedanken
> "bald bin ich HartzIV" stetig abwärts.
Würde es Deiner Freundin eventuell helfen, sie darauf hinzuweisen,
daß es nur EIN Aspekt ihrer Persönlichkeit ist, woher das Geld kommt,
von dem sie einkauft?
Als ich vor einigen Jahren einem Freund gegenüber erzählte, wie sinn-
und nutzlos ich mich fühlte, weil ich von damals Sozialhilfe, heute
Grundsicherung lebe, sagte er nur zu mir: "Wenn Du Dich nur darüber
definierst..."
Also ich meine, was ein Mensch tut oder verrichtet, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten, sollte nicht als Kriterium zum
Bewerten seiner Persönlichkeit herhalten. Leider wird uns das von
Politikern und vor allem den Medien immer wieder eingetrichtert, daß
nur der von Wert ist, der einer Erwerbstätigkeit nachgeht (oder wie
es so schön heißt: "Arbeit über alles"; am schlimmsten finde ich die
Leute, die sagen: "Hauptsache Arbeit, und wenn ich nur 1.- €/h
kriege...")
Der Freund damals hat mir gezeigt, daß ich Qualitäten habe, die nicht
damit zu tun haben, ob ich einer Erwarbsttätigkeit nachgehe oder
nicht.
Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Heute ist es so, daß
ich mich über jede freie Stunde freue, in der ich an meinem
Musikinstrument üben kann, z.B. diese Möglichkeit hätte ich als
Erwerbstätige nicht. Ich hätte auch nicht die Möglichkeit, mal eben
Leuten bei irgendetwas zu helfen oder mich weiterzubilden auf
privater Ebene.
Vielleicht würde es Deiner Freundin helfen - irgendwann -, ihr zu
zeigen, daß man auch aus Nichterwerbstätigkeit etwas Positives ziehen
kann. Ich weiß, daß das schwer ist, wenn man ALG2 bezieht wegen der
Ämterschikane, aber vielleicht kann sie aufgrund ihrer Behinderung
bald in die Grundsicherung, da hat man so ziemlich seine Ruhe.
> Noch jetzt ist es für mich so, dass, wenn ich z.B. etwas geschenkt
> bekomme, mich komisch fühle, genauso wie in den Momenten, in denen
> ich z.B. mal wieder keine Artikel schreiben kann und daher dann
> natürlich auch kein Geld nach Hause bringe. Mein Mann würde nie sagen
> "mach endlich was fertig damit Geld reinkommt", aber für mich ist
> jeder Tag, an dem das Konto nichts anzeigt, letztendlich auch wieder
> ein Beweis für mein Scheitern. Das Gefühl der Wertlosigkeit ist da
> stets vorhanden, egal wie oft ich mir sage "hey, du bemühst dich, du
> bist ja auch krank usw.". Es hilft nichts, im Endeffekt fühle ich
> mich da wie zig andere ALG II-Bezieher z.B. auch - schlichtweg wie
> der totale Versager, der nur anderen auf der Tasche liegt und am
> besten nicht mehr da wäre. Das ist etwas, was vielen anhaftet, die
> zur Tafel gehen usw - die gehen dort hin und haben dieses Denken,
> dass sie nichts wert sind und der Bodensatz der Gesellschaft sind,
> komplett verinnerlicht.
Das kenne ich auch. Dieses tägliche Voraugenführen, oder besser:
Vor-Augen-Geführt-Bekommen, daß nur der Erwerbstätige von Wert ist.
Das ist schrecklich, und schrecklich deprimierend.
Aber es ist hinderlich, meine ich, sich immer diese Situation vor
Augen zu führen, an der man nichts ändern kann.
Falls Deine Freundin nicht unbekannt verzogen ist, schreibe ihr doch
evt. eine Karte, oder rufe sie an, versuche, geduldig und hartnäckig
zu sein, daß Du sie wertschätzt und gerne hast unbeachtet der
Umstäne, in denen sie lebt. Falls Du das nicht schon getan hast.
Außerdem finde ich es immer wieder bewundernswert, wie offen Du in
einem öffentlich Forum auch über Deine Schwächen schreibst. Dabei
wissen wir, daß Du eine starke Frau bist, wenn man bedenkt, was Du
alles schon hinter Dich gebracht hast, was Du alles überstanden hast
- und Du bist immer noch da!
In diesem Sinne liebe Grüße: Pollonius
Hallo Twister,
> Sie sehen die Erwerbslosigkeit,
> egal warum sie stattfand, als persönliches Scheitern, an dem sie
> "schuld" sind an.
daß ihnen das eingeredet wird, hilft hier leider nicht weiter.
> Das Ganze war so stark von Depression und Frustration angesichts der
> Tatsache, dass sie "dann Hartzie ist" geprägt, dass ich dem hilflos
> gegenüberstand. Da ich ja auch weiß, wie schnell man sich dann
> wertlos fühlt und wie der letzte Versager, wie soll ich dann helfen
> und sagen "hey, du bist clever und engagiert, du bist toll?'", wenn
> doch nur "ja, aber ich hab keinen Job und bin bald HartzIV" kommt?
> Dabei war sie mal wirklich eine sehr selbstbewusste Frau und ich hab
> sie immer glühend darum beneidet, aber das ging seit dem Gedanken
> "bald bin ich HartzIV" stetig abwärts.
Würde es Deiner Freundin eventuell helfen, sie darauf hinzuweisen,
daß es nur EIN Aspekt ihrer Persönlichkeit ist, woher das Geld kommt,
von dem sie einkauft?
Als ich vor einigen Jahren einem Freund gegenüber erzählte, wie sinn-
und nutzlos ich mich fühlte, weil ich von damals Sozialhilfe, heute
Grundsicherung lebe, sagte er nur zu mir: "Wenn Du Dich nur darüber
definierst..."
Also ich meine, was ein Mensch tut oder verrichtet, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten, sollte nicht als Kriterium zum
Bewerten seiner Persönlichkeit herhalten. Leider wird uns das von
Politikern und vor allem den Medien immer wieder eingetrichtert, daß
nur der von Wert ist, der einer Erwerbstätigkeit nachgeht (oder wie
es so schön heißt: "Arbeit über alles"; am schlimmsten finde ich die
Leute, die sagen: "Hauptsache Arbeit, und wenn ich nur 1.- €/h
kriege...")
Der Freund damals hat mir gezeigt, daß ich Qualitäten habe, die nicht
damit zu tun haben, ob ich einer Erwarbsttätigkeit nachgehe oder
nicht.
Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Heute ist es so, daß
ich mich über jede freie Stunde freue, in der ich an meinem
Musikinstrument üben kann, z.B. diese Möglichkeit hätte ich als
Erwerbstätige nicht. Ich hätte auch nicht die Möglichkeit, mal eben
Leuten bei irgendetwas zu helfen oder mich weiterzubilden auf
privater Ebene.
Vielleicht würde es Deiner Freundin helfen - irgendwann -, ihr zu
zeigen, daß man auch aus Nichterwerbstätigkeit etwas Positives ziehen
kann. Ich weiß, daß das schwer ist, wenn man ALG2 bezieht wegen der
Ämterschikane, aber vielleicht kann sie aufgrund ihrer Behinderung
bald in die Grundsicherung, da hat man so ziemlich seine Ruhe.
> Noch jetzt ist es für mich so, dass, wenn ich z.B. etwas geschenkt
> bekomme, mich komisch fühle, genauso wie in den Momenten, in denen
> ich z.B. mal wieder keine Artikel schreiben kann und daher dann
> natürlich auch kein Geld nach Hause bringe. Mein Mann würde nie sagen
> "mach endlich was fertig damit Geld reinkommt", aber für mich ist
> jeder Tag, an dem das Konto nichts anzeigt, letztendlich auch wieder
> ein Beweis für mein Scheitern. Das Gefühl der Wertlosigkeit ist da
> stets vorhanden, egal wie oft ich mir sage "hey, du bemühst dich, du
> bist ja auch krank usw.". Es hilft nichts, im Endeffekt fühle ich
> mich da wie zig andere ALG II-Bezieher z.B. auch - schlichtweg wie
> der totale Versager, der nur anderen auf der Tasche liegt und am
> besten nicht mehr da wäre. Das ist etwas, was vielen anhaftet, die
> zur Tafel gehen usw - die gehen dort hin und haben dieses Denken,
> dass sie nichts wert sind und der Bodensatz der Gesellschaft sind,
> komplett verinnerlicht.
Das kenne ich auch. Dieses tägliche Voraugenführen, oder besser:
Vor-Augen-Geführt-Bekommen, daß nur der Erwerbstätige von Wert ist.
Das ist schrecklich, und schrecklich deprimierend.
Aber es ist hinderlich, meine ich, sich immer diese Situation vor
Augen zu führen, an der man nichts ändern kann.
Falls Deine Freundin nicht unbekannt verzogen ist, schreibe ihr doch
evt. eine Karte, oder rufe sie an, versuche, geduldig und hartnäckig
zu sein, daß Du sie wertschätzt und gerne hast unbeachtet der
Umstäne, in denen sie lebt. Falls Du das nicht schon getan hast.
Außerdem finde ich es immer wieder bewundernswert, wie offen Du in
einem öffentlich Forum auch über Deine Schwächen schreibst. Dabei
wissen wir, daß Du eine starke Frau bist, wenn man bedenkt, was Du
alles schon hinter Dich gebracht hast, was Du alles überstanden hast
- und Du bist immer noch da!
In diesem Sinne liebe Grüße: Pollonius