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  • phute

mehr als 1000 Beiträge seit 28.03.2002

Streitschrift für unsere Jugend

Seit Jahren stört mich, wie unsere Jugend von "der Generation im
Sattel" niedergemacht wird. Just jene Leute deren Jugend von Protest
im Wohlstand geprägt war, die kifften, soffen, Drogen nahmen, dann,
wenn es nicht mehr so opportun war, bequem in einen bürgerlichen
Lebenswandel wechselten sind jene, die heute der Jugend absurde
Vorwürfe machen. Die Medienkampagnen über Komasaufen - so als ob es
etwas völlig neues wäre, dass Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit
Alkohol machten, das ständige Gerede von wegen "mangelnder
Qualifikation" oder "mangelndem Leistungswillen", oder die Absurde
Mär von der ausufernden "Gewaltbereitschaft" - als ob es nicht seit
Jahrhunderten Wirtshausschlägereien gegeben hätte, haben ein
unerträglich jugendfeindliches Klima geschaffen. 
Ich hatte die erfreuliche Aufgabe zeitweise mit Jungen Menschen in
diversen Schulen zusammenzuarbeiten. Nichts von alledem entspricht
der Realität. Die jungen Menschen von heute sind leistungsbereit,
vernunftorientiert und willens aus ihrem Leben etwas zu machen. Aber
kaum werden sie aus Schule und Universität entlassen, müssen sie
feststellen, dass man ihnen kaum eine Möglichkeit eröffnet, eine
reale Existenz zu gründen. Generation Praktikum - eine perfide
Methode der AUSBEUTUNG - Dienstverhältnisse die keine
existenzsichernde Zukunftsplanung zulassen,
Qualifikationsanforderungen die nur mehr als Unverschämt zu
bezeichnen sind (Motto. 25 Jahre alt - aber 20 Jahre Berufserfahrung
und 5 Fremdsprachen- Gehalt 600€). Die Politik hat unsere Jugend
sträflich vernachlässigt. Der Focus wird auf die "Pensionssicherung"
gestellt, die primäre Zielgruppe unserer Volksvertreter heisst 60+ -
denn dort lässt sich demographisch eben besser fischen. Es ist Verrat
an der Zukunft unter der Prämisse 4-5 jähriger Legislaturperioden.
Der Grundsatz, dass Leistung lohnt ist passeé. Ganz unverhohlen wird
von "Karrierenetzwerken" schwadroniert, die man haben sollte - das
was man früher "Nepotismus" nannte ist vom Makel in den Stand der
Tugend erhoben worden - nur einer von vielen Indikatoren wie
verkommen unsere "Leitgesellschaft" bereits ist.
Es gibt aber Hoffnung. Und diese Hoffnung geht just von den 
"Komasäufern, strukturell unterbelichteten und ungebildeten
Jugendlichen" aus. Ich konnte den Eindruck gewinnen, dass die
perfiden Versuche, diesen Menschen ihren Geist durch primitive
Konsumismuserziehung, durch Werbeterror von Geburt an, durch frühe
Verschuldung per Jugendkonten, nicht bei allen die gewünschte Wirkung
erzielt hat. Die Nüchternheit, die erstaunliche Reife der heutigen
Jugend könnte dafür sorgen, dass ihre künftige Rebellion organisiert
- und damit effizient - die bisherigen schädlichen Machtstrukturen
zerschlägt und zu positiven neuen Ufern führt.
Ich würde es mir wünschen, dass diese Menschen, deren Tatkraft und
Blick noch nicht von den Annehmlichkeiten einer scheinbar gesicherten
Existenz, der Versklavung durch Konsumkredite und der Verdummung
durch Gewohnheit zerstört wurde, ihr Schicksal in die Hand nehmen,
und sich ihrer Ausbeutung verweigern. 
Diese Jugend hat das Potential jenseits von "links" und "rechts" eine
gedeihliche Zukunft - notfalls eben mit der Faust - zu erzwingen. 
Die nächsten Monate werden es zeigen.
Denn in naher Zukunft wird der konsumistische geistige Käfig, in dem
man das Volk hält, an seiner eigenen Verkommenheit zerbrechen - dann
sind die Kräfte freigesetzt, die Illusionen - auch der älteren -
verweht, und die Tür in eine neue Zukunft aufgestossen. Wir sollten
die Ereignisse der Gegenwart nicht mit Verbitterung sondern mit
Freude betrachten, denn seit langem eröffnet sich in der Geschichte
der Menschheit wieder eine Chance sich von den strukturellen Fesseln
der Macht zu befreien. Die Jugend wird ihre große Stunde feiern - und
ich hoffe inständig, dass ihre Wut die richtigen Ziele anvisiert, ihr
Zorn die wahren Tyrannen trifft: Den unseligen Filz aus Banken,
Medien, Versicherungen, Konzernen, Hochfinanz und Politik.
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